Samstag, April 25, 2009

Kulturkampf in Berlin

Eine durchaus nicht unwichtige Volksaufstimmung findet am Sonntag in Berlin statt, bei der es die Berliner FDP geschafft hat, sich auf die falsche Seite zu stellen. Focus.de berichtet:


Am Sonntag können über 2,4 Millionen Berliner entscheiden, ob
Religionsunterricht dem Pflichtfach Ethik an den Schulen der Hauptstadt
gleichgestellt werden soll. Derzeit ist Ethik für alle Schüler ab der siebten
Klasse verpflichtend, Religion kann freiwillig dazu gewählt werden. Ziel der
Bürgerinitiative ist es, die Schüler stattdessen zwischen beiden wählen zu
lassen.



Bei der genannten Bürgerinitiative handelt es sich um Pro Reli, die -neben der CDU und den großen Kirchen- auch von der FDP unterstützt wird, der man in der Vergangenheit doch zumindest einen gewissen Säkularismus nicht absprechen konnte. Ihr gegenüber steht die Initiative Pro Ethik, die u. a. von der SPD und der Linkspartei unterstützt wird. Die SPD wirbt für ihr Anliegen unter anderem mit einem Plakat, das eine amerikanische Schulklasse aus Seattle zeigt und stellt dazu fest: "Religion oder Ethik? Wir machen beides." Dummerweise gibt es allerdings an staatlichen Schulen in Amerika überhaupt keinen Religionsunterricht. Religionsunterricht –staatlich finanziert, versteht sich- gibt es an den Berliner Schulen für die Klassen 7 bis 10 auch schon bisher, nur eben als freiwillige Angelegenheit neben einem verpflichtenden Schulfach „Ethik“. Dies ist den Unterstützern von „Pro Reli“ allerdings nicht genug. Sie fordern unter der Flagge der „Wahlfreiheit“ die Möglichkeit, das Fach „Religion“ gleichberechtigt neben das Fach „Ethik“ zu stellen. Und im Fach sollen keineswegs Agnostiker oder Atheisten den Schülern etwas über verschiedene Religionen vermitteln dürfen, nein, es geht darum, dass Gläubige in ihrer jeweiligen Religion die Schüler unterweisen dürfen. Dies wird durchaus offen ausgesprochen. Als Michael Müller in einer Diskussion Bischof Wolfgang Huber darauf verweist, dass auch im Fach „Ethik“ über Religion gesprochen werden könne, antwortet ihm Huber (DIE WELT):

.Aber das Wissen, das Sie vermitteln, enthält einseitige Deutungen über das
Christentum, wie etwa, dass die Hexenverfolgungen das Paradigma bilden, an dem
man das Christentum besonders gut erklären kann. Sie werden mir abnehmen, dass
ich das nicht für akzeptabel halte.


Was „Pro Reli“ will, ist die Gleichberechtigung eines traditionellen Schulfaches wie Ethik mit religiöser Propaganda. Dies können private Schulen oder Eltern, die Heimunterricht durchführen, natürlich tun, aber der säkulare Staat darf dies nicht tun. Es dürfte noch nicht einmal freiwillig ergänzenden Unterricht ermöglichen und finanzieren. Bischof Huber erklärt die Gleichberechtigung von Ethik und Religionsunterricht flugs zu einer Frage der Religionsfreiheit, denn der Staat habe nicht die „Deutungshoheit“ über Religion. Eine solche Haltung kann man durchaus fundamentalistisch nennen, denn der Staat will keineswegs in Gottesdienste oder den Konfirmationsunterricht eingreifen, was die Kirchen in der Tat zurückweisen könnten. Huber fordert nichts anderes, als das der Staat im Zeichen der Religionsfreiheit an seinen Schulen kritische Darstellungen über Religionen unterlässt. Huber vergisst, dass es nicht nur die Religionsfreiheit gibt, sondern auch die Freiheit des Wortes, die auch vor staatlichen Schulen nicht haltmacht, und auch dann gilt, wenn Religionen kritisch beleuchtet werden. In diesem Sinne: Nein zu „Pro Reli“ und „Ja“ zur Verteidigung des säkularen Staates.

Siehe auch: Alan Posener "Religionsunterricht an staatlichen Schulen ist falsch"