Dienstag, Dezember 14, 2004

Pro Zivildienst? Pro Langeweile?

Das Bundesamt für den Zivildienst gibt eine monatliche Zeitschrift für Zivildienstleistende heraus, deren Ziel es ist, Fragen von Zivildienstleistenden zu beantworten und ihnen zu demonstrieren, was für eine wunderbare Sache der "friedliche Zwangsdienst" ist. In der Novemberausgabe geht um ein vom BAZ organisiertes Fußballspiel zwischen Amtspersonen und Zivildienstleistenden (in selbst gestalteten schneeweißen "Zivipowertrikots"), einen exotischen "Anderen Dienst" (Infos zum Anderen Dienst im Ausland hier) in der chilenischen Hafenstadt Valparaiso (Ersatzdienstleistender Jasencak: "Uns war es wichtig, Werte wie Toleranz und Akzeptanz zu vermitteln", "Ich weiß mehr, wer ich bin und was ich will"), künstlerische Selbstentfaltung von Zivildienstleistenden etc.

Der vielsagende Kern dieser besonderen Ausgabe offenbart sich aber schon auf dem Titelblatt: "Plädoyer für die Langeweile: Ist unser Zeitbegriff das Nonplusultra?"
Man kann in dieser Zeitschrift viel über die Vorzüge des erzwungenen Dienstes am Gemeinwohl lesen: von der sozialen Erfahrung, dem moralischen Zeigefinger und den seichten Plattitüden von "Toleranz" et alii, multikulturellen Erlebnissen, Möglichkeit zu politischem Engagement....von Selbstfindung beim Kloputzen?! Solche Rationalisierungen sind nicht ausreichend. Gewaltsam erzwungene Sinnlosigkeit läßt sich nicht so einfach schönreden.

Da hat man sich - um das Problem an der Wurzel zu packen - offenbar zu intellektuellem Training entschlossen. Ich fürchte, dass unsere Gesellschaft weit genug "fortgeschritten" ist, dass das Problem an der ideellen Grundlage angepackt werden kann, ohne dass ein Aufschrei bei den jungen Menschen, von denen explizit verlangt wird ihr Leben wegzuwerfen, entsteht. Worum geht es in diesem Artikel? Es geht um die Tugend des Nichtstuns und die zugehörige Belohnung – Langeweile. Nein, der Begriff "Langeweile" wird nicht direkt mit dem Zivildienst in Verbindung gebracht; es geht vielmehr um Grundlagenarbeit. Wer diese Grundlagen akzeptiert, wird vieles mit sich machen lassen, solange es ihn nicht zu sehr fordert – das macht sie natürlich auch für ein Verfechten des Zivildienstes interessant.

Bemerkenswert ist die Offenheit des "Plädoyers", das mit folgenden Versen beginnt:

"O Faulheit, erbarme dich des unendlichen Elends!

O Muße, Mutter der Künste und der edlen Tugenden,
sei du der Balsam für die Schmerzen der Menschheit!"
(Paul Larfargue, Schwiegersohn v. K. Marx in "Recht auf Faulheit", 1883)*
Einleitend macht der Autor des Plädoyers folgende Feststellung:

"Heute wollen wir in die Zeit, die uns zur Verfügung steht, immer mehr hineinpacken. Langeweile wird als destruktiv empfunden, als quälende Spannung. Die Muße als Pause zwischen den Arbeitsabschnitten, steht dagegen hierarchisch etwas höher."

Ja! Die Menschen wollen aus ihrem Leben soviel wie möglich herausholen und verachten die Ziel- und Sinnlosigkeit. Gemäß dem Objektivismus ist Erholung völlig legitim und wertvoll, solange sie produktives Schaffen voraussetzt. "Freizeitaktivitäten sind eine Art der Erholung und und setzen etwas voraus, von dem man sich erholt; sie haben nur einen Wert als Form von Entspannung und Belohnung nach der Durchführung von Arbeit." (L. Peikoff, OPAR, S. 301) Doch diese legitime Form von Erholung soll in dem Artikel nicht befürwortet werden; es geht vielmehr um den die "als destruktiv empfundene, quälende Spannung". Nun gibt es offenbar ein Problem, denn:

"Faulsein, schon das Wort – ein Sakrileg an sich. Der Horro vacui: Die Furcht vor der Leere, vor der unerfüllten Erwartung. Bloß nie ohne Aufgabe sein. O Graus – tödliche Langeweile, Erlebnisarmut, Beziehungseinerlei."

Doch die Lösung ist einfach: Es muss nur der "Umgang mit der Zeit neu gelernt werden und die Begrenztheit eigener aktivistischer Möglichkeiten einschließen." Anders ausgedrückt: Wir müssen lernen, nichts zu tun - auch wenn es anfangs weh tut!

Ignoriert werden dabei die Tatsachen, dass das Leben ein "Prozess selbsterhaltenden und selbstgenerierenden Handelns" (A. Rand, VOS, "Die Objektivistische Ethik") ist; dass Zielorientiertheit ein tragender moralischer Wert und eine Voraussetzung des Selbstwertes ist; dass produktive Arbeit zum Erhalt unseres geistigen und körperliches Wohlergehens erforderlich ist und deshalb korrekterweise eine wesentliche Rolle in unserem Leben spielt. Es ist ein natürliches Verhalten für den Menschen, sich und seine Umwelt ständig zu verbessern, nach Neuem zu streben und es zu verwirklichen; Leben ist Bewegung, Aktivität, Abenteuer – Stillstand bedeutet Tod. Wie kann man einen zu dieser Offenkundigkeit widersprüchlichen Standpunkt überzeugend vermitteln? Gar nicht – aber man kann eine vage Geschichte erzählen, mit vielen Implikationen, die man nicht näher erläutern oder gar beweisen muss.

Der Autor des Plädoyers, Ethnologe Thomas Geduhn, schildert eine "virtuellen Reise ins Reich der Muße": Erholung in der Form von jeglicher (Freizeit-)Aktivität ablehnend wird jetzt eine Tourismusbranche angenommen, die das "Thema Muße und Langeweile" entdeckt hat. Die Langeweile, die manche heute schon im Urlaub erleben, wird auf einer Reise mit dem jungen Unternehmen "Reise mit Weile" noch übertroffen:

"[Es wird] folgendes angeboten: Tagedieberei, Rückbesinnung auf die eigene Innenwelt, Pflichtvergessenheit sowie (Süßes Nichtstun) als Höhepunkt.[...] Ziel dieser eintägigen Reise ist das Nadolny-Territorium. Es wird von Menschengedenken von dem Tiez-Volk bewohnt, dem eine besondere Beziehung zur Zeit nachgesagt wird. Wie jedes Ureinwohnervolk besteht es aus mehreren Stämmen, welchen im Falle der Tiez in der etwas iritierenden Übersetzung 'Faulpelze', 'Langweiler' [...] heißen. Nun ja, andere Völker, andere Sitten."

Den Höhepunkt der Reise stellt ein Besuch beim Stammeshäuptling dar:

"Der Oberfaulpelz ruht ungeniert auf einer landestypischen Liege und scheint nicht gerade auf uns gewartet zu haben. [...] Nach einer Zeit des Dies und Das will schließlich ein Reisender wissen, ob er als Häuptling denn nichts anderes tue als faulenzen. Vergeblich versucht Reel-Tiet [der Häuptling] zu antworten, aber seine Faulheit nötigt ihn zu einem wohligen Schweigen. Nein, es wird deutlich: dies ist kein Lenz**, kein Oblomov***. Dies ist, wenn überhaupt, Nietzsches Magyar, die Gestalt der Faulheit, von der er wenig vornehm behauptet: 'Der Magyar ist viel zu faul, um sich zu langweilen. [...]'
Gähnend bleibt Reel-Tiez liegen und grübelt wie es scheint über seine Faulheit, aber er ist zu faul, um sein Grübeln zu Ende zu führen. Die Antwort bleibt aus. [...] Vor seinen zerfallenden Augen verschwindet der Raum in dichtem Traumnebel, und die Gruppe erkennt die Sehnsucht nach tiefem Schlaf auf seinem Gesicht."

"Ungeachtet des hohen Preises müsse sich jeder Mensch, so die Geschäftsleitung von 'Reise mit Weile', diese kostbare Ware gönnen können." Was hier unterschwellig zu vermitteln versucht wird, ist das Gegenteil der Lebensmoral, die einen aktiven Verstand und produktives Schaffen fordert. Es ist das Bild der Mittelmäßigkeit, das das Nichtstun zum moralischen Ideal erhebt und Verzicht auf die Nutzung des Verstandes, auf das Streben nach Werten, fordert. Der Häuptling ist ein geeignetes Beispiel für einen lebenden Toten, für äußerste Selbstlosigkeit. Selbstlosigkeit erfordert Opfer, entweder für ein höhers Ziel (Gott, die Mitmenschen) oder – als Selbstzweck. Die implizite Forderung des Artikels ist nicht weniger als die freiwillige Aufopferung der eigenen Ambitionen für die Mittelmäßigkeit des Nichts.

Das Plädoyer richtet sich – natürlich – auch gegen den Kapitalismus. Bildern eines beschäftigten Jungunternehmers, der Börse, eines Hochhauses werden Aufnahmen eines Blumengartens und eines Palmenstrandes gegenübergestellt. Die falsche Alternative, die suggeriert wird, ist: Hektische, entfremdende Arbeit vs. "idyllische" Langeweile. Tatsächlich aber können nur die berüchtigten Börsenmakler und ihr moralisches Äquivalent – zielorientierte, produktive Menschen jeder sozialen Schicht – idyllische Ruhe vollends genießen.


In einem sich an das Plädoyer anschließenden Interview (Titel: "Nehmen wir unsere Arbeit zu wichtig?") – wieder mit dem Ethnologen Thomas Geduhn – werden Zielorientiertheit, Produktivität und Fortschritt nocht einmal aufs Korn genommen; es geht um die Gleichwertigkeit von Industriegesellschaften und Jäger- und Sammlerkulturen, in denen nicht über das äußerste Existenzminimum hinaus produziert und eine Anpassung an den Lebensraum gewährleistet wird - "ein sehr kluges und weises Verhalten" (!). Als Ursachen für dieses Verhalten werden Kultur und Glauben genannt, kurzum: Wenn wir unseren Verstand ein wenig mehr ausschalten würden, könnten wir auch ein bisschen mehr wie die Punan oder die Inuit leben.

Jeder Zivildienstleistende, dessen Bestrebungen vom öden Zwangsdienst auf Monate hinausgezögert werden, muss diese Artikel als zynischen Spott empfinden. Es ist unerhört, lebensfähigen Menschen den Start in die Welt unter Einschränkung ihrer Individualrechte zu erschweren und sie dann auch noch davon zu überzeugen versuchen, dass Ehrgeiz und Mühe mittelmäßiger Trägheit unterzuordnen sind, dass die westliche Welt nicht besser ist als irgendein zurückgebliebener Stamm. Den Erfolg der Lehre von der Langeweile dokumentiert u.a. die Dekandenz der heutigen Jugendkultur, das sinnlose Vandalieren, und nicht zuletzt der weit verbreitet Unwille zu politischen Reformen, mehr Selbstverantwortung und der aktiven Mitarbeit beim Schritthalten Deutschlands mit der Wirtschaftskraft aufstrebender Nationen.

Nicht der Tod bei lebendigem Leibe, sondern der freie und produktive Mensch ist ein moralisches Ideal!


*Es war mir bis jetzt neu, dass sich ein marxistischer Intellektueller damals so offen für das Nichtstun eingesetzt hat. Lesen sie selbst und stoßen sie auf müßiggängerische Ausbeutungsphantasien wie:
"Aber gleich Papageien plappern die Proletarier die Lektionen der Ökonomen nach: 'Arbeiten wir, arbeiten wir, um den Nationalreichtum zu vermehren!'
O ihr Idioten! Weil ihr zu viel arbeitet, entwickelt sich die industrielle Technik zu langsam...[...]Um die Kapitalisten zu zwingen, ihre Maschinen von Holz und Eisen zu vervollkommnen, muss man die Löhne der Maschinen von Fleisch und Bein erhöhen und die Arbeitszeit derselben verringern." (Link zu weiteren Auszügen)

** Lenz ist ein Charakter aus G. Büchners Woyzeck. Er war jemand, "der sich aus lauter Langeweile noch nicht einmal selbst töten wollte" (Zitat aus dem Artikel).

*** aus dem gleichnamigen Buch von Ivan Goncharov

Dienstag, November 02, 2004

Manfred F. Schieder: Wohin des Weges, Unternehmer?

"Die Unternehmer sind das Symbol einer freien Gesellschaft. Wenn sie aussterben, wird die Zivilisation selbst sterben."

"Capitalism: The Unknown Ideal", von Ayn Rand.

Die Unternehmer - jene produktiven Einzelgänger welche für ihre Produkte zahlende Abnehmer zu finden hoffen - sind die neue Rassenminderheit, die als Opferlamm in der "modernen" Hexenverfolgung dient, welche Politiker wie auch Intellektuelle gegen sie und somit gegen die Zukunft der Menschen im Allgemeinen, entfacht haben.
Sie werden einerseits beneidet und andererseits verabscheut und schuldig für alle Schwierigkeiten welche die Menschheit bedrängen, befunden. Man erklärt sie zum Sündenbock wo immer Regierungen oder eine politische, ideologische oder intellektuelle Gruppe jemanden braucht auf dem die unausweichlichen, katastrophalen Folgen ihrer eigenen irrationalen Handlungen abgewälzt werden können. Die Grünen empfinden sie als letztes Bollwerk gegen die heißersehnte, schnelle Rückkehr in das Wildendasein, und sie selbst tragen ein starkes Schuldgefühl, dass von der Annahme ausgeht, dass sie gegen die auf der Welt geltende "Moral" agieren. Dieses letzte vernimmt man in ihren öffentlichen Erklärungen, die gleichzeitig aus beschämende mea culpa und Verpflichtung zur "Rückkehr in die Natur" bestehen. Das Glück der Menschheit bestehe ja im Versinken in Dreck, Pest und Hunger und nicht in einem menschenwürdigen Dasein.
Eine Klarstellung ist hier notwendig. Wenn ich von Unternehmer spreche, dann meine ich selbstverständlich nicht jene Bürokraten, welche die Leitung von staatlichen oder gemischte "Unternehmen" beinhalten, und somit die Nutznießer von Privilegien, Hilfsgelder und Protektionismus sind mit denen sie ihre eigene Geschäftsunfähigkeit gegenüber dem unternehmerischen Risiko abschirmen.
Hier spreche ich von jenen wenigen freien Unternehmer, frei, soweit es der Sumpf an Verpflichtungen und Steuern, in dem die Menschheit weltweit erstickt überhaupt noch erlaubt. Diese zur Zeit aussterbende Art - welche von allen sozialistisch gefärbten Intellektuellen auch als "Räuberbarone" verschrien wird - besteht, wie es Ludwig von Mises in seinem Buch "Human Action" definierte, "aus jene Individuen, welche es darauf abgesehen haben, einen Verdienst zu erreichen, indem sie die Produktion jenen Marktänderungen anpassen, die nur sie im Voraus abschätzen können. Damit sei gesagt, dass der Titel Unternehmer nur denen zusteht, welche eine größere Initiative, eine erhöhte Abenteuerlust und eine stärkere Vision als die Mehrzahl besitzen; jene wagemutigen Individuen also, die, stets in der Vorhut, den Fortschritt selbst generieren."
Diese Menschen erzeugen die Zukunft. Man bemerke, dass "der Große Schritt vorwärts", der Augenblick als der menschliche Fortschritt begann, im direkten Zusammenhang mit der industriellen Revolution des 18. Jahrhunderts steht.
Was geschah damals so Einzigartiges? Vielleicht Entdeckungen und Erfindungen von außergewöhnlicher Bedeutung? Keinesfalls. Bis dahin hatte die Menschheit über die Jahrhunderte schon viele Entdeckungen und Erfindungen gesammelt. Diejenigen, die den hervorspringenden Punkt, der das Ganze in Bewegung setzte, nicht sehen wollen, verheimlichen es, indem sie auf Watts Dampfmaschine als den Start der Zukunft zeigen.
Aber die Grundsätze von Watts Maschine kannte man schon zu Zeiten der alten Griechen, und doch war nichts geschehen. Der Ursprung vieler wissenschaftlicher Errungenschaften kann dort zurückgeführt werden. Aber damals wurden diese Kenntnisse - und noch zur Zeiten der Renaissance geschah es so - als Kinderspiele abgetan, nichts weiter als einfallsreiche physische und chemische Verbindungen.
Bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herrschte die mystische Auffassung, dass jede menschliche Bemühung zwecklos und nichtig war, schon im Voraus von einer göttlichen Macht zur Sinnlosigkeit abgestempelt und als ketzerische Aktivität verfolgt. Diese "irdische" Existenz war doch nichts weiter als eine Vorbereitung des "wirklichen" Lebens, welches sich in einer anderen, unbeschreibbaren "Wirklichkeit" abspielen würde. Die Theologen bestimmten dies als einen unbestreitbaren, dogmatisch gesetzten Teil ihrer Doktrin. Die Philosophen - von den Vorsokratikern bis zur Gegenwart - verweltlichten diese Anschauung als Handlanger des Mystizismus. So z.B. Platon und seine bidimensionale Welt von Formen und Traumwelt, Kant und seine noumenischen und phänomenologischen Objekte usw.
Diese Auferlegung des Glaubens an eine menschliche Existenz welche nicht verbessert werden kann, beinhaltet notgedrungen ein tiefgehendes Gefühl, dass alles, was man auch tut oder tun könnte, nutzlos ist. Die Klöster sind das klare Beispiel dieses Stillseins.
Es kam aber der unausweichliche Augenblick, an dem das Hirn einiger Menschen gegen diese Auffassung rebellierte. Praktische Menschen übernahmen ohne zu fragen, als an sich natürliches Beschäftigungsgebiet des Menschen, die Gestaltung der Zukunft in die Hand. Die wissenschaftlichen Kenntnisse wurden in die Tat umgesetzt. Männer wie James Brindley, Josiah Wedgwood, John Wilkinson, Matthew Boulton und hunderte andere machten sich an die Arbeit, "Geld zu machen" indem sie das Leben der Armen - eine in grauenerregender Armut und Dunkelheit dahinvegetierende Existenz - veränderten. "Es ist fast witzig, daran zu denken, dass Wollunterwäsche und Seife eine derartige Änderung im Leben der Armen erzeugen konnte," schrieb der großartige Jakob Bronowski in seinem Buch "Der Aufstieg des Menschen", "aber es sind diese einfachen Sachen - Kohle im Herd, Glas in den Fenstern, eine Auswahl von Speisen -, welche diese wunderbaren Verbesserung des Lebenstandards und der Gesundheit hervorriefen. Entsprechend unserer heutigen Normen waren die Industriestädte wahre Lumpenviertel, aber für diejenigen, welche aus den schmutzigen Löcher kamen, in denen sie ihr Leben fristeten, war eine Wohnung eine wahre Befreiung von Hunger, Schmutz und Krankheit; es ergab eine neue, breitgeschichtete Auswahl von Möglichkeiten."
Davon sprach man nicht. Die Intellektuellen und ihre geistlichen Vormunde vertuschten es. Sie konnten die Bestätigung der Falschheit ihrer Dogmen und ihres Glaubens nicht ertragen, denn nun war ihre Vorherrschaft selbst in Bedrängnis gestellt.
Die Männer aber, welche ihr Geld darauf setzten, dass sowohl Reiche wie auch Arme die neuen Produkte, welche sie auf den Markt brachten, kaufen würden, waren die Unternehmer. Die Unternehmer, Wohltäter der Gesellschaft von kolossaler Größe, entwickelten ein Großnetz von Märkten, welches alle gesellschaftlichen Ebenen, wie arm diese auch sein mochten, erreichte. Mittels Maschinen erhöhte sich die Produktivität der menschlichen Arbeit und deren ökonomische Belohnung. "Durch die Organisation der menschlichen Anstrengung in produktive Arbeit," schrieb die geniale Philosophin Ayn Rand (1905-1982), "wurden Beschäftigungen in unzählige Berufe erschaffen. Der Unternehmer ist der Große Befreier, welcher in der kurzen Zeitspanne von eineinhalb Jahrhunderte die Menschen von ihren leiblichen Notwendigkeiten befreite; von Hungersnöten, Pest, der frustrierenden Hoffnungslosigkeit und dem Entsetzen löste, in denen sich die Mehrheit aller Menschen in den vorkapitalistischen Jahrhunderten befand und in denen sich auch heute noch die Mehrheit jener befinden, welche in nichtkapitalistischen Ländern leben."
Karl Marx und Friedrich Engels selbst bekannten sich zu den ungeheuerlichen Vorhaben, die Menschen in die Vorsteinzeit der Ignoranz, der Pest und der intellektuellen und physischen Unterjochung der Steinzeit zurückzuversetzen als sie im "Kommunistischen Manifest" anerkannten, dass "der Kapitalismus durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischten Nationen, in die Zivilisation reißt. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießen, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingen. Sie zwingt alle Nationen sich die Produktionsweise des Kapitalismus anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. kapitalistisch zu werden... Der Kapitalismus hat enorme Städte geschaffen, er hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entzogen."
Waren diese Unternehmer voll und ganz von kapitalistischen Moralgrundsätzen geprägt? Sicherlich nicht. Die meisten von Ihnen, wenn nicht sogar alle, waren fromme Männer, welche ohne weiteres die christlich-jüdische Moral der Kirchen als Wegweiser ihres Tun anerkannten, genauso wie all ihre Mitbürger. Sie kamen gar nicht auf den Gedanken, dass sie ihre Leistungen nur vollbringen konnten, weil sie sich in der Praxis gegen diese religiösen Anordnungen auflehnten. Adam Smith schrieb neben dem Buch "Der Reichtum der Nationen", in dem er die damalige kapitalistische Struktur und Verhaltensform analysierte, noch ein weiteres, früheres, über die religiöse Moral, die er fälschlicherweise, wie die Philosophin Ayn Rand bezeugen würde, als Grundsatz für die kapitalistische Lebensform hielt.
Diese damaligen Unternehmer hatten kaum einen Sinn für "Soziales" übrig - und es wird im kapitalistischen System jemals etwas geben das sich "sozial" deuten ließe noch dies überhaupt notwendig sei - und versuchten, das Meiste aus ihren Arbeitern herauszuholen, was wiederum völlig richtig ist, da niemand bereit sein soll, weniger Wert für das, was er bezahlt hat, zu bekommen. Aber das, was sie taten, erzeugte eine, wenn auch kleine, so doch merkliche Verbesserung des "Lebensstandards", wobei dieser - und dies sei speziell hervorgehoben - völlig unnatürlich, also menschlich war, da es in der Natur gar keinen gehobenen Lebensstandard gibt. Die Natur kennt nichts anderes als das bare Überleben als Pflanze oder Tier.
Wenn man auf die "unmenschlichen" Arbeitsbedingungen von damals hinweist, wie man dies heute immer wieder gerne tut, da es politisch rührselig klingt, setzt man völlig falsche Vergleiche. Nicht gegenüber den Menschen des 20. Jahrhunderts in den Industriestaaten war die Lebensverbesserung, welche Ende des 18. Jahrhunderts einsetzte, eine solche, sondern im Vergleich zu den vorhergehenden Jahrhunderten.
Niemand verlässt einen befriedigenden Lebensstil für einen schlechteren. Auch die Leute von damals taten es nicht. Sie verließen die erschütternden Zustände des Bauerndaseins für die bessere Lebenserwartung der Industriestädte. Sicher waren diese lausig und dreckig, aber sie waren es weniger als am Bauernhof der damaligen Zeit. Sicherlich mussten die Kinder 14 Stunden pro Tag arbeiten, aber dies waren schon vier Stunden weniger als am Bauernhof und zusätzlich bekamen sie auch noch Milch und Brot, was sich der damalige Bauer nicht leisten konnte, weil er sonst zugrunde gegangen wäre. Die Milch und das Korn musste er dem Lehnsherrn geben oder verkaufen, um überhaupt überleben zu können, und er selbst lebte von gemahlener Hirse und Wasser. So bedeutete die frühkapitalistische Lebensform eine Verbesserung welche Herren wie Marx, Engels, Dickens, usw. nicht sehen wollten, weil sie sowieso von der Unterstützung der Industriellen - wie es Marx über Engels Hilfe und dieser als Nutznießer eines Systems, dessen Zerstörung er sich vorgenommen hatte, taten - oder durch weinerliche Romane, die von den Armen gekauft wurden, da sich Selbstbemitleidung immer gut verkauft und skrupellosen Literaten ein behagliches Leben erlaubt.
Aber den Intellektuellen und ihren Brotgebern war jede Verbesserung des Lebensstandards ein Dorn im Auge. Der Kommunismus in all seinen Formen bot sich als ideales Werkzeug zur Verteidigung ihrer Privilegien und der durch Machtausübung erreichten Stellungen (nicht denn durch Intelligenz und Produktivität) an. Einerseits stellte er sich als Verteidiger der Bevölkerung vor, andererseits setzte er als nicht erklärtes Ziel die Aufrechterhaltung der seit Jahrtausenden bestehenden Gesellschaftsform von Bürokraten und Unterjochten. Die vom Kapitalismus gestartete Lebensverbesserung und die damit verbundenen Gefahren einer Änderung der Gesellschaftsform sollten damit unterbunden werden.
Die Denker im Allgemeinen entzogen sich der Verantwortung der Bevölkerung gegenüber die sich entwickelnde Auflösung des Bestehenden und seiner Ersetzung durch eine sich in ständiger Verbesserung befindenden neuen Lebensform zu erklären. Insgeheim waren beide Seiten auch damit einverstanden. Stillstand verspricht die "Sicherheit" des Bestehenden, dies ist aber ein trügerisches Bild, denn das Universum selbst befindet sich im ständigen Wandel, und die Zeit einer aufgezwungenen Stagnation war schon längst abgelaufen. Die Intellektuellen aber zogen es vor, im Glauben, dass sie damit ihre eigene Lebensgerechtfertigung verlieren würden, das "Wunder" der Lebensverbesserung zu verschweigen. Ihre Gedanken steckten in der Furche einer bestehenden Routine, und so konnten sie auch nicht ihren Pflichten gewachsen sein. Anstatt die Zusammenhänge zu erkennen, welche es ermöglichten, dass die Industrielle Revolution und dem ihr eigenen sozialen System des Kapitalismus ("Ein soziales System, welches auf der Anerkennung der Rechte des Einzelnen, inklusive der Besitzerrechte, gründet, in dem aller Besitztum privater Besitz ist. - Ayn Rand) eine derart großartige Struktur formen konnte. Noch heutzutage befindet sich die Mehrzahl der Intellektuellen in diesen Morast geistigen Stillstandes. Noch immer begehren sie die Unterstützung der Mächtigen, noch immer schrecken sie vor ihnen zusammen. Noch immer tragen sie die Ketten des mittelalterlichen Dogmatismus.
Erst im 20. Jahrhundert würde die Renaissance des Intellektes geschehen. Ayn Rand war die Denkerin, welche, von den Fakten der Realität ausgehend, die Fundamente, die die Existenz der Unternehmer und ihre Gerechtfertigung erst erlauben, folgern würde. Die Unternehmer kennen von Ayn Rands Werke nichts oder kaum etwas. Im europäischen Raum wird sie totgeschwiegen. Ihre intellektuelle Leistung ist nur den in den U.S.A. gebildeten "Neuen Intellektuellen" bekannt. Diese Leistung hat einen Namen: die Philosophie des Objektivismus. Da sie auf den Verstand gründet, ist sie der Anfang und das Ende der Philosophie überhaupt.
Während die Menschen unter der Prämisse des Altruismus leben (das ist der Zwang für den Nächsten als Gerechtfertigung der eigenen Existenz zu leben), ist nichts Weiteres als Stagnierung und Resignation möglich. Der Altruismus ist die Anerkennung der Aufopferung für den Nächsten, die "Moral" der Kannibalen, welche sich gegenseitig verzehren. Der Altruismus ist mit dem Kapitalismus unvereinbar da dieser "die ständige Anstrengung bedeutet, das eigene Leben zu verbessern indem seine Bedürfnisse und Sehnsüchte befriedigt werden. Die Praxis der Entsagung, die Anbetung der Selbstpeinigung und der Selbstaufopferung, das Überleben durch Almosen ist die Definition jedes Urwaldstammes, jeder kollektivistischen "Gesellschaftsordnung" selbst, Gesellschaften also, in denen der Einzelne den Launen von Prinzen und Häuptlingen unterliegt" (Ayn Rand).
"Es ist hier", schrieb Ayn Rand, "wo sich der unüberwindliche Abgrund zwischen Unternehmer und Altruismus und das daraus entstehende Schuldgefühl entwickelt hat. Denn die Unternehmer opfern sich nicht für ihren Nächsten - würden sie dies tun stünden sie unmittelbar vor dem Bankrott - sondern verdienen, bereichern sich und erreichen Belohnungen, wie es ein rationales, moralisches System vorschreibt. Gerade deshalb aber hassen die Altruisten-Kollektivisten den Geschäftsmann. Sie tun es nicht, weil sie vermeintlich die "Armen" bemitleiden. Sie hassen den Unternehmer weil er erfolgreich ist, und sie benutzen den Neid als Mittel, um ihn zu erniedrigen und als schuldig zu verschreien. Ihre tiefste Sehnsucht, eine Sehnsucht, deren sie zu feige sind, sie sich selbst einzugestehen, ist es den sich mit Fleiß und Produktivität erhaltenden Teil der Bevölkerung im Sumpf des Stillstandes knien zu sehen. Nur so könnten sie sich ihres eigenen Schuldgefühles des Nichtstuns entledigen."
So aber finden sich die Unternehmer von Schuldgefühlen bedrängt. Sie stehen im krassen Widerspruch zu den alten "moralischen" Werten mit denen sie erzogen wurden und der Realität, welche ihnen vorschreibt wie sie sich als Unternehmer zu verhalten haben. Die Geschäftsmänner vertreten weder das Willkürliche, das Kapriziöse noch das Irrationale, sondern die totale Einschaltung jener Fähigkeit, welche ausschließlich dem menschlichen Hirn gehört: der Verstand. Sie vertreten die praktische Verwirklichung des Menschen in seiner höchsten Tugend: ein rationales Wesen.
Die Unternehmer und deren intellektuelle Stütze, die Neuen Intellektuellen welche die Existenz des Kapitalismus als einzig mögliche menschliche Gesellschaftsform mittels Ayn Rands Philosophie begründen und gerechtfertigten, können die Selbstzerstörung der Menschheit verhindern, wenn noch genügend Zeit für eine völlige Änderung der von den Menschen anerkannten philosophisch-moralischen Grundlagen vorhanden ist. Hier gewährt keine "Mitte-des-Weges" Lösung irgendwelche Hilfe, denn solche sind ein unstabiles, radioaktives Element. Die Gegenüberstellung wird sich zwischen dem Kommunismus, der noch immer intellektuell allgegenwärtig ist, und dem Objektivismus abspielen, also zwischen einem Sklavenlager, in dem die Peitschen der Bestien herrschen, und einer rationellen Gesellschaft für rationelle Menschen. Hier stehen sich die auf den Verstand gründende Moral, eine Moral des Individuums, der Egoismus also, und der Altruismus gegenüber.
"Die gewünschte kapitalistische Welt kann errichtet werden, sie ist wahrhaftig und möglich", sagte Ayn Rand in einem "Playboy"-Interview gegenüber Alvin Toffler. "Doch sie zu gewinnen", schrieb sie in ihrem Meisterwerk "Wer ist John Galt?" (Gewis Verlag), "erfordert totale Hingabe und einen totalen Bruch mit der Welt eurer Vergangenheit, mit der Doktrin, dass der Mensch ein Opfertier ist, das zum Nutzen der anderen lebt. Kämpft für den Wert eurer Persönlichkeit. Kämpft für die Tugend eures Stolzes. Kämpft für das, was der Mensch ist: für seinen souveränen denkenden Verstand. Kämpft mit der klaren Sicherheit und der absoluten Aufrichtigkeit eures Wesens, dass eure Moral die Moral des Lebens ist, und dass euer Kampf der Kampf um die Verwirklichung aller Werte, aller Größe, aller Güte und aller Freude ist, die auf dieser Erde möglich sind."
Und von hier ausgehend wird es den Unternehmern sehr einfach sein zu wissen, entsprechend welcher Moral sie zu agieren haben, welche Ideen sie unterstützen sollten, welche als unnötigen Ballast abwerfen, um somit selbst die Richtlinien der neuen Gesellschaft mitzubestimmen und sich hiermit für das Wohin ihres Weges zu entscheiden!
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Copyright (c) 2004, Manfred F. Schieder. Dieser Artikel erschien ursprünglich in spanischer Sprache in der Ausgabe vom November 1984 der Zeitschrift "A Fondo" in Buenos Aires, Argentinien.Die Urheberrechte dieses Artikels liegen bei Manfred F. Schieder, dem Autor, welcher auch das Recht zu eventuellen Änderungen, Aktualisierungen und Zusätze behält. Er ist Privatbesitz, darf aber vom Leser elektronisch, als Hardcopy oder in irgendwelcher anderen Art zur größtmöglichen Verbreitung weitergeleitet werden, solange der Name des Autors erwähnt und der Inhalt in keiner Weise abgeändert oder verfälscht wird.

Montag, November 01, 2004

Objektivismus in Tschechien und der Slowakei

Im Objectivism Online Forum stellt sich Vavrinec aus der Tschechischen Republik vor und verweist auf die offizielle tschechische Übersetzung von Leonard Peikoffs Standardwerk Objectivism - The Philosphy of Ayn Rand durch Jiri Kinkor. Tschechisch ist somit neben Englisch die einzige Sprache in der dieses wichtige Werke über Ayn Rands Philosophie zur Verfügung steht. Natürlich muss man es als sehr bedauerlich bezeichnen, dass es keine offizielle deutsche Übersetzung gibt, aber ich kann nur empfehlen, sich das englische Original anzuschaffen und nach und nach durchzuarbeiten. Trotz der tschechischen Übersetzung ist der Objektivismus den "normalen Leuten" in der Tschechischen Republik natürlich unbekannt. Manche Leute, schreibt Vavrinec, sehen die Objektivismus allerdings als interessante Kuriosität an, wo sie hin und wieder Argumente ausleihen können. Der jetzige Präsident Vaclav Klaus bezeichnete einmal in einer Diskussion den Objektivismus als "großartiges deduktives System". Auch andere "rechte" Politiker kennen den Objektivismus und nutzen ihn als ein Werkzeug unter vielen zur Verteidigung des Kapitalismus. Tatsächlich benutzen sie auch den Begriff "Kapitalismus", was bei uns in Deutschland selbst bei der FDP unüblich ist. Dort wird nur von "Marktwirtschaft" oder gar "sozialer Marktwirtschaft" gesprochen. Vavrinec schreibt dann noch, dass in Tschechien zumindest eine kleine, aber entschlossene Gruppe, meistens junger Menschen, existiert, die ernsthaft den Objektivismus studiert. Und dann noch sein aktueller Nachsatz: "Es ist schade, dass wir in die EU eingetreten sind - ein Garten Eden für Bürokraten."
Wie mir Jiri Kinkor mitteilte, wurde kürzlich in der Tschechischen Republik von einigen tschechischen Objektivisten das Galtuv Institut gegründet, um die Anstrengungen zur Verbreitung des Objektivismus in Tschechien zu institutionalisieren. Die Idee, auf europäischer Ebene Objektivisten zu vernetzen, hält Kinkor zwar für gut, sieht sich aber aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, persönlich einen Beitrag dazu zu leisten.

In der benachbarten Slowakei können interessierte Leser seit dem letzten Herbst Ayn Rands Erfolgsroman Atlas Shrugged nun auch unter dem Titel Atlas Pokrèil Plecami (Atlas zuckt mit den Schultern) auf Slowakisch lesen. In der slowakischen Ausgabe mutiert die Autorin allerdings zu Ayn Randová, was für den slowakischen Leser natürlich ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass es sich um eine weibliche Autorin handelt. Der Übersetzer Alfred Nicholson schreibt in seinem Vorwort: "Dies ist mein Geschenk an die Slowakei". Im Gegensatz zur deutschen Ausgabe findet sich in der slowakischen sogar eine Übersetzung von Leonard Peikoffs Vorwort zum 35. Jahrestag der Erscheinung von Atlas Shrugged.

Freitag, Oktober 01, 2004

Der Krieg der Ideen und die Aufgabe der objektivistischen Klubs

Alex Epstein wendet sich auf seiner Website einem Thema zu, dass für Deutschland, Österreich oder die Schweiz -leider- nur eine theoretische Bedeutung hat: Wie führe ich einen objektivistischen Klub an einer Universität? Trotzdem scheint mir seine Antwort von Interesse zu sein, nicht nur für zukünftige Strukturen an Universitäten, sondern allgemein für jeden, der sich mit dem Objektivismus beschaftigt und aus dieser Philosophie Nutzen für sein persönliches Leben ziehen möchte. Epstein schreibt, dass die Leitung eines objektivistischen Universitätsklubs eine enorme Herausforderung darstellt, weil man Studenten dazu bewegen muss, sich in ihrer freien Zeit mit Philosophie zu beschäftigen, was die meisten Studenten auf den ersten Blick als wenig attraktiv ansehen dürften. Aber diesen skeptischen Studenten kann ein fantastisches Angebot gemacht werden: "Die Philosophie, die Sie verkaufen, ist alles andere als sinnlos - sie ist der Schlüssel zu einem fantastischen Leben. Wenn jemand den Objektivismus konsequent praktiziert, kann er eine aufregende Karriere erreichen, eine leidenschaftliche romatische Liebe, enge Freundschaften und eine tiefe Bewunderung für die Kunst. Studenten sollten den Klub als ein Mittel zu einem glücklicheren, erfüllten Leben ansehen - nicht als Ort, wo Ideen in einem Vakuum diskutiert werden, aus irgendeiner intellektuellen Pflicht heraus." Epstein warnt davor, im Klub abseitige politische Themen zu diskutieren, wie Liberalismus, Anarchismus, die Finanzierung des Staates ohne Steuern, Rechte von geistig behinderten Menschen etc. Dies sei der beste Weg, gute Studenten zu vergraulen. Er empfiehlt, zumindest zu Beginn, eine Diskussion der objektivistischen Ethik, des zentalen Zweiges der Philosophie, aus dem die Studenten den größten Nutzen ziehen können, um ein erfolgreiches Leben zu führen. Nach jedem Treffen sollten die Studenten ein größeres Verständnis für den Objektivismus haben und seiner Bedeutung für ihr eigenes Leben. Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor für einen objektivistischen Klub, den Epstein anspricht, nämlich die Person des Leiters: "Für einen Klubleiter ist es notwendig, dass dieser den Objektivismus selbst praktiziert. Dies bedeutet, ein lebendes Beispiel zu werden, für den Lohn, den man erhält, wenn man nach einer rationalen Philosophie lebt."

Eine Tatsache, mit der Leiter und Mitglieder objektivistischer Klubs auch konfrontiert werden dürften, ist die Existenz mindestens zweier Organisationen, die vorgeben, für den Objektivismus zu sprechen: das Ayn Rand Institute und The Objectivist Center. In einer E-Mail-Aktion versuchte kürzlich sogar das TOC Mitglieder von universitären objektivistischen Klubs, die vom ARI unterstützt werden, auf ihre Seite zu ziehen und geizte dabei nicht mit Angriffen gegen das ARI: "Während das ARI Ayn Rand praktisch vergöttert und den Studenten beibringt, ihre Schriften und Ideen nachzuplappern, hat sich das TOC ein engagiertes, respektvolles und unabhängiges Studium ihres reichen Gedankensystems zur Aufgabe gemacht. Kritik und Fragen werden akzeptiert und offen diskutiert, und nicht unterdrückt."
Don Watkins nennt diese Vorwürfe gegen das ARI auf seinem Blog "so weit von der Wirklichkeit entfernt, dass sie mich nicht einmal mehr ärgern."

In Deutschland, Österreich oder der Schweiz gibt es meines Wissens nach an keiner Universität einen objektivistischen Klubs, und, ehrlich gesagt, ich rechne eigentlich auch nicht damit, dass sich dies in den nächsten Jahren ändern wird, aber Leser für meinen Objektivist.blogspot gibt es immerhin an folgenden deutschen Universitäten:Uni Regensburg, Fachhochschule Hof, Uni Jena, Uni Magdeburg, Uni Stuttgart, Uni Tübingen, Uni Leipzig, Uni Ulm, Uni Kassel, Uni Münster, Uni Mainz, Uni Weimar, Uni Marbung, Uni Frankfurt, Uni München und MH Hannover. Nicht zu vergessen: Auch an der Uni Wien gibt es mindestens einen Stammleser

Neues vom Ayn Rand Institute

Wer immer außerhalb der USA eine objektivistische Organisation gründen möchte oder die Ideen des Objektivismus fördern möchte, sollte sich keine Unterstützung vom amerikanischen Ayn Rand Institute (ARI) erwarten, denn das Institut bleibt auf die USA fokussiert und unternimmt keine "substanziellen Anstrengungen" zur Unterstützung des Objektivismus außerhalb Nord-Amerikas. Der primäre Grund dafür, so Dr. Yaron Brook, der Executive Director des ARI, in einer Online-Diskussion, seien die fehlenden Ressourcen. Es spielen aber auch fehlende Kontrollmöglichkeiten bei Organisationen außerhalb Amerikas eine Rolle, so Brook in Beantwortung einer anderen Frage. Angesichts der Bedeutung der "Reinheit der philosophischen Botschaft" sei eine Kontrolle der Botschaft einer verbundenen Organisation unerläßlich. In dieser Fragerunde fällt allerdings auch auf, dass Brook Dogmatismus bei der Propagierung von Ideen für fehlerhaft hält, wo doch dem ARI genau dies immer nachgesagt wird. Das Budget des ARI beläuft sich derzeit auf ungefähr 4,5 Mill. Dollar, was im Vergleich zu früheren Jahren erheblich ist, aber angesichts der Größe der Mission doch eher gering, wie Yaron Brook bedauernd feststellt. Bei dem Einsatz der Mittel des ARI spielen Aufsatzwettbewerbe eine wichtige Rolle zur Förderung der Ideen des Objektivismus. In diesem Jahr hat das Institut 14 000 Aufsätze von Schülern im Rahmen des Wettbewerbs erhalten. Insgesamt wurden 50 000 Exemplare von The Fountainhead und Anthem an insgesamt über 1 000 Lehrer ausgeliefert. Und dies soll noch keineswegs das Ende der Fahnenstange darstellen. Für Personen die schon etwas intensiver mit dem Objektivismus und Ayn Rand beschäftigt haben, sind die Kurse des Objectivist Academic Center (OAC) gedacht. Hier sollen zukünftige objektivistische Intellektuelle mit der Philosophie des Objektivismus durch ein vierjähriges Studium näher vertraut gemacht werden. Bewerber müssen allerdings unter anderem ein Aufnahmeexamen bestehen. Dort werden Kenntnisse aus folgenden Büchern erwartet: The Fountainhead, Atlas Shrugged, The Virtue of Selfishness und Capitalism: The Unknown Ideal. Ausländische Studenten können sich selbstverständlich auch für das OAC bewerben. (Nähere Informationen siehe hier) "Formale Programme" zum Studium des Objektivimus werden mittlerweile an der University of Texas, an der University of Pittsburgh und an der Ashland University angeboten. Rands Werke werden auch kontinuierlich in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt. Allerdings weist Yaron Brook daraufhin, dass die meisten dieser Übersetzungen sich nicht gut verkaufen. Dies ganz im Gegensatz zu den USA, wo der Verkauf der Bücher immer noch immens ist. In den kommenden Monaten wird auch das Internetangebot des ARI überarbeitet werden (Mittlerweile ist der Umbau der Website erfolgt). Insgesamt 1 000 Seiten stehen hier mittlerweile dem interessierten Leser zur Verfügung.

Montag, September 13, 2004

Manfred F. Schieder: Ayn Rand und die Gleichschaltung des Bürgers

"Das Bestreben des Kindes, das beabsichtigte Ziel zu erreichen, führt es zum korrekten Handeln. Es ist nicht der Lehrer, welcher es auf seine Fehler aufmerksam macht, noch lehrt er es, die Fehler zu korrigieren, sondern das komplexe Wirken seiner eigenen Intelligenz führt das Kind zum gewollten Ziel."
Maria Montessori

Es ist der erste Schultag.
Für die Kleineren im Kindergarten, für die Größeren das erste Schuljahr in der "Volksschule". Schon gehen sie ins Klassenzimmer, legen ihre Arbeitselemente bereit und harren, nicht ohne heimlicher Angst, dessen was nun der Lehrbeauftragte lehren wird.Sie wissen es noch nicht, und die meisten werden es nie erfahren, aber sie befinden sich in einer Hirnwaschanlage, einen schmerzlosen Martersaal welcher von den Schulbehörden und deren Abteilungen geleitet wird, und in dem ihre Hirne zu dem werden, was die Regierungsmächtigen verfügen.
Der amtliche Prozess der Unterdrückung des Einzelnen hat begonnen, die langsame, aber gezielte Gleichschaltung des Bürgers setzt nun ein.
Es ist der Tag der Vollkommenen Kontrolle.
Ayn Rand (1905-1982), die größte aller Philosophen, welche in ihrem Leben die gesamte Philosophie als solche gründete und abschloss, hat tiefsinnige Worte über das allgemeine Erziehungssytem geschrieben, indem sie jenes mit der schrecklichen Beschäftigung der vergangenen Jahrhunderte verglich, welche Viktor Hugo in seinen Roman Der Mann der Lacht als Die Comprachicos ("Die Kindeskäufer") beschrieb.

Die Comprachicos - das Wort kommt aus dem Spanischen - handelten mit Kinder; sie kauften sie, ließen sie in Ton- und Eisengefäße mit bizarren Formen aufwachsen und verformten sie so in Tausende von schaurigen Formen, bis sie zu gestaltlosen Hofnarren wurden. Dann verkauften sie sie an Kaiser, Könige und Prinzen für dessen Belustigung. In China nahm man, zum Beispiel, ein 2 bis 3 Jahre altes Kind, steckte es in eine keramische Vase und lies es in diesem schrecklichen Korsett aufwachsen, bis es die Gestalt eines Korkenziehers oder eines verformten Zwerges annahm. Damit zerdrückte man das Fleisch und zwang die Knochen unnatürliche Formen anzunehmen. Irgendwann, wenn der Schaden nicht mehr rückgängig zu machen war, wurde die Vase zerschlagen und man bekam einen Menschen mit der Form der Vase. Der Schaden, ich möchte den Leser darauf hinweisen, hatte keinen genetischen Einfluss.
Die Anwendung des Prinzips besteht weiter. Sie ist nur weniger bemerkbar, weniger durchschaubarer geworden. Sie ist nun extrem ausgeklügelt. Die Kollektivisten haben nämlich entdeckt, dass es viel ungefährlicher und gewinnbringender für sie ist, wenn sie die Hirne verkümmern lassen, wenn sie den Inhalt der Hirne verformen. Ihren boshaften Vorhaben entsprechend, erzeugen sie das, was ihrem Ziel einer Gleichmachung der menschlichen Gesellschaft gleichkommt: Roboter, hirnlose Wesen welche dazu vorprogrammiert sind, dem jeweiligen Stalitler zu gehorchen, damit er sie ausbeuten und in den Tod senden kann, all dies Maßnahmen, für welche er sogar noch umjubelt wird. Man beachte nur die Geschichte der Menschheit. Nachdem die begeisterten Deutschen ihre Zustimmung zum totalen Krieg gegeben hatten, meinte Goebbels: "Hätte ich gesagt, sie sollen aus dem dritten Stock des Columbus-Hauses (damals das höchste Hochhaus Deutschlands) springen, sie hätten es auch getan".

Die Erziehung in den Händen des Staates ist, alleine schon weil sie staatlich geführt wird, eine unmoralische Tätigkeit. Diese auch noch mit der Begründung zu verteidigen, dass man damit eine Angleichung der Erziehungsmöglichkeiten für die gesamte Bevölkerung erreicht, beweist ein völliges Unverständnis dessen, was damit überhaupt erzielt wird.
Hier handelt es sich nicht um eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Sogar der Geringstgeschulte weiß, dass eine private Erziehung - alle Ausgaben eingerechnet - viel billiger ist als jede staatliche Schule es jemals sein kann. Wie wichtig aber auch immer die wirtschaftliche Überlegung ist, sie kann nie jenes ausgleichen, was eine Erziehung in den Händen des Staates philosophisch und psychologisch bedeutet.
Die grundsätzliche Idee der staatlich gelenkten Erziehung ist es, aus dem Bürger einen vorprogrammierten Zombie zu erzeugen und damit die geringste Möglichkeit der Entwicklung und Entfaltung anderer Ideen zu verhindern, Ideen die aus eigenen Beobachtungen der Tatsachen hervorgehen und sich somit jenseits jedes perniziösen staatlichen Einflusses befinden.
Ludwig von Mises (1881-1973), dieser Gigant unter Nationalökonomen, schrieb in seinem Buch Human Action: "Die Volksschule führt leicht zur politischen Indoktrination. Die sich an der Macht befindende Partei hat stets das Volksschulwesen unter Kontrolle, um durch dieses ihre eigene Gedankenwelt fortzupflanzen und ihre Widersacher zu beschimpfen".
Sogar Bertrand Russel, den man schwerlich als Verteidiger des politischen Liberalismus bezeichnen kann, erkannte die im öffentlichen Erziehungswesen enthaltene Bosheit, als er sagte: "Die öffentliche Erziehung erzeugt eine Herde von fanatischen Ignoranten welche jederzeit für einen Krieg oder einer Hexenjagd bereit ist, sobald man sie befohlen wird. So riesig ist dieses Übel, dass die Welt viel besser sein würde wenn man mit der öffentlichen Erziehung nie begonnen hätte."

In ihrer Abhandlung Die Doktrin der Erziehungschancengleichheit weist Ayn Rand auf eine besonders unmoralische Sachlage: "Der Staat hat nicht das geringste Recht, sich als Schiedsrichter der Ideen aufzuspielen, und so haben auch die Schulen - sowohl völlig oder teilweise staatlich - kein Recht, einen einzigen Standpunkt zu lehren und alle anderen dabei auszulassen. Der Staat hat kein Recht, sich in den Dienst der Ideen irgendeiner spezifischen Gruppe von Bürgern zu stellen und dabei alle anderen zu ignorieren und zu verschweigen. Er hat kein Recht, dem Bürger irgendwelche Ungleichheit aufzuzwingen, wo es doch dieser ist, der die Last der Erhaltung des Schulwesen trägt. Genauso falsch wie es mit der staatlichen Unterstützung für die Wissenschaft geschieht, ist es auch, ein Individuum zu zwingen, für den Unterricht von Ideen zu zahlen die den seinen entgegengesetzt sind; es ist eine tiefgehende Schändung seiner Rechte. Diese Schändung wird ungeheuerlich, wenn es gerade SEINE Ideen sind, welche aus der öffentlichen Erziehung ausgeschlossen werden, denn es bedeutet, dass er gezwungen wird, für jenes zu zahlen, was er für falsch und boshaft hält, während das, was er für richtig und gut hält, ausgeschlossen wird."
Die Vermassung der Menschen ist das erklärte Ziel aller Kollektivisten. Es zwingt die Menschheit zur sicheren Zerstörung, wie es wiederum die Weltgeschichte beweist. Denn der Mensch teilt mit den anderen Arten nicht jenes Wesensmerkmal, welches es diesen überhaupt erst erlaubt zu überleben: sich der Umwelt anzupassen. Im Gegenteil bestimmt seine Natur als Mensch gerade das Entgegengesetzte als Überlebensmethode: der Mensch muss die Umwelt seinen eigenen Bedürfnisse anpassen. Dieses Ziel setzt sich dem Gehen lassen und jeder Anpassung an die Umwelt entgegen. Es verlangt eine vielfältige Tätigkeit, welche nur der Mensch verwirklichen kann: die Realität sowie die ihr eigenen Gesetze zu verstehen und die Einbildungskraft zu benutzen, um die Materialien der Realität - die physisch-chemischen Elemente - seinen Bedürfnissen anzupassen. Dabei ist das Vorstellungsvermögen jene Eigenschaft, welche es erlaubt, die Elemente der Natur so zu ändern und zusammenzusetzen, dass diese ansonst wertlosen Bestandteile menschliche Werte bekommen. Die Phantasie kann in einen elementlosen Raum nicht funktionieren: sie gebraucht die Elemente der Natur, um sie mit den erreichten Kenntnissen umzuformen und zu gestalten, damit sie die Überlebenschancen des Menschen nicht nur erhöhen und verbessern, sondern ihm auch noch Komfort, das ist ein leichteres und angenehmeres Leben, bieten kann.

Die kollektivistische Zwangserziehung ist für den heutzutage ständig neurotischen Zustand der Welt verantwortlich. Da die Desindividualisierung niemals den Menschen als dessen, was er ist, also Individuum, zerstören kann, muss sie sich mit halber Tat begnügen indem sie ihm mit politischem Terror einschüchtert. Mittels antiindividualistischen Gesetzen und Anordnungen hämmert man ihm das ein, was er nicht ist: eine formlose Masse. Das Ergebnis ist die soziale Zersetzung. Dies kann auch als Vertierung des Menschen bezeichnet werden. Sie spiegelt sich in einer Vielfalt von verformten Verhaltensweisen wieder: im entfesselten Hass gegen die Mitmenschen, im Bombenterror terroristischer Attentäter, in den Verbotsgesetzen des bestehenden positiven römischen Rechts sowie im menschenfeindlichen "Umweltschutz" usw. All dies sind aber keine Überzeugungsinstrumente. Wer den Verstand als Überzeugungswerkzeug nicht benutzt, beweist damit dass er nur mittels Gewalt - das Zaunpfahlargument - "überzeugen" kann. Die Argumente der Tiere sind Krallen und Reißzähne, die des verformten Menschen Bombenterror und entindividualisierende Maßnahmen aller Art. Der Vertierungsprozess hat schon vor langem begonnen, und wir befinden uns auf dem besten Weg zurück ins Wildendasein, wo der mit dem größten Zaunpfahl und der brutalsten Gewalt sich als "Führer" oder, wie ich es generisch nenne, als Stalitler aufbauen kann.

Dieser Prozess spiegelt sich auch in den heutigen Äußerungen der "Kunst" wieder, in welcher schmutzig-zottige "Künstler" die Erwachsenenversion der Farbflecken erzeugen, welche man den Kindern in den "fortgeschrittenen" Kindergärten als "freie Gestaltungsaktivität" gelehrt hat. Sie spiegelt sich in der ausgelaugten, zynischen Lebensart der Punks, Skinheads, Hippies und Hari Krischnas wieder, welche wie hirnlose Herden in die Vorsteinzeit zurückkehren. Sie spiegelt sich in der Drogenaufputscherei jener wieder, welche diese als einzigen Ausweg aus einer Welt benutzen, die sie nicht verstehen weil sie zur Sinnlosigkeit gestaltet worden ist, also nicht menschlich ist sondern den vertierenden Vorstellungen der Kollektivisten entspricht. Und da die Kollektivisten es geschafft haben, praktisch alle von der Richtigkeit ihrer Ideen zu überzeugen, wird die Verwirrung noch größer.
Dieser Gleichschaltungprozess, welcher den oben erwähnten Ergebnissen zugrunde liegt, beginnt schon in den ersten Lebensjahren des Menschen. Es handelt sich dabei um die entscheidende Periode für die weitere Entwicklung, ein Lebensabschnitt, der für das sich formende Hirn von derartiger Bedeutung ist, dass es den Jesuiten ermöglicht zu behaupten, dass sie ein Kind nur während seiner ersten sieben Jahre brauchen, um es so vorzubereiten, dass es sich dann in jede gewünschte Form verzerren lässt. Das heißt also, dass sie es - als Comprachicos - bis dann derart verformt haben, dass sich daraus ein gehorsamer Roboter entwickelt hat.

Es ist gerade in diesen ersten Jahren, dass man dem Kinde die Verbindung zur Realität verbietet. Man lehrt es, sich dem zu unterwerfen, was die "Gesellschaft" als gut heißt. Man zwingt es, sich dem anzupassen, was die führende Interessensgruppe entscheidet. Man entfernt es der Realität. Diese wird als etwas Wechselhaftes, Unsicheres dargestellt, als etwas, dem man nicht trauen darf. Damit erzeugt man einen Zustand permanenter Verunsicherung in einem Hirn welches noch ein unbeschriebenes Blatt ist und verzweifelt Information benötigt. Man erreicht somit das Gewünschte: ein verunsichertes Hirn, welches leicht das annimmt, was man ihm beibringen will, erst von Seiten der schon vorprogrammierten Eltern, dann von den vorprogrammierten Lehrern und schließlich vom vorprogrammierten Staatsapparat. Die Religionen - es ist beinahe unnütz, dies zu erwähnen - betätigen sich ständig an diesem Vorgang, aber dies ist nicht überraschend, da ihre Lebensvorstellungen mit denen der Kollektivisten - welche ja in den Religionen ihrer Ursprung haben - gleich sind. Entlang des Prozesses entwickelt sich die totale Unterwürfigkeit oder aber ein Umfeld von Rebellion gegen die Mitmenschen, der verzweifelte Kampf eines erblindeten Hirns, welches versucht, aus seinem von anderen aufgezwungenen Käfig zu entkommen.

Das traurige Schauspiel von Wissenschaftlern, welche sich einerseits an die "begrenzte" Realität der Fakten klammern, aber gleichzeitig von leeren Bezeichnungen, welche die "Existenz" nichtexistierender "höheren" Wesen und "nach-dem-Tode-wahres-Leben" plappern - denn das, was sie sagen, ist keine Sprache, sondern tierisches Plappern - ist ein grauenhaftes Beispiel des oben Erwähnten.
Will aber der Mensch als solcher überleben, gebraucht er eine zusehends größere Individualisierung. Jedermann muss als EIGENES ZIEL überleben und fortschreiten, und es gibt nur eine soziale Struktur - der Kapitalismus -, welche die exakten Bedingungen für dieses Ziel beinhaltet. Hier genügt es zu erwähnen, dass der Mensch Information und nicht Gleichmachung braucht.
Es gibt ein einziges individualisierendes Erziehungssystem. Dieses wurde von Dr. Maria Montessori (1870-1952) in ihrem gebürtigen Italien entwickelt. Das System wurde spezifisch für die ersten Lebensjahre des Kindes entwickelt und ist derart unverhehlt zielstrebig in seiner Absicht, Individuen hervorzubringen, dass es schon längst von den Kollektivisten als Erzfeind erkannt wurde. Als der Faschismus in Italien die Macht ergriff, wurden sofort alle Montessori-Schulen geschlossen, und während den Nazijahren in Deutschland und Österreich wurde Maria Montessori in Abbild zusammen mit ihren Büchern verbrannt. Wo immer nur möglich, wird sie totgeschwiegen. Und doch schreitet ihr System voran.
Das Montessori-System basiert darauf, das Kind mit der Realität zu vereinen. Es verlangt, dass es seine eigenen Schlussfolgerungen zieht, dessen eventuelle Fehler erkennt und korrigiert. Es lehrt dem Kinde, Konzepte wie Höhe, Dicke, Form, Textur, Farbe, Klang usw. zu verstehen und sich davon selbst zu überzeugen, dass die Realität nicht willkürlich wechselhaft ist, sondern dass alles seinen zweckmäßigen Sinn hat, dass das Existente verständlich und durchschaubar ist, dass die Sachen nicht unerklärlicherweise verschwinden und dass es, das Kind, die Fähigkeit besitzt, damit umzugehen. Dies entfernt den Faktor "Angst" aus dem sich formenden Hirn und bereitet dabei eine Grundlage von Sicherheit, auf welcher man vertrauensvoll weitere Kenntnisse aufbauen kann. Das Ergebnis ist ein gewissenhaftes Gefühl von Selbstsicherheit und Selbstsein. Es sind die Materialien selbst, welche dem Kind den objektiv richtigen Ordnungsprozess beibringen, so dass es keine "höhere Autorität" als irgendwelche Bestätigung braucht. Dies ist die Grundlage für Menschen, welche mit ihren eigenen Fähigkeiten überleben und fortschreiten können.

Die Philosophin Ayn Rand erklärte diesen Vorgang folgendermaßen: "Da es das gesetzte Ziel von Montessoris Arbeitsmaterialien ist, dem Kinde bei der Entwicklung seines Bewusstseins zu unterstützen, das heißt also die Natur der Realität zu verstehen und mit ihr umgehen zu können, erbringt die Strenge der zu lösenden Probleme die wichtigste Lehre, welche der Mensch je lernen kann: das Gesetz der Identität, also dass A gleich A ist." Hiermit gewinnt das junge Hirn die Gewissheit, dass die Realität ein Absolutes ist, welches nicht willkürlich geändert werden kann, und dass nur die einzig mögliche korrekte Antwort es erlaubt, mit dieser Realität umzugehen. Das Kind lernt, dass jedes Problem eine Lösung hat und dass es selbst die Fähigkeit besitzt, diese Lösung zu finden, wobei es aber die Antwort in der Natur der Sachen, mit denen es umgeht, finden muss, und NICHT in seinen Gefühlen. Dies bereitet das Kind ab seinen ersten Schritten der Erkenntnis für jenen Augenblick vor, wenn es, als erwachsene Person, das Prinzip versteht, dass man "der Natur gehorchen muss, um sie zu beherrschen", jener Augenblick also, in dem sich dieser Vorgang in seinem Hirn völlig automatisiert hat. Jeder Versuch, den Menschen mit Unsicherheit, Willkür und Angst zu erziehen, erzeugt die heute existierende Gesellschaft von Neurotikern, welche sich gegen die "Tyrannei der Realität" aufbäumen.
Es sind vor allem die Eltern - speziell jene welche nicht dem offiziellen Prozess der Gleichschaltung zu entgehen vermochten - welche diese ihre Kinder angehende Frage bedenken sollten. Die vom Kollektivismus in allen Formen erzeugte Welt kann vielleicht das "Ideal" für feige und verdorbene Intellektuelle und Politiker sein, aber es wird nie als solches Menschen dienen, welche - wenngleich auch im vermassenden Prozess erzogen - noch immer die Fähigkeit besitzen - wie verschwommen diese auch sein mag - eine bessere Welt für ihre Nachkommen zu wünschen. Diese bessere Welt kann man nicht erreichen, indem man sich an das hält, was ich die "Tretmühle der Einschläferung" nenne, jener sich endlos wiederholende Sirenenruf, dass das Gegebene nicht zu verbessern ist. Nur der Entschluss einer Überdenkung, der Entschluss sich nicht an jenes zu halten, was uns die hypnotisierenden "Comprachicos" aufoktroyieren wollen, wird eine menschengerechte und würdige Gesellschaft erzeugen.
Der Mensch ist keine formlose Masse, sondern Individuum. Die wiederholte physische Verformung hat keinen genetischen Einfluss (die Beschneidung ist hierfür ein sehr ernstzunehmendes Beispiel). Nicht weniger bezieht sich dies auch auf die von den Kollektivisten angewandten Verformungsmethoden der Hirne. Der Tausende von Jahren andauernde Zwang, sich als formlose Masse zu benehmen, hat noch nie und wird auch niemals eine solche Geburt hervorbringen. Die Menschen werden als Individuen geboren.
Es ist ihre Lebenspflicht, sich als solche zu behaupten.
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Copyright (c) 2004, Manfred F. Schieder. Dieser Artikel erschien ursprünglich in spanischer Sprache in der Ausgabe vom 25. Januar 1987 der Zeitung "La Prensa" in Buenos Aires, Argentinien.
Die Urheberrechte dieses Artikels liegen bei Manfred F. Schieder, dem Autor, welcher auch das Recht zu eventuellen Änderungen, Aktualisierungen und Zusätze behält. Er ist Privatbesitz, darf aber vom Leser elektronisch, als Hardcopy oder in irgendwelcher anderen Art zur größtmöglichen Verbreitung weitergeleitet werden, solange der Name des Autors erwähnt und der Inhalt in keiner Weise abgeändert oder verfälscht wird.

Dienstag, September 07, 2004

CliffsNotes® zu Ayn Rands Werken kostenlos in Internet verfügbar

(R. H.) CliffsNotes sind englischsprachige Handbücher zu verschiedenen literarischen Werken, in denen die Werke zusammengefasst, analysiert und interpretiert werden. Außerdem gibt es in jedem Buch verschiedene Hintergrundnformationen. Viele der als Unterrichtshilfe und Ergänzungsliteratur gedachten CliffsNotes kann man seit dem Beginn des amerikanischen Schuljahres kostenlos im Internet auf cliffsnotes.com lesen; darunter sind die CliffsNotes zu Ayn Rands Werken „Anthem“ und „Atlas Shrugged“, verfasst von Andrew Bernstein, einem Redner des Ayn Rand Institute, welcher regelmäßig Vorträge über Ayn Rands Romane hält. Wer also Fragen zum Inhalt der beiden Bücher hat, kann jetzt Inhaltszusammenfassungen, Interpretationen der einzelnen Kapitel, kurze Charakterisierungen aller wichtigen Charaktere sowie ausführliche Charakteranalysen der Protagonisten und vieles mehr online lesen (siehe Links). Über die werkimmanente Analyse hinaus gibt es noch Informationen über den Autor, interessante weiterführende Texte (z.B. „The Role of the Common Man in Atlas Shrugged: The Eddie Willers Story“), sowie ein (sehr einfaches) Rätsel – herumstöbern lohnt sich also!

CliffsNotes - Rand's Anthem
CliffsNotes - Rand's Atlas Shrugged
CliffsNotes - Aristotle's Ethics
CliffsNotes - The Fountainhead

Donnerstag, September 02, 2004

Interview mit John Cox und Allen Forkum

Dean Esmay führte für das capitalismmagazine.com ein Interview mit den beiden politischen Karikaturisten John Cox und Allen Forkum. Forkum ist für die Texte verantwortlich, während die Zeichnungen von John Cox stammen. Das Interview wird ergänzt durch einige der Karikaturen der beiden. Forkum gibt sich in dem Interview als Objektivisten zu erkennen, der seine Inspiration aus Ayn Rands Philosophie bezieht: "Ich sage 'inspiriert vom...', weil ich deutlich machen möchte, dass wir nicht versuchen, für den Objektivismus zu sprechen. Lesen Sie dafür die brillianten Bücher von Ayn Rand. Sie unterstützte, unter anderem, Vernunft, Individualismus, Säkularismus, individuelle Rechte und freie Märkte. Die Cartoons sind immer aus dieser Perspektive gezeichnet. Ich bin also buchstäblich inspiriert vom Objektivismus, inspiriert, gegen den heutigen Irrationalismus zu sprechen, ob er von den Linken kommt, den Konservativen oder den Liberalen." Forkum bestätigte, dass der Objektivismus "rigid" ist im moralischen Sinn: "Der Objektivismus ist Stahl verglichen mit dem heutigen gummiartigen moralischen Relativismus."Cox und Forkum gehörten auch zu den Unterstützern des Krieges gegen den Irak, anders als andere Objektivisten oder Liberale: "Objektivisten sind keine Liberalen ("libertarians"), nicht wenn sie Ayn Rands Ideen konsequent folgen. Sie verwarf den 'libertarianism' explizit als Anarchismus, und heute ist es noch klarer, warum sie es tat. Bekannte liberale Organisationen lehnten den Krieg gegen den Irak als lästige Staatsintervention ab, als ob jedes staatliche Handeln an sich schlecht wäre. Der Objektivismus geht jedoch davon aus, dass der Staat wesentlich ist für eine gerechte Gesellschaft, aber begrenzt sein muss auf den Schutz der individuellen Rechte. Solch ein Schutz involviert manchmal eine Auslandsintervention, so wie die Kriegführung gegen feindselige Staaten. Objektivisten können unterschiedlicher Meinung sein über militärische Prioriäten, wie die Frage, ob der Irak vor dem Iran hätte kommen sollen, aber niemand, den ich kenne, war im Prinzip gegen Krieg. Ich empfehle die Lektüre der Veröffentlichungen des Ayn Rand Institute zur weiteren Information." Dean Esmay befragt Cox und Forkum auch zu ihrer deutlich pro-Israel-Haltung: Forkum: "Unser Standpunkt ist, dass Israel, als ein freies Land, das Recht hat, sich militärisch gegen Terroristen zu verteidigen, wie es auch die USA tun. Israel wird gehasst von seinen Feinden- sowohl im Nahen Osten als auch im Westen- aus einer Anzahl von Gründen, ein nicht unwesentlicher davon ist der Anti-Semitismus. Aber ich denke, der primäre Grund ist etwas, was Ayn Rand 'den Hass auf das Gute, weil es gut ist' nannte. "

Mittwoch, September 01, 2004

Wie ich zum Objektivismus kam

Fabian: Bevor ich zum Objektivismus gekommen bin, habe ich in einem großen Krankenhaus im Ruhrgebiet als Zivi gearbeitet. Zu meinen Aufgaben gehörten Tätigkeiten wie der Transport von Patienten, Befunden, Blut und Leichen. Nach einigen Monaten dieser stimulierenden Arbeit traf ich einen Engländer, der einen Patienten besuchte. Wir kamen irgendwie ins Gespräch und er fragte mich, ob mir die Arbeit gefiele. Zurückhaltend und höflich wie ich bin, habe ich ihm in exzellentem Englisch (*ähem*) erzählt, dass ich mich wie ein Sklave fühle. Er hat mir erzählt, dass er in England Literatur unterrichtet und hat mir ein Buch empfohlen, das den seltsamen Titel The Virtue of Selfishness trug. Tage später dachte ich aus irgendeinem Anlaß über die Vorzüge meines Jobs nach. Möglicherweise war es meine durch Nachtschichten verursachte Müdigkeit oder bloß ein Penner, dessen Kotze ich wegwischen mußte. Vielleicht war es aber auch die Tatsache, dass ich an einem Tag weniger verdiente als ich zuvor in einer Stunde verdient hatte. Jedenfalls fiel mir der Titel des Buchs wieder ein. Der Titel klang zwar ziemlich merkwürdig, aber ich dachte mir, dass das Buch vielleicht relevant für meine gegenwärtige Situation sein könnte.
Sieben Jahre später schreibe ich einen Eintrag in einem Forum genannt Objektivist, während ich auf das olympische Basketballfinale warte.
Es ist übrigens seltsam auf Deutsch über Objektivismus zu schreiben oder zu lesen. Ich hoffe, ich gewöhne mich daran. Jedenfalls bin ich froh darüber, dass ich in Deutschland nicht der einzige explizite Objektivist bin.

Martin: Irgendwann zwischen 2002/03 las ich in der Sportrevue ein Interview von Mike Mentzer, in welchem er unter anderem ein wenig über seine Philosophie erzählte. Seine Bücher waren schnell bestellt und immer wieder ging er in diesen kurz auf Ayn Rand ein. Auf seiner Homepage wurde ebenfalls The Fountainhead zum Kauf angeboten. Ich war sehr beeindruckt von seiner Persönlichkeit (und bin es noch), nie schien er mit sich selbst oder mit dem, was er tat, unzufrieden zu sein.
Bald darauf kaufte ich mir das Buch Der Ursprung. Ich verschlang es. Wer ist John Galt kaufte ich mir bald darauf. Dies sind bis jetzt meine einzigen Bücher von Ayn Rand. Auf Englisch habe ich diese Bücher nie gelesen.
Der Ursprung hat mein Denken stark beeinflußt. Anfangs war ich geschockt, da ich Parallelen zwischen mir und Peter Keating herstellen konnte. Für jemanden, der dachte, immer das Richtige getan zu haben, war das zu Beginn sehr demotivierend. War ich früher bekennender Altruist (bis zu einem gewissen Grad bin ich es heute noch, die Macht der Gewohnheit) und Anti-Kapitalist, so bin ich heute Objektivist und Kapitalist, und stolz darauf. Auch wenn es manchmal zu heftigen Streitereien zwischen mir, meinen Mitstudierenden und meinen Professoren kommt, wenn es um Ansichten politischer sowie wirtschaftlicher Dinge geht. Man kann nicht (bzw. will nicht) verstehen, dass ich zwar gegen Bush bin, aber ebenso gegen einen Michael Moore.
Mit Mike Mentzer hätte ich gern über den Objektivismus diskutiert, aber dieser ist mittlerweile verstorben. Ich schrieb also der Frau, die ihn jahrelang als Sekretärin begleitet hatte und die nach seinem Tod seine Firma übernahm, Joanne Sharkey. Sie arbeitet sehr intensiv daran, sein Erbe gebührend zu vertreten und vertritt dieselbe Philosophie und ich kann ihr dafür nur meine Hochachtung aussprechen. Diese Frau hat übrigens letztens entdeckt, dass die deutschen Bücher von Mentzer ohne Erlaubnis und ohne dafür Geld zu bekommen, übersetzt wurden und auf verschiedenen Websites verkauft werden. Sie wird bald gerichtlich gegen diese Plünderer vorgehen.
Wenn ich im Sommer 2005 fertig bin, gehe ich einen Monat arbeiten, mache einen Monat Ferien, dann zwingt mich der einjährige Zivildienst erstmal zur Sklavenarbeit.
Was ich dann mache, weiß ich leider noch immer nicht. Außer Bodybuilding, Objektivismus, Englisch und Geschichte interessiert mich leider nichts. Kinder möchte ich keinesfalls unterrichten - falls ich überhaupt Lehrer werde. Sollte ich unterrichten, dann nur Erwachsene. Vielleicht suche ich mir aber auch - wie meine Ex-Kolleginnen - vorher einen regulären Job. In einem objektivistischen Zentrum würde ich mit Begeisterung arbeiten ... aber so etwas gibt es ja leider weder in Deutschland noch in Österreich.

Thomas: Mein ehemaliger Schach-Lehrer hat mir zum Lesen Atlas Shrugged empfohlen. Atlas habe ich in zwei Wochen auf Englisch verschlungen, und dann immer mehr Bücher von Rand. Das war 1997. Ich studiere im "Endstadium" Elektrotechnik und werde hoffentlich bald als HF-Ingenieur arbeiten.

Wolfgang: Mein Interesse, und meine Begeisterung für den Objektivismus, hat sich ergeben aus der Beschäftigung mit dem Liberalismus, auf den ich im Jahr 1997 stieß durch einen Artikel in Die Welt oder Welt am Sonntag, in dem mehrere Bücher über und zum Liberalismus vorgestellt wurden. In der Folgezeit stieß ich zwar auch auf den Namen Ayn Rand und besuchte hin und wieder verschiedene objektivistische Websites, aber dies waren für mich nur einige unter vielen Informationsquellen. Regelmäßig besuchte ich damals die Website lewrockwell.com, eines paleo-libertären, d. h. anarcho-kapitalistischen, Informationsportals. Ebenso bewunderte ich allerdings auch den mittlerweile leider verstorbenen E. G. Ross, den objectiveamerican.com. Der Name der Website könnte zwar auf ein objektivistisches Angebot schließen lassen, allerdings hat sich Ross nicht als Objektivist verstanden, wenn auch sein philosophischer Hintergrund mit dem von Rand sicherlich vergleichbar ist. Der 11. September, die großen Terroranschläge gegen zentrale Institutionen des amerikanischen Kapitalismus, gaben dann für mich den Ausschlag, solche anarcho-kapitalistischen Sites wie lewrockwell.com zukünftig vollständig zu meiden, denn die Argumentation, Amerika die Schuld für die Terroranschläge in die Schuhe zu schieben und jede militärische Reaktion unter den Verdacht des Imperialismus zu stellen, erschienen mir widerwärtig und realitätsverleugnend. Die konsequente und kämpferische Haltung der Objektivisten hat mir den Anstoß gegeben, mich näher mit dem philosophischen Background dieser Menschen zu befassen, und ich mußte feststellen, dass es wirklich lohnt, dies zu tun.

Alexander: Mitte/Ende der 1980er habe ich, schon früh "wirtschaftsnah" denkend, die Wirtschaftswoche abonniert und regelmäßig von vorne bis hinten gelesen. Hinten (im Heft) war es auch, wo ich Bekanntschaft mit dem damaligen Herausgeber der WiWo, Prof. Wolfram Engels, gemacht habe. Seine Argumente für die Freiheit und den Kapitalismus haben mich auf Anhieb überzeugt. Nachdem ich das Prinzip "Freiheit" verstanden habe, habe ich rasch begonnen, radikaler zu denken. In der Retrospektive würde ich sagen, dass ich mich Anfang der 1990er langsam zum Anarchokapitalisten entwickelt habe, damals noch ohne zu wissen, dass dieser Begriff und die entsprechende Bewegung jenseits des Atlantiks überhaupt existierte. Gleichzeitig war ich, auch schon sehr früh, überzeugter Atheist und Fan des wissenschaftlichen Fortschritts. Als ich aus Neugier eine Broschüre von Neo-Tech bestellte, war ich bei deren Lektüre entzückt zu entdecken, dass jemand diese zwei Dimensionen meines Seelenlebens rhetorisch so gut auf den Punkt bringen konnte: Transhumanismus, Anti-Mystizismus und individuelle Freiheit. Man stelle sich vor, eine Gesellschaft ohne Tod und Steuern! Mir läuft heute noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke. Da ich damals die radikale Rhetorik von Neo-Tech und deren gesellschaftlichen/biotechnologischen Ziele zwar lustig und inspirierend fand, mir aber in deren unausgereifter "Philosophie" schnell Lücken auffielen, ließ ich mir von meiner Freundin, 1996 muss es gewesen sein, aus den USA Dr. Peikoffs wundervolles Werk Objectivism: The Philosophy of Ayn Rand mitbringen.

Ayn Rands Atlas Shrugged habe ich mir erst später, durch Fotokopie bei der Deutschen Bibliothek, zugänglich gemacht. Die Geschichte hat mich stellenweise, sprichwörtlich, zu Tränen gerührt. Danach habe ich mir immer mehr Nonfiction von Rand besorgt und begonnen, mich, im jetzt aktuell gewordenen, Internet nach anderen Objektivisten wie mich umzuschauen und selbst Texte zu übersetzen. Als ersten Objektivisten habe ich Thomas bei einer Veranstaltung von GEWIS kennen gelernt. Wir hatten in der Folgezeit eine ausgedehnte Korrespondenz, bei der wir die eine oder andere Schwierigkeit im Objektivismus diskutierten, unter anderem die Frage, ob nun Minarchismus oder Anarchokapitalismus logisch konsistenter wären. Mich hat damals die Argumentation von Roy Childs überzeugt, der vertrat, dass private Rechtsagenturen mit dem Non-Aggression-Principle eher vereinbar seien als traditionelle, selbst minimal auf Zwangsbesteuerung beruhende Staaten.

Dann kam der 11. September. Als ich die Bilder immer wieder im Fernsehen sah, glaubte ich fest, der dritte Weltkrieg sei ausgebrochen. Als sich dann herausstellte, dass islamische Terroristen die Urheber waren, wurde mir schnell klar, dass das alte Spiel Kapitalismus gegen Kommunismus endgültig ausgespielt war. Mein Lebenskonzept stürzte in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich mich vollkommen erholt habe, aber mir sind nun die veränderten Prioritäten in der Weltpolitik zu Bewusstsein gekommen -- und die Chance, die das für Objektivisten bietet .Der Konflikt der Ideologien ist keinesfalls vorbei, es haben sich nur seine Pole verschoben. Das neue Spiel heisst Aufklärung gegen Barbarei. Objektivisten haben nun die Chance, die intellektuelle Speerspitze der Aufklärung in einer neuen, dunkleren Ära zu werden. Dazu ist viel Arbeit notwendig. Wir können uns glücklich schätzen, mit Wolfgang einen talentierten Kommunikator mit journalistischem Talent in unserer Mitte zu haben, der diese Arbeit in Deutschland begonnen hat. Es liegt nun an uns, bei dieser Arbeit zu helfen, wo es nur geht.

Die Sanktion des Bösen

Der Philosoph Harry Binswanger vom Ayn Rand Institute bespricht in einem Beitrag für das capitalismmagazine.com das Buch "Lies and the Lying Liars: Who Tell Them" von Al Franken - und verreißt es. Auf die Begründung dieses Verrisses möchte ich aber nicht weiter eingehen, sondern auf eine Bemerkung von Binswanger, die ein mit dem Objektivismus wenig vertrauter Leser vielleicht überlesen könnte. Binswanger hat sich Frankens Buch nicht einfach gekauft und dannn gelesen, sondern ist lediglich in eine Buchhandlung gegangen und hat dort nur ungefähr zehn Minuten in dem Buch geschmökert. Er begründet dies damit, dass er Franken durch den Kauf des Buches nicht "sanktionieren" wolle.

Hinter dem von Objektivisten verwendeten Begriff "moralische Sanktion" verbirgt sich die Idee, seinen Feinden keinerlei Unterstützung oder Hilfe zukommen zu lassen. Rand ging davon aus, dass das Böse nur dadurch existieren könne, weil es sich in irgendeiner Weise vom Guten nährt. Bei ihrer letzten öffentlichen Rede vor Geschäftsleuten forderte Rand diese auf, antikapitalistische Institutionen nicht mehr zu unterstützen: "Es ist ein moralisches Verbrechen, Geld zur Unterstützung von Ideen auszugeben, mit denen man nicht übereinstimmt. Es ist ein moralisches Verbrechen, Geld auszugeben, um seine eigene Zerstörung zu unterstützen." Die bösen Figuren brauchen die Sanktion der guten Menschen, um sich gerechtfertigt zu fühlen in ihrem bösartigen Tun. Rand sah sogar ein Schweigen in bestimmten Situationen, wo dieses objektiv als Zustimmung oder Sanktion des Böse gewertet werden könnte, als moralisch verwerflich an. Mindestens solle man dann feststellen, dass man nicht übereinstimmt. Konsequenterweise verwarf Rand auch den Kompromiss als dumme und destruktive Idee. Die Frage stellt sich allerdings, und ist unter Objektivisten umstritten, wer oder was böse ist und wann eine Sanktion überhaupt vorliegt. Dass kommunistische oder faschistische Organisationen oder Ideen nicht unterstützt werden sollten, ist eindeutig und klar, aber wie verhält es sich mit libertären Organisationen, die sich nicht als objektivistisch verstehen. Ist bereits die Rede eines Objektivisten bei einer Veranstaltung von Libertären eine Sanktion des Bösen? Das Ayn Rand Institute sieht den libertarianism als inhärent böse an. Im Jahr 1989 wurde David Kelley nach einem Vortrag vor Libertären formell von Leonard Peikoff verurteilt. Später verließ Kelley dann das Ayn Rand Institute und gründete eine eigene Organisation, die heute The Objectivist Center heißt. In seinem Buch Objectivism: The Philosophy of Ayn Rand scheint Leonard Peikoff auf die libertarians anzuspielen, wenn er schreibt: "In der Regel sind die Verteidiger des Kapitalismus schlimmer gewesen -mit größerer offener Irrationalität- als seine Gegner."

Für Ayn Rand war die Notwendigkeit, das Böse zu verurteilen, ein moralisches Prinzip. Welche Bedeutung moralische Prinzipien für Objektivisten haben, macht Peter Schwartz in seinem Aufsatz On Moral Sanctions deutlich: "Die moralischen Prinzipien des Objektivismus identifizieren die Art von Handlung - die einzige Art von Handlung -, die sich in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Realität befindet und die deshalb nützlich für das Leben des Menschen ist." Dass Libertarismus etwas Böses verkörpert, daran läßt Peter Schwartz in seinem Aufsatz keinen Zweifel: "Ist der Libertarismus eine bösartige Doktrin? Ja, wenn das Böse das Irrationale und Destruktive ist. (...) Subjektivismus, Amoralismus und Anarchismus sind nicht nur in gewissen 'Flügeln' der libertären Bewegung präsent; sie sind ihr integraler Bestandteil." Daraus folgt für Schwartz natürlich zwingend, dass der Libertarismus, wie andere vergleichbare Bedrohungen auch, boykottiert und verurteilt werden müssen, was eben David Kelley unterlassen hatte. Eine Kosten-Nutzen-Analyse könne nur dann durchgeführt werden, wenn eine Handlung als übereinstimmend mit moralischen Prinzipien beurteilt worden sei, so Schwartz weiter.

Logan Feys weist in seinem Aufsatz Libertarianism - An Objective Evaluation allerdings daraufhin, dass bei Peter Schwartz Worte und Taten nicht übereinstimmen. Schwartz hatte früher selbst für das libertäre Magazin Reason geschrieben, was Schwartz später als Fehler bezeichnete. Selbst das Ayn Rand Bookstore (ARB) bietet immer wieder Werke von Autoren an, die als libertär bezeichnet werden können, so zum Beispiel Henry Hazlitt und Ludwig von Mises, die sich bis zum heutigen Tag im Programm des Ayn Rand Bookstore befinden. Vor kurzem -im Frühjahrskatalog 2001 des ARB sogar auf der Titelseite - bot das Ayn Rand Bookstore auch ein Buch von Larry Elder an, der sich selbst ausdrücklich als Libertärer bezeichnet. Persönlichkeiten wie Hazlitt oder von Mises werden allerdings vom Ayn Rand Institute und dem Ayn Rand Bookstore in das Lager des Konservatismus eingeordnet, um den Problem auszuweichen, Libertäre "sanktionieren" zu müssen. Wer sich allerdings das Lexikon des Konservatismus ansieht, entdeckt zwar einen recht umfangreichen (und wohlwollenden) Beitrag über Ludwig von Mises, der Autor läßt allerdings keinen Zweifel daran aufkommen, dass von Mises als ein Vertreter des Klassischen Liberalismus angesehen werden muss, auch wenn der Autor von Mises' Inspiration auf den amerikanischen Konservatismus anerkennt. Henry Hazlitt wird im genannten Lexikon als "Libertärer" bezeichnet. Auch der liberale Autor Gerd Habermann bezeichnet von Mises in seinem Buch Der Wohlfahrtsstaat als "Erzvater des wiedererstarkten Liberalismus."
Ayn Rand selbst hatte in einem Interview im Jahr 1964, anders als Schwartz, durchaus differenziert das libertäre Lager betrachtet, wenn auch ihre späteren Äußerungen zunehmend negativer wurden. Auf die Frage, ob es "Konservative" gebe, die eine rationale Rechtfertigung für die Kapitalismus lieferten, sagte sie: "Oh ja, die gibt es. Gewöhnlich nennt man sie Liberale ("libertarians"). Dies ist eine Gruppe, welche zum Beispiel Ludwig von Mises und Henry Hazlitt als ihre besten Exponenten einschließt. Sie sind Verteidiger des Kapitalismus auf einer nicht-mystischen, wissenschaftlichen Basis."

Informationsbriefe für Objektivisten und solche, die es werden wollen.

Ungefähr 700 Leser hat nach eigenen Angaben mittlerweile das kostenpflichtige Informationsangebot des objektivistischen Philosophen Harry Binswanger. 100 $ pro Jahr oder 10 § pro Monat sind von den Abonnenten zu zahlen. Die Liste veröffentlicht von Binswanger moderierte Beiträge der Leser (an ungeraden Tagen) und außerdem exklusive Aufsätze von Harry Binswanger selbst (jeweils an geraden Wochentagen). Insgesamt nicht gerade preisgünstig, aber für Interessenten des Objektivismus doch ein sehr qualifiziertes Angebot mit vielen Beiträgen auch von bekannteren Objektivisten. Kostenlos bietet Binswanger seinen Informationsdienst für vier Wochen zur Probe an. Binswanger garantiert mindestens 300 Rundbriefe pro Jahr, die den Abonnenten per E-Mail zugestellt werden. Um den HBL zu abonnieren, ist eine volle Übereinstimmung mit dem Objektivismus nicht erforderlich, Binswanger verlangt aber die Zustimmung zu einem "Loyalitätseid", der jeden mit Ausschluss bestraft, der die Feinde von Ayn Rand oder des Objektivismus sanktioniert oder unterstützt. Zu den Feinden zählt Binswanger auch Anarchisten, moralische Agnostiker und Libertäre. Die behandelten Themen sind vielfältig - von Philosophie bis Politik und Kultur wird ein breites Spektrum abgehandelt. Und außerdem gibt es regelmäßig Stellenangebote des Ayn Rand Institute. Inhaltlich stärker an politischen Themen orientiert ist der TIA Daily von Robert Tracinski, der auch Herausgeber der monatlich erscheinenden objektivistischen Zeitschrift The Intellectual Activist ist. Der Rundbrief bietet kurze Auszüge aus Fremdartikel mit den entsprechenden Verknüpfungen, die von Tracinski aus einer objektivistischen Perspektive kurz kommentiert werden. Darüberhinaus gibt es exklusive Aufsätze von Tracinski selbst und anderen TIA-Autoren zu Themen aus Politik und Kultur. TIAdaily erscheint an allen Werktagen und wird ebenfalls per E-Mail versendet. Das Abonnement kostet 74 $ pro Jahr. Für vier Wochen kann man den Dienst auch kostenlos zur Probe beziehen.

Montag, August 02, 2004

Der seltsame Etatismus der Nichtinterventionisten

Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein brutaler Dikator im Mittleren Osten, der bereits Zehntausende oder gar Hunderttausende "seiner" Bürger ermordet hat, sieht sich plötzlich einem teilweise bewaffneten Volksaufstand gegenüber. Der Diktator versucht sich durch den Einsatz des Repressionsapparates des Staates an der Macht zu halten. Es kommt zu einem lang anhaltenden bewaffneten Bürgerkrieg mit zahllosen Opfern vor allem auf Seiten von unbewaffneten Demonstranten. Wie würden viele deutsche Libertäre und Leser dieser Zeitschrift reagieren? Ohne großes Nachdenken würden sie sich auf die Seite der Volksbewegung stellen. Auch diffuse politische Vorstellungen bei den Aufständischen oder die Ermordung von Menschen, die durch ihre ethnische Zugehörigkeit oder durch untergeordnete Tätigkeiten im Staatsapparat in den Fokus der Aufständischen gelangt sind, ändern nichts an dieser grundsätzlichen Einstellung.

Ändern wir nun das Beispiel. Statt einer gar nicht oder nur unzureichend bewaffneten Bevölkerung ist es nun die gut ausgerüstete Armee einer freiheitlichen Supermacht, die den Sturz des Tyrannen bewirken will. Zwar gibt es Opfer unter der Zivilbevölkerung, diese sind aber erheblich geringer als in der Situation des Volksaufstandes, und ein schneller militärischer Sieg der freiheitlichen Supermacht erscheint wahrscheinlich. Wie reagieren die deutschen Libertären? Ohne großes Nachdenken schelten sie die Supermacht als arrogant und imperialistisch, die es außerdem nur auf die Rohstoffe des überfallenen Landes abgesehen habe - und reihen sich ein in eine von Sozialisten dominierte Friedensbewegung, die ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen fordert.

Die Bewertung dieser höchst unterschiedlichen Reaktionsmuster der Libertären ist einfach. Im Beispiel 1 verhalten sie sich entsprechend ihrer Weltanschauung, die "Freiheit zuerst" fordert. Im Beispiel 2 könnte man annehmen, dass sie politische Ideale verraten. Zweifellos gehen die Freiheitsfreunde im Beispiel 1 richtigerweise davon aus, dass die Herrschaft des Diktators illegitim ist. Auch die unschuldigen Opfer halten sie nicht davon ab, sich auf die Seite der Aufständischen zu schlagen. Im Beispiel 2 ändert sich lediglich der Faktor, der die illegitime Gewalt des Diktators brechen will. Dies widerspricht dem Grundsatz des Nichtinterventionsmus in außenpolitischen Angelegenheiten, dem viele Libertäre anhängen und von dem sie annehmen, dass er ein unverzichtbares Element ihres umfassenden Bekenntnisses zur Freiheit sei.

Eine besondere Bedeutung besitzt der Grundsatz des Nichtinterventionismus in einem konsequenten Anarcho-Kapitalismus. Da dieser jede Funktion des Staates, auch die Funktion des Schutzes der individuellen Rechte, ablehnt, wird selbstverständlich und gerade die Kriegsführung eines Staates abgelehnt. Eine ausgeprägt nichtinterventionistische Haltung findet sich auch in den außenpolitischen Stellungnahmen der Libertarian Party der USA. In einer Presseerklärung vor wenigen Wochen empfiehlt etwa Parteichef Geoffrey Neale eine Außenpolitik nach dem Muster der Schweiz unter dem Motto "Protect America First". Dies soll eine Politik der Neutralität und Nichtintervention sein, die insbesondere keine "präventiven" Militärschläge führt. Außerdem sollten alle amerikanischen Truppen heimgeholt und jegliche Auslandshilfe beendet werden.

Murray Rothbard setzt sich in seinem 1980 erschienen Buch "Die Ethik der Freiheit" auch mit der eingangs erwähnten Problematik "Revolution" versus "Krieg" auseinander und kommt, erwartungsgemäß, zu der Auffassung, dass Revolutionen rechtmäßig sein können, "während staatliche Kriege immer zu verurteilen sind." Rothbard benutzt einige pragmatische Argumente zur Untermauerung seiner Position, die entweder zweifelhaft oder falsch sind. So behauptet er, dass es bei modernen Waffen "natürlich überhaupt keine Zielfestlegung" geben könne, was aus seiner Sicht gegen den Krieg spricht. Fakt aber ist, dass gerade High-Tech-Waffen erhebliche Zielgenauigkeit zeigen, jedenfalls im Vergleich zu den im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Bomben. Sein zentrales Anti-Kriegs-Argument ist allerdings die Vorstellung, dass Staaten ihr Handeln "auf den von ihnen monopolisierten Bereich beschränken" sollen und nicht auf andere Staatsmonopolisten übergreifen dürfen. Ausdrücklich bezeichnet Rothbard die "friedliche Koexistenz" der Staaten als Ideal. Dies ist ein seltsamer Etatismus für einen Wissenschaftler, den Justin Raimondo im Titel seiner Biographie als "Feind des Staates" bezeichnet.

Die ablehnende Haltung gegenüber staatlichen Interventionen ist tatsächlich in allen Fällen richtig, in denen keine individuellen Rechte bedroht sind. Diese Haltung ist falsch, ja sogar oft mit tödlichen Konsequenzen verbunden, wenn diese Rechte bedroht sind. Dies gilt für das Verhältnis Bürger-Staat, aber auch für das Verhältnis der Staaten untereinander. So sollte es selbstverständlich sein, dass der staatliche Justizapparat eines Landes einen Serienmörder jagt und seiner gerechten Strafe zuführt. Ebenso sollte es selbstverständlich sein, dass die Organe der nationalen Verteidigung sich mit Bedrohungen auseinandersetzen, die sich außerhalb der Landesgrenzen befinden. Auf der außenpolitischen Ebene, dem Verhältnis der Staaten untereinander, würde dieser Imperativ des Nichtinterventionismus zu einem "Staatsgrenzen über alles" führen. Libertäre erkennen damit die Legitimität von brutalen Diktatoren im Verhältnis zu anderen Staaten, auch freiheitlichen, an. Sie "konkretisieren Staaten - behandeln sie so, als wären sie tatsächliche Menschen", schreibt Brink Lindsey vom Cato Institute.

Nun, die Libertären haben sich zu entscheiden: Entweder ist die Herrschaft von Diktatoren illegitim, dann ist sie es absolut. Jede Macht, die diese Herrschaft durch ein freiheitlicheres System ersetzen will, hat das Recht, dies zu tun. Oder sie billigen Diktaturen im Verhältnis zu anderen Staaten eine Legitimität zu, d. h. jene haben das Recht, nicht von außen attackiert zu werden. Zahlreiche Beispiele aus der jüngsten und jüngeren Vergangenheit beweisen, dass militärische Interventionen zu Befreiungen führen können. So ist Afghanistan heute sich noch kein Ort, der nach westlichen Maßstäben als frei bezeichnet werden kann. Aber Afghanistan ist heute ohne jeden Zweifel freier als es noch vor dem 11. Spetember der Fall war. In Grenada wurde 1982 eine kommunistische Regierung durch eine bewaffnete Intervention der USA gestürzt. Das Land wird heute im Ranking von Freedom House als frei eingestuft, wohingegen es 1983/1983 als unfrei galt. Auch das Beispiel des Zweiten Weltkrieges beweist, dass Länder gezwungen werden können, frei zu sein. Dies bedeutet selbsverständlich nicht, dass freiheitliche Länder sich bedenkenlos dem Mittel militärisches Interventionen zuwenden sollten. Es bedeutet lediglich, dass militärische Interventionen in der Lage sein können, den Bereich der Freiheit auszudehnen. Auch hier liegt das Problem in der Konkretisierung. "Nicht jeder Schurkenstaat gibt Anlass zum Einsatz militärischer Gewalt", sagt US-Sicherheitsberaterin Rice, "es kommt immer auf den Einzelfall an." Um im konkreten Einzelfall entscheiden zu können, ob es vernünftig und praktisch ist, einen Krieg zu führen, sind allgemeine Prinzipien notwendig, die ein solche Entscheidung begründen können.

Grundsätzlich gibt es zwei Anknüpfungspunkte zur Rechtfertigung militärischer Gewalt gegenüber anderen Staaten. Der humanitäre Interventionismus will menschliches Leid in den attackierten Ländern beenden. Der eigeninteressierte Interventionismus will militärische Bedrohungen durch Schurkenstaaten eliminieren. Ayn Rand selbst lehnte etwa den Vietnam-Krieg ab, weil dieser "altruistisch" begründet sei. Sie lehnte den Krieg als "beschämend" ab, "da die Vereinigten Staaten keinen selbstsüchtigen Grund hatten, ihn zu führen, weil er keinem nationalem Interesse diente, weil sie durch ihn nichts gewinnen konnten, weil das Leben und der Heroismus von tausenden von amerikanischen Soldaten (und die Milliarden amerikanischen Reichtums) geopfert wurden in purer Übereinstimmung mit der Ethik des Altruismus, d. h. selbstlos und sinnlos." Diese Äußerungen von Rand stammen aus dem Aufsatz "The Lessons of Vietnam". In einem anderen Aufsatz, "The Chicken's Homecoming", schreibt Rand, dass die Vereinigten Staaten "nichts durch diesen selbstmörderischen Krieg" zu gewinnen hätten und sieht ihn in Übereinstimmung mit der Moral des Altruismus. Interessant ist, dass Rand bei der Suche nach einem Kriterium zur Beurteilung eines Krieges nicht von "Selbstverteidigung" spricht, sondern auf das breitere Konzept des "nationalen Interesses" verweist. Es läßt sich natürlich die Frage aufwerfen, ob Rand in der Frage der Bewertung des Vietnam-Krieges ihre eigene Philosphie richtig anwendete und ob ihre Anhänger ihre damalige Bewertung auch heute noch teilen. Auf der Website des ARI findet sich ein Hinweis auf den erstgenannten Aufsatz nur im Zusammenhang mit einem Zitat , das sich mit der Umweltbewegung beschäftigt. Kein Hinweis auf die ablehnende Haltung von Rand und ihre Begründung dafür. Wenn sich heute Autoren des ARI über den Vietnam-Krieg äußern, kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie im Gegensatz zu Rand diesen Krieg für gerechtfertigt halten.

So schreibt Andrew Bernstein in einem Aufsatz vom 22. Mai 2002 unter dem Titel Honoring Virtue on Memorial Day, dass solange die amerikanischen Soldaten in Vietnam kämpften, die Kommunisten vom Ziel der Erorberung abgehalten werden konnten, erst als die Politiker sich entschlossen, die Truppen zurückzuholen, sei ihnen dieses Ziel gelungen und sie konnten die Vietnamesen verklaven. Die Äußerungen von Bernstein lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass er einen Sieg der amerikanischen Truppen in Vietnam als im amerikanischen Interesse angesehen hätte. Ganz ähnlich äußert sich Robert Tracinski in einem Aufsatz (The Prophets of Defeatism), der ebenfalls auf der Website des ARI veröffentlicht wurde. Er kritisiert in diesem Aufsatz die defensive Ausrichtung des amerikanischen Miltärs in Vietnam, dass nicht mit Bodentruppen nach Nord-Vietnam einrücken durfte, sondern den Feind lediglich bombardieren durfte. Auch bei Tracinski ist keine Rede von einem "altruistischen" Krieg, dessen schnelle Beendigung im Fall einer derartigen Beurteilung ja absolut begrüßenswert gewesen wäre. Die Ereignisse nach dem Ende des Vietnam-Krieges machen deutlich, dass nach beinahe jeder Definition eines "nationalen Interesses" ein Sieg gegen die Kommunisten in Südost-Asien wünschenswert gewesen wäre.

Man muss sicherlich konstatieren, dass Rand sich mit außenpolitischen Fragen nicht besonders intensiv beschäftigte, aber zweifellos muss man aus dem, was sie sagte, den Schluss ziehen, dass sie außenpolitisch irgendwie "hawkish" war, dass heißt, zu den außenpolitischen "Falken" zählte. Sehr deutlich äußert sich Rand etwa in einem Interview mit dem Playboy dahingehend, dass Diktaturen "Outlaws" sind und jede freie Nation das Recht hat, dort einzumarschieren. In diesem Interview ist noch nicht einmal davon die Rede, dass eine Selbstverteidigungssitutation vorliegen müsse. Auch spricht Rand nicht davon, dass die USA zu wenig frei wären, um einen derartigen Angriff führen zu dürfen. Auf die Frage, ob sie einen Angriff auf Kuba oder die Sowjetunion "durch die Vereinigten Staaten" unterstützen würde, antwortet sie: "Nicht im Moment. Ich denke, dass es nicht notwendig ist. Ich würde unterstützen, was die Sowjetunion am meisten fürchtet: Einen ökonomischen Boykott, ..."

Beide oben genannten Rechtfertigungen eines militärischen Interventionismus, einschließlich ihrer diversen Mischformen, basieren auf der Vorstellung, dass es einen "gerechten Krieg" geben kann.
Ein derartiger Krieg ist für "Mr. Libertarian" Murray Rothbard wohl nur eine sehr theoretische Möglichkeit gewesen, da er einen Krieg nur dann als angemessen ansah, "wenn die Ausübung der Gewalt streng auf die individuellen Kriminellen beschränkt wird." Nun, eine derartig weltfremde Selbstbeschränkung hatte ein New Yorker Taxifahrer eher nicht im Sinn, als er im US-Fernsehen folgende Stellungnahme abgab: "You 're right, George. Go get the slimy bastards!"

Veröffentlicht in der Zeitschrift eigentümlich frei (ef-magazin) vom April 2003 (Nr. 33) in einer verkürzten Fassung

Sonntag, August 01, 2004

Leonard Peikoff: Schluss mit den Staaten, die den Terrorismus unterstützen

Fünfzig Jahre zunehmendes amerikanisches Appeasement im Mittleren Osten haben zu fünfzig Jahren zunehmender Verachtung für die USA in der muslimischen Welt geführt. Der Höhepunkt davon war der 11. September 2001.
Vor fünfzig Jahren gaben Truman und Eisenhower die Eigentumsrechte des Westens am Öl auf, obwohl dieses Öl rechtmäßigerweise denen im Westen gehört, deren Wissenschaft, Technologie und Kapital seine Entdeckung und seine Verwendung möglich gemacht haben. Das erste Land, das 1951 westliches Öl verstaatlichte, war der Iran. Die anderen, die unser ängstliches Schweigen wahrnahmen, beeilten sich dann, sich ihr eigenes Stück aus der neue verfügbaren Beute zu sichern.
Der Grund des Schweigens der USA war kein praktischer, sondern ein philosophischer. Die Diktatoren des Nahen Ostens verdammten den reichen, egoistischen Kapitalismus. Sie jammerten, dass die Armen unser Opfer benötigten; das Öl, wie alles Eigentum, dem Kollektiv durch Geburtsrecht zukommt; und sie beriefen sich mit Gefühlen, die sich auf eine andere Welt bezogen, darauf, dass ihre Sichtweise die wahre wäre. Unsere Präsidenten wussten darauf nichts zu antworten. Implizit schämten sie sich der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Sie wagten es nicht, zu antworten, dass die Amerikaner gerechterweise von dem selbstbezogenen Wunsch geleitet wuren, ihr persönliches Glück in einer reichen, säkularen, individualistischen Gesellschaft zu finden.
Die muslimischen Länder verkörperten in extremer Form all jene Ideen - selbstlose Pflichterfüllung, Antimaterialismus, den Vorrang von Glauben oder Gefühl vor der Wissenschaft, den Vorrang der Gruppe-, die unsere Universitäten, unsere Kirchen und unser politisches Establishment seit langem als Tugend verkündet haben. Wenn zwei Gruppen, unsere Führung und die ihre, die gleichen grundlegenden Ideen für wahr halten, dann gewinnt die innerlich konsistentere Seite.
Nach dem Besitz kam die Freiheit an die Reihe.
(...) Nach der Freiheit kam das amerikanische Leben selbst an die Reihe.
(...) Über ein Jahrzehnt lang gab es eine weitere Garantie der amerikanischen Impotenz: die Vorstellung, dass ein Terrorist ganz allein für sein Handeln verantwortlich ist und dass deshalb jeder als Individuum vor einem Gericht angeklagt und verurteilt werden müsste. Diese Sichtweise verschwindet glücklicherweise; inzwischen verstehen die meisten Menschen, dass Terroristen nur durch das Einverständnis und die Unterstützung von Regierungen existieren.
Wir brauchen die Identitäten diese Kreaturen nicht einzeln zu beweisen, weil Terrorismus keine Phänomen von Persönlichkeiten ist. Er kann nicht beendet werden, indem man Bin Laden oder die Al-Qaida-Armee vernichtet und auch nicht, indem man die Zerstörer sonst wo zerstört. Wenn das alles wäre, was wir tun, so würde bald eine neue Armee von Militanten anstelle der alten treten. Das Verhalten dieser Extremisten ist das der Regime, die sie ermöglichen. Ihre Grausamkeiten sind keine Verbrechen, sondern Kriegshandlungen.
Die angemessene Reaktion darauf ist, wie die Öffentlichkeit jetzt versteht, ein Selbstverteidigungskrieg. Mit den ausgezeichneten Worten von Paul Wolfowitz, dem stellvertretenden Verteidigungsminister, müssen wir 'ein Ende machen mit Staaten, die den Terrorismus unterstützen". Ein angemessener Selbstverteidigungskrieg müss ohne selbstverstümmelnde Beschränkungen für unsere Oberkommandierenden geführt werden. Er muss mit den wirkungsvollsten Waffen geführt werden, die wir besitzen (vor ein paar Wochen weigerte sich Rumsfeld korrekterweise, die Verwendung von Atomwaffen auszuschließen). Und er muss in einer Weise geführt werden, die einen Sieg so schnell als möglich und mit den geringst möglichen amerikanischen Verlusten sicherstellt - ohne Rücksicht auf die zahllosen Unschuldigen, die zwischen die Linien geraten werden.
Diese Unschuldigen leiden und sterben wegen der Handlungen ihrer eigenen Regierungen, die der Gewalt gegen Amerika ihre Unterstützung geben. Ihr Schicksal liegt deshalb in der moralischen Verantwortung ihrer eigenen Regierungen. Es gibt keine Möglichkeit, dass unsere Kugeln nur die Bösen treffen.
Das größte Hindernis für einen amerikanischen Sieg (...) sind unsere eigenen Intellektuellen. Auch jetzt noch vertreten sie die gleichen Ideen, die für unsere historische Lähmung verantwortlich sind. Sie verlangen von einer taumelnden Nation, Nächstenliebe zu beweisen und "Rache" zu vermeiden. Die Multikulturalisten - welche die Idee der Objektivität verwerfen - drängen uns dazu, die Araber zu "verstehen" und "Rassismus" zu vermeiden (das heißt, jegliche Verurteilung der Kultur einer Gruppe). Die "Friedensfreunde" mahnen uns, so laut wie je, daran, uns an "Hiroshima zu erinnern" und uns vor der Sünde des Hochmuts zu hüten.
(...)Tragischerweise versucht Herr Bush einen Kompromiss zwischen dem Verlangen des Volkes nach einem entscheidenden Krieg und dem Verlangen der Intellektuellen nach Appeasement. (...) Das Überleben Amerikas steht auf dem Spiel. Das Risiko einer amerikanischen Überreaktion kann man deshalb vernachlässigen. Das einzige Risiko ist eine Unterreaktion. Herr Bush muss seinen Kurs ändern. Er muss unsere Raketen und Truppen dort zum Einsatz bringen, wo sie hingehören. Und er muss das mit voller Überzeugung (...) Die Wahl besteht heute zwischen entweder Massen von Toten in den Vereinigten Staaten oder Massen von Toten in den terroristischen Nationen. Unser Oberkommandierender muss sich entscheiden, ob es seine Pflicht ist, Amerikaner zu retten oder die Regierungen, die sich verschwören , um sie zu töten.

Der vollständige Originaltext von Leonard Peikoff erschien im Oktober 2001 als ganzseitige Anzeige in der New York Times