Montag, August 02, 2004

Der seltsame Etatismus der Nichtinterventionisten

Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein brutaler Dikator im Mittleren Osten, der bereits Zehntausende oder gar Hunderttausende "seiner" Bürger ermordet hat, sieht sich plötzlich einem teilweise bewaffneten Volksaufstand gegenüber. Der Diktator versucht sich durch den Einsatz des Repressionsapparates des Staates an der Macht zu halten. Es kommt zu einem lang anhaltenden bewaffneten Bürgerkrieg mit zahllosen Opfern vor allem auf Seiten von unbewaffneten Demonstranten. Wie würden viele deutsche Libertäre und Leser dieser Zeitschrift reagieren? Ohne großes Nachdenken würden sie sich auf die Seite der Volksbewegung stellen. Auch diffuse politische Vorstellungen bei den Aufständischen oder die Ermordung von Menschen, die durch ihre ethnische Zugehörigkeit oder durch untergeordnete Tätigkeiten im Staatsapparat in den Fokus der Aufständischen gelangt sind, ändern nichts an dieser grundsätzlichen Einstellung.

Ändern wir nun das Beispiel. Statt einer gar nicht oder nur unzureichend bewaffneten Bevölkerung ist es nun die gut ausgerüstete Armee einer freiheitlichen Supermacht, die den Sturz des Tyrannen bewirken will. Zwar gibt es Opfer unter der Zivilbevölkerung, diese sind aber erheblich geringer als in der Situation des Volksaufstandes, und ein schneller militärischer Sieg der freiheitlichen Supermacht erscheint wahrscheinlich. Wie reagieren die deutschen Libertären? Ohne großes Nachdenken schelten sie die Supermacht als arrogant und imperialistisch, die es außerdem nur auf die Rohstoffe des überfallenen Landes abgesehen habe - und reihen sich ein in eine von Sozialisten dominierte Friedensbewegung, die ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen fordert.

Die Bewertung dieser höchst unterschiedlichen Reaktionsmuster der Libertären ist einfach. Im Beispiel 1 verhalten sie sich entsprechend ihrer Weltanschauung, die "Freiheit zuerst" fordert. Im Beispiel 2 könnte man annehmen, dass sie politische Ideale verraten. Zweifellos gehen die Freiheitsfreunde im Beispiel 1 richtigerweise davon aus, dass die Herrschaft des Diktators illegitim ist. Auch die unschuldigen Opfer halten sie nicht davon ab, sich auf die Seite der Aufständischen zu schlagen. Im Beispiel 2 ändert sich lediglich der Faktor, der die illegitime Gewalt des Diktators brechen will. Dies widerspricht dem Grundsatz des Nichtinterventionsmus in außenpolitischen Angelegenheiten, dem viele Libertäre anhängen und von dem sie annehmen, dass er ein unverzichtbares Element ihres umfassenden Bekenntnisses zur Freiheit sei.

Eine besondere Bedeutung besitzt der Grundsatz des Nichtinterventionismus in einem konsequenten Anarcho-Kapitalismus. Da dieser jede Funktion des Staates, auch die Funktion des Schutzes der individuellen Rechte, ablehnt, wird selbstverständlich und gerade die Kriegsführung eines Staates abgelehnt. Eine ausgeprägt nichtinterventionistische Haltung findet sich auch in den außenpolitischen Stellungnahmen der Libertarian Party der USA. In einer Presseerklärung vor wenigen Wochen empfiehlt etwa Parteichef Geoffrey Neale eine Außenpolitik nach dem Muster der Schweiz unter dem Motto "Protect America First". Dies soll eine Politik der Neutralität und Nichtintervention sein, die insbesondere keine "präventiven" Militärschläge führt. Außerdem sollten alle amerikanischen Truppen heimgeholt und jegliche Auslandshilfe beendet werden.

Murray Rothbard setzt sich in seinem 1980 erschienen Buch "Die Ethik der Freiheit" auch mit der eingangs erwähnten Problematik "Revolution" versus "Krieg" auseinander und kommt, erwartungsgemäß, zu der Auffassung, dass Revolutionen rechtmäßig sein können, "während staatliche Kriege immer zu verurteilen sind." Rothbard benutzt einige pragmatische Argumente zur Untermauerung seiner Position, die entweder zweifelhaft oder falsch sind. So behauptet er, dass es bei modernen Waffen "natürlich überhaupt keine Zielfestlegung" geben könne, was aus seiner Sicht gegen den Krieg spricht. Fakt aber ist, dass gerade High-Tech-Waffen erhebliche Zielgenauigkeit zeigen, jedenfalls im Vergleich zu den im Zweiten Weltkrieg eingesetzten Bomben. Sein zentrales Anti-Kriegs-Argument ist allerdings die Vorstellung, dass Staaten ihr Handeln "auf den von ihnen monopolisierten Bereich beschränken" sollen und nicht auf andere Staatsmonopolisten übergreifen dürfen. Ausdrücklich bezeichnet Rothbard die "friedliche Koexistenz" der Staaten als Ideal. Dies ist ein seltsamer Etatismus für einen Wissenschaftler, den Justin Raimondo im Titel seiner Biographie als "Feind des Staates" bezeichnet.

Die ablehnende Haltung gegenüber staatlichen Interventionen ist tatsächlich in allen Fällen richtig, in denen keine individuellen Rechte bedroht sind. Diese Haltung ist falsch, ja sogar oft mit tödlichen Konsequenzen verbunden, wenn diese Rechte bedroht sind. Dies gilt für das Verhältnis Bürger-Staat, aber auch für das Verhältnis der Staaten untereinander. So sollte es selbstverständlich sein, dass der staatliche Justizapparat eines Landes einen Serienmörder jagt und seiner gerechten Strafe zuführt. Ebenso sollte es selbstverständlich sein, dass die Organe der nationalen Verteidigung sich mit Bedrohungen auseinandersetzen, die sich außerhalb der Landesgrenzen befinden. Auf der außenpolitischen Ebene, dem Verhältnis der Staaten untereinander, würde dieser Imperativ des Nichtinterventionismus zu einem "Staatsgrenzen über alles" führen. Libertäre erkennen damit die Legitimität von brutalen Diktatoren im Verhältnis zu anderen Staaten, auch freiheitlichen, an. Sie "konkretisieren Staaten - behandeln sie so, als wären sie tatsächliche Menschen", schreibt Brink Lindsey vom Cato Institute.

Nun, die Libertären haben sich zu entscheiden: Entweder ist die Herrschaft von Diktatoren illegitim, dann ist sie es absolut. Jede Macht, die diese Herrschaft durch ein freiheitlicheres System ersetzen will, hat das Recht, dies zu tun. Oder sie billigen Diktaturen im Verhältnis zu anderen Staaten eine Legitimität zu, d. h. jene haben das Recht, nicht von außen attackiert zu werden. Zahlreiche Beispiele aus der jüngsten und jüngeren Vergangenheit beweisen, dass militärische Interventionen zu Befreiungen führen können. So ist Afghanistan heute sich noch kein Ort, der nach westlichen Maßstäben als frei bezeichnet werden kann. Aber Afghanistan ist heute ohne jeden Zweifel freier als es noch vor dem 11. Spetember der Fall war. In Grenada wurde 1982 eine kommunistische Regierung durch eine bewaffnete Intervention der USA gestürzt. Das Land wird heute im Ranking von Freedom House als frei eingestuft, wohingegen es 1983/1983 als unfrei galt. Auch das Beispiel des Zweiten Weltkrieges beweist, dass Länder gezwungen werden können, frei zu sein. Dies bedeutet selbsverständlich nicht, dass freiheitliche Länder sich bedenkenlos dem Mittel militärisches Interventionen zuwenden sollten. Es bedeutet lediglich, dass militärische Interventionen in der Lage sein können, den Bereich der Freiheit auszudehnen. Auch hier liegt das Problem in der Konkretisierung. "Nicht jeder Schurkenstaat gibt Anlass zum Einsatz militärischer Gewalt", sagt US-Sicherheitsberaterin Rice, "es kommt immer auf den Einzelfall an." Um im konkreten Einzelfall entscheiden zu können, ob es vernünftig und praktisch ist, einen Krieg zu führen, sind allgemeine Prinzipien notwendig, die ein solche Entscheidung begründen können.

Grundsätzlich gibt es zwei Anknüpfungspunkte zur Rechtfertigung militärischer Gewalt gegenüber anderen Staaten. Der humanitäre Interventionismus will menschliches Leid in den attackierten Ländern beenden. Der eigeninteressierte Interventionismus will militärische Bedrohungen durch Schurkenstaaten eliminieren. Ayn Rand selbst lehnte etwa den Vietnam-Krieg ab, weil dieser "altruistisch" begründet sei. Sie lehnte den Krieg als "beschämend" ab, "da die Vereinigten Staaten keinen selbstsüchtigen Grund hatten, ihn zu führen, weil er keinem nationalem Interesse diente, weil sie durch ihn nichts gewinnen konnten, weil das Leben und der Heroismus von tausenden von amerikanischen Soldaten (und die Milliarden amerikanischen Reichtums) geopfert wurden in purer Übereinstimmung mit der Ethik des Altruismus, d. h. selbstlos und sinnlos." Diese Äußerungen von Rand stammen aus dem Aufsatz "The Lessons of Vietnam". In einem anderen Aufsatz, "The Chicken's Homecoming", schreibt Rand, dass die Vereinigten Staaten "nichts durch diesen selbstmörderischen Krieg" zu gewinnen hätten und sieht ihn in Übereinstimmung mit der Moral des Altruismus. Interessant ist, dass Rand bei der Suche nach einem Kriterium zur Beurteilung eines Krieges nicht von "Selbstverteidigung" spricht, sondern auf das breitere Konzept des "nationalen Interesses" verweist. Es läßt sich natürlich die Frage aufwerfen, ob Rand in der Frage der Bewertung des Vietnam-Krieges ihre eigene Philosphie richtig anwendete und ob ihre Anhänger ihre damalige Bewertung auch heute noch teilen. Auf der Website des ARI findet sich ein Hinweis auf den erstgenannten Aufsatz nur im Zusammenhang mit einem Zitat , das sich mit der Umweltbewegung beschäftigt. Kein Hinweis auf die ablehnende Haltung von Rand und ihre Begründung dafür. Wenn sich heute Autoren des ARI über den Vietnam-Krieg äußern, kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie im Gegensatz zu Rand diesen Krieg für gerechtfertigt halten.

So schreibt Andrew Bernstein in einem Aufsatz vom 22. Mai 2002 unter dem Titel Honoring Virtue on Memorial Day, dass solange die amerikanischen Soldaten in Vietnam kämpften, die Kommunisten vom Ziel der Erorberung abgehalten werden konnten, erst als die Politiker sich entschlossen, die Truppen zurückzuholen, sei ihnen dieses Ziel gelungen und sie konnten die Vietnamesen verklaven. Die Äußerungen von Bernstein lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass er einen Sieg der amerikanischen Truppen in Vietnam als im amerikanischen Interesse angesehen hätte. Ganz ähnlich äußert sich Robert Tracinski in einem Aufsatz (The Prophets of Defeatism), der ebenfalls auf der Website des ARI veröffentlicht wurde. Er kritisiert in diesem Aufsatz die defensive Ausrichtung des amerikanischen Miltärs in Vietnam, dass nicht mit Bodentruppen nach Nord-Vietnam einrücken durfte, sondern den Feind lediglich bombardieren durfte. Auch bei Tracinski ist keine Rede von einem "altruistischen" Krieg, dessen schnelle Beendigung im Fall einer derartigen Beurteilung ja absolut begrüßenswert gewesen wäre. Die Ereignisse nach dem Ende des Vietnam-Krieges machen deutlich, dass nach beinahe jeder Definition eines "nationalen Interesses" ein Sieg gegen die Kommunisten in Südost-Asien wünschenswert gewesen wäre.

Man muss sicherlich konstatieren, dass Rand sich mit außenpolitischen Fragen nicht besonders intensiv beschäftigte, aber zweifellos muss man aus dem, was sie sagte, den Schluss ziehen, dass sie außenpolitisch irgendwie "hawkish" war, dass heißt, zu den außenpolitischen "Falken" zählte. Sehr deutlich äußert sich Rand etwa in einem Interview mit dem Playboy dahingehend, dass Diktaturen "Outlaws" sind und jede freie Nation das Recht hat, dort einzumarschieren. In diesem Interview ist noch nicht einmal davon die Rede, dass eine Selbstverteidigungssitutation vorliegen müsse. Auch spricht Rand nicht davon, dass die USA zu wenig frei wären, um einen derartigen Angriff führen zu dürfen. Auf die Frage, ob sie einen Angriff auf Kuba oder die Sowjetunion "durch die Vereinigten Staaten" unterstützen würde, antwortet sie: "Nicht im Moment. Ich denke, dass es nicht notwendig ist. Ich würde unterstützen, was die Sowjetunion am meisten fürchtet: Einen ökonomischen Boykott, ..."

Beide oben genannten Rechtfertigungen eines militärischen Interventionismus, einschließlich ihrer diversen Mischformen, basieren auf der Vorstellung, dass es einen "gerechten Krieg" geben kann.
Ein derartiger Krieg ist für "Mr. Libertarian" Murray Rothbard wohl nur eine sehr theoretische Möglichkeit gewesen, da er einen Krieg nur dann als angemessen ansah, "wenn die Ausübung der Gewalt streng auf die individuellen Kriminellen beschränkt wird." Nun, eine derartig weltfremde Selbstbeschränkung hatte ein New Yorker Taxifahrer eher nicht im Sinn, als er im US-Fernsehen folgende Stellungnahme abgab: "You 're right, George. Go get the slimy bastards!"

Veröffentlicht in der Zeitschrift eigentümlich frei (ef-magazin) vom April 2003 (Nr. 33) in einer verkürzten Fassung

Sonntag, August 01, 2004

Leonard Peikoff: Schluss mit den Staaten, die den Terrorismus unterstützen

Fünfzig Jahre zunehmendes amerikanisches Appeasement im Mittleren Osten haben zu fünfzig Jahren zunehmender Verachtung für die USA in der muslimischen Welt geführt. Der Höhepunkt davon war der 11. September 2001.
Vor fünfzig Jahren gaben Truman und Eisenhower die Eigentumsrechte des Westens am Öl auf, obwohl dieses Öl rechtmäßigerweise denen im Westen gehört, deren Wissenschaft, Technologie und Kapital seine Entdeckung und seine Verwendung möglich gemacht haben. Das erste Land, das 1951 westliches Öl verstaatlichte, war der Iran. Die anderen, die unser ängstliches Schweigen wahrnahmen, beeilten sich dann, sich ihr eigenes Stück aus der neue verfügbaren Beute zu sichern.
Der Grund des Schweigens der USA war kein praktischer, sondern ein philosophischer. Die Diktatoren des Nahen Ostens verdammten den reichen, egoistischen Kapitalismus. Sie jammerten, dass die Armen unser Opfer benötigten; das Öl, wie alles Eigentum, dem Kollektiv durch Geburtsrecht zukommt; und sie beriefen sich mit Gefühlen, die sich auf eine andere Welt bezogen, darauf, dass ihre Sichtweise die wahre wäre. Unsere Präsidenten wussten darauf nichts zu antworten. Implizit schämten sie sich der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Sie wagten es nicht, zu antworten, dass die Amerikaner gerechterweise von dem selbstbezogenen Wunsch geleitet wuren, ihr persönliches Glück in einer reichen, säkularen, individualistischen Gesellschaft zu finden.
Die muslimischen Länder verkörperten in extremer Form all jene Ideen - selbstlose Pflichterfüllung, Antimaterialismus, den Vorrang von Glauben oder Gefühl vor der Wissenschaft, den Vorrang der Gruppe-, die unsere Universitäten, unsere Kirchen und unser politisches Establishment seit langem als Tugend verkündet haben. Wenn zwei Gruppen, unsere Führung und die ihre, die gleichen grundlegenden Ideen für wahr halten, dann gewinnt die innerlich konsistentere Seite.
Nach dem Besitz kam die Freiheit an die Reihe.
(...) Nach der Freiheit kam das amerikanische Leben selbst an die Reihe.
(...) Über ein Jahrzehnt lang gab es eine weitere Garantie der amerikanischen Impotenz: die Vorstellung, dass ein Terrorist ganz allein für sein Handeln verantwortlich ist und dass deshalb jeder als Individuum vor einem Gericht angeklagt und verurteilt werden müsste. Diese Sichtweise verschwindet glücklicherweise; inzwischen verstehen die meisten Menschen, dass Terroristen nur durch das Einverständnis und die Unterstützung von Regierungen existieren.
Wir brauchen die Identitäten diese Kreaturen nicht einzeln zu beweisen, weil Terrorismus keine Phänomen von Persönlichkeiten ist. Er kann nicht beendet werden, indem man Bin Laden oder die Al-Qaida-Armee vernichtet und auch nicht, indem man die Zerstörer sonst wo zerstört. Wenn das alles wäre, was wir tun, so würde bald eine neue Armee von Militanten anstelle der alten treten. Das Verhalten dieser Extremisten ist das der Regime, die sie ermöglichen. Ihre Grausamkeiten sind keine Verbrechen, sondern Kriegshandlungen.
Die angemessene Reaktion darauf ist, wie die Öffentlichkeit jetzt versteht, ein Selbstverteidigungskrieg. Mit den ausgezeichneten Worten von Paul Wolfowitz, dem stellvertretenden Verteidigungsminister, müssen wir 'ein Ende machen mit Staaten, die den Terrorismus unterstützen". Ein angemessener Selbstverteidigungskrieg müss ohne selbstverstümmelnde Beschränkungen für unsere Oberkommandierenden geführt werden. Er muss mit den wirkungsvollsten Waffen geführt werden, die wir besitzen (vor ein paar Wochen weigerte sich Rumsfeld korrekterweise, die Verwendung von Atomwaffen auszuschließen). Und er muss in einer Weise geführt werden, die einen Sieg so schnell als möglich und mit den geringst möglichen amerikanischen Verlusten sicherstellt - ohne Rücksicht auf die zahllosen Unschuldigen, die zwischen die Linien geraten werden.
Diese Unschuldigen leiden und sterben wegen der Handlungen ihrer eigenen Regierungen, die der Gewalt gegen Amerika ihre Unterstützung geben. Ihr Schicksal liegt deshalb in der moralischen Verantwortung ihrer eigenen Regierungen. Es gibt keine Möglichkeit, dass unsere Kugeln nur die Bösen treffen.
Das größte Hindernis für einen amerikanischen Sieg (...) sind unsere eigenen Intellektuellen. Auch jetzt noch vertreten sie die gleichen Ideen, die für unsere historische Lähmung verantwortlich sind. Sie verlangen von einer taumelnden Nation, Nächstenliebe zu beweisen und "Rache" zu vermeiden. Die Multikulturalisten - welche die Idee der Objektivität verwerfen - drängen uns dazu, die Araber zu "verstehen" und "Rassismus" zu vermeiden (das heißt, jegliche Verurteilung der Kultur einer Gruppe). Die "Friedensfreunde" mahnen uns, so laut wie je, daran, uns an "Hiroshima zu erinnern" und uns vor der Sünde des Hochmuts zu hüten.
(...)Tragischerweise versucht Herr Bush einen Kompromiss zwischen dem Verlangen des Volkes nach einem entscheidenden Krieg und dem Verlangen der Intellektuellen nach Appeasement. (...) Das Überleben Amerikas steht auf dem Spiel. Das Risiko einer amerikanischen Überreaktion kann man deshalb vernachlässigen. Das einzige Risiko ist eine Unterreaktion. Herr Bush muss seinen Kurs ändern. Er muss unsere Raketen und Truppen dort zum Einsatz bringen, wo sie hingehören. Und er muss das mit voller Überzeugung (...) Die Wahl besteht heute zwischen entweder Massen von Toten in den Vereinigten Staaten oder Massen von Toten in den terroristischen Nationen. Unser Oberkommandierender muss sich entscheiden, ob es seine Pflicht ist, Amerikaner zu retten oder die Regierungen, die sich verschwören , um sie zu töten.

Der vollständige Originaltext von Leonard Peikoff erschien im Oktober 2001 als ganzseitige Anzeige in der New York Times

Donnerstag, Juli 01, 2004

Eine objektivistische Bibliographie

Ayn Rands Romane:

Wir, die Lebenden [We the Living] (1936): Roman, der sich in
Sowjetrussland zuträgt. Dies ist Ayn Rands erster und am stärksten
autobiographisch beeinflusster Roman, den sie je schrieb. Sein Hauptthema ist
das Individuum gegen den Staat, der übergeordnete Wert menschlichen Lebens
und der zu verteufelnde totalitäre Staat, der sich in seinem Recht darauf
beruft, menschliches Leben opfern zu dürfen.

Die Hymne [Anthem] (1936): Dieser Kurzroman beschreibt eine Welt in der
Zukunft, eine Gesellschaft so stark kollektivisiert, das selbst das Wort
"ich" aus seiner Sprache verschwunden ist. Der Schwerpunkt von der Hymne
liegt auf der Bedeutung und Herrlichkeit des menschlichen Egos.

Der Ursprung [The Fountainhead] (1943): Die Geschichte eines Innovators,
des Architekten Howard Roark, und seinen Kampf gegen eine
traditionsverherrlichende Gesellschaft. Das grundlegende Thema des Roman ist
der Individualismus im Gegensatz zum Kollektivismus, nicht in der Politik,
sondern in des Menschen Seele. Ayn Rand präsentierte in diesem Buch zum
ersten Mal ihre Vorstellung vom Menschenideal.

Der ewige Quell / Atlas wirft die Welt ab [Atlas Shrugged] (1957): Ayn
Rands vollständige Philosophie, dramatisiert in Form einer Kriminalgeschichte,
nicht über die Tötung eines Menschenkörpers, sondern über die Ermordung und
Wiedergeburt des menschlichen Geistes. Der Roman spielt in den USA der nahen
Zukunft, dessen Wirtschaftssystem kurz vor dem Zusammenbruch steht aufgrund
eines unerklärlichen Verschwinden der im Lande führenden Innovatoren und
Industrialisten - die Atlasse, auf die sich die Welt gründet. Der Tenor des
Buches ist die Rolle des Geistes in der menschlichen Existenz - und als seine
mitläufige Erscheinung die Umsetzung einer neuen Moralphilosophie, der
Moralität rationalen Eigeninteresses.

Nacht des 16. Januars / Die Penthouse Saga [Night of January 16th
[Penthouse Legend]] (1934): Ein Gerichtsdrama, indem die Verurteilung des
Angeklagten von der Weltsicht der Schöffen abhängt, die aus dem Publikum
rekrutiert werden.

Die frühe Ayn Rand [The Early Ayn Rand] (1984): Eine Sammlung von
Kurzgeschichten und Dramen, die von Ayn Rand in den 20er und 30er Jahren
geschrieben wurden, und zusätzlich Abschnitte aus Der Ursprung, die aus der
Arbeitsfassung gestrichen wurden.

Ayn Rands Sachliteratur:

Für den zukünftigen Intellektuellen [For the New Intellectual] (1961):
Eine Sammlung grundlegender philosophischer Abschnitte ihrer Romane. Der 48
Seiten umfassende Titelaufsatz setzt sich mit der Philosophiegeschichte
auseinander, indem er zeigt, wie Ideen die Geschichte bestimmen und wie
Philosophie meistenteils als Zerstörungsinstrument diente.

Die Tugend der Selbstsucht [The Virtue of Selfishness] (1964): Ayn Rands
revolutionäres Egoismuskonzept. Aufsätze über die Moralität rationaler
Selbstsucht, sowie deren politische und sozialen Auswirkungen einer solchen
Moralphilosophie. Aufsätze, die sich in diesem Buch wiederfinden, sind: "Die
objektivistische Ethik", "Des Menschen Rechte", "Das Wesen eines
Regierungssystems" und "Rassismus".

Kapitalismus. Das unbekannte Ideal [Capitalism: The Unknown Ideal]
(1966): Aufsätze zur Theorie und Geschichte des Kapitalismus als das einzig
moralische Wirtschaftssystem. Beinhaltet die Aufsätze: "Was ist
Kapitalismus?", "Der Ursprung des Krieges", Konservatismus: Ein Nachruf" und
"Die Anatomie des Kompromiss".

Einführung in die objektivistische Erkenntnistheorie [Introduction to
Objectivist Epistemology] (1969): Die objektivistische Theorie der Begriffe,
mit Ayn Rands Lösung des grundlegenden Problems der Existenz in der
Philosophie, indem sie die Beziehung von Abstraktionen hin zu Konkreta
aufdeckt. Beinhaltet einen Aufsatz von Leonard Peikoff, "Der
analytisch-synthetische Widerspruch". Die zweite Ausgabe (1990) wurde
erweitert durch Mitschriften von Workshops, die sich mit ihrer Theorie
auseinandersetzten und die Rands Antworten auf die durch Philosophen und
andere Akademiker im Workshop gestellten Fragen beinhalten.

Das romantische Manifest [The Romantic Manifesto] (1969): Ayn Rands
Kunstverständnis, mit einer neuen Analyse der romantischen Literaturschule.
Darin enthalten sind Aufsätze wie "Philosophie und der Sinn des Lebens", "Die
Psychoepistemologie der Kunst" und "Was versteht man unter dem romantischen
Kunstbegriff?"

Philosophie: Wer auf sie angewiesen ist [Philosophy: Who Needs It]
(1982): Das Buch zeigt, daß Philosophie in jedem Menschleben entscheidend
ist. Darin enthalten sind Aufsätze wie "Philosophischer Spürsinn", "Ursache
und Verpflichtung im Vergleich" und "Das Metaphysische gegenüber dem
Menschengemachten".

Das-Ayn-Rand-Lexikon: Objektivismus von A bis Z [The Ayn Rand Lexicon:
Objectivism from A to Z] (1986): Ein einbändiges Nachschlagewerk zum
Objektivismus, das Schlüsselbeiträge von Ayn Rand und ihren Mitarbeitern zu
400 verschiedenen Themen aus Philosophie und verwandten Bereichen enthält.
Herausgegeben von Harry Binswanger.

Die Stimme des Verstandes: Aufsätze im Sinne des Objektivismus [The Voice
of Reason: Essays in Objectivist Thought] (1989): Philosophie- und
Kulturanalyse, mit Aufsätzen, wie "Wer ist die letztliche Autorität im
Bereich der Ethik?", oder "Religion gegen Amerika" von Leonard Peikoff und
"Libertarismus: Die Perversion der Freiheit" von Peter Schwartz.

Die-Ayn-Rand-Kolumne [The Ayn Rand Column] (1991): Ein Sammlung von
Rands Zeitungsbeiträgen für die Los Angeles Times, sowie weitere Aufsätzte.

Ayn Rands Marginalien [Ayn Rand's Marginalia] (1995): Randnotizen, die
sich Rand in den Werken von mehr als 20 Autoren, wie etwa Barry Goldwater, C.
S. Lewis und Ludwig von Mises, machte. Herausgegeben von Robert Mayhew.

Der Briefverkehr von Ayn Rand [Letters of Ayn Rand] (1995): Diese
Sammlung von über 500 Briefen bietet eine Menge neuer Informationen über das
Leben Ayn Rands als Philosophin, Romanautorin, politische Aktivistin und
Regiebuchautorin. Herausgegeben von Michael S. Berliner.

Die Tagebücher Ayn Rands [Journals of Ayn Rand] (1997): Eine ausgiebige
Sammlung von Rands Gedanken innerhalb einer Zeitspanne von 40 Jahren zur
Literatur und Philosophie, inklusive ihrer Notizen zu ihren eigenen Romanen
und der Entwicklung ihrer politischen Individualphilosophie. Herausgegeben
von David Harriman.

Das-Ayn-Rand-Lesebuch [The AynRand Reader] (1998): Diese Sammlung enthält
umfangreiche Auszüge sowohl aus allen Romanen Ayn Rands, als auch aus ihren
Sachbüchern. Zu empfehlen für Leser, die sich mit Ayn Rands Gedankengut noch
nicht vertraut gemacht haben, oder dieses wieder einmal vertiefen wollen.
Herausgegeben von Gary Hull und Leonard Peikoff.

Die Rückkehr des Primitiven [Return of the Primitive] (1999): Dieses Buch
erschien 1971 unter dem Namen Die neue Linke: Die antiindustrielle Revolution
[The New Left: The Anti-Industrial Revolution]. Das Buch präsentiert Ayn
Rands Antworten auf die Umweltbewegung, Progressive Education und andere der
Vernunft widersprechende Bewegungen. Enthält auch einen weiteren Aufsatz von
Peter Schwartz.

Die Kunst der Fiktion [The Art of Fiction] (1999): Sachbuch zum Schreiben von fiktionaler
Literatur. Dieses Buch basiert auf einem 1959 von Ayn Rand gehaltenen Kurs,
der sich mit der Einheit der vier grundlegenden Elemente der fiktionalen
Literatur beschäftigt: Thema, Handlung, Charakterisierung und Stil.
Herausgegeben von Tore Boeckmann.

Die Kunst Sachliteratur zu schreiben [The Art of Nonfiction] (2001): Nach
den bearbeiteten Mitschriften von Ayn Rands privat organisierten
Sachbuch-Schreib-Kurs aus dem Jahre 1969. Herausgegeben von Robert Mayhew
und einer Einleitung von Peter Schwartz.

Zeitschriften, die von Ayn Rand herausgegeben wurden:

Diese Zeitschriften enthalten Aufsätze zu Philosophie, Politik, Psychologie,
(Aus-)Bildung und Kunst, Ayn Rands Ford-Hall-Forum-Reden, Buchreszensionen und
philosophische Analysen damaliger Ereignisse und Trends.

Der objektivistische Nachrichtenbrief [The Objectivist Newsletter]
(1962-1965)
Der Objektivist [The Objectivist] (1966-1971)
Der-Ayn-Rand-Brief [The Ayn Rand Letter] (1971-1976)

Werke von Leonard Peikoff:

Leonard Peikoff, Ayn Rands legaler Erbe und wichtiger Vertreter der
Philosophie Ayn Rands.

Die verhängnisvollen Parallelen [The Ominous Parallels: The End of Freedom in America] (1982): Die
Verdeutlichung objektivistischer Geschichtsphilosophie durch eine Analyse der
philosophischen Ursache des Faschismus und seine Parallelen im heutigen
Amerika.

Objektivismus: Die Philosophie Ayn Rands [Objectivism: The Philosophy of
Ayn Rand] (1991): Dies ist ein systematisch erklärendes Werk der Philosophie
Ayn Rands. Alle grundlegenden Prinzipien des Objektivismus - von der
Metaphysik bis hin zur Kunstphilosophie - werden hier in einer logisch und
hierarchisch strukturierten Art und Weise präsentiert.

Verfasser:

Andreas W. Tauber
Atlas Institute Europe (AIE)
Herzbachstrasse 20
D-65321 Heidenrod-Hilgenroth
Germany
Email: andreas.tauber@aynrand.nl

Das Manifest der 15 Beschlüsse des Objektivismus

Im Geiste von Ayn Rands Anerkennung der Notwendigkeit einer Integration von Geist und Körper, Theorie und Praxis, Denken und Handeln, erläutern wir, die Unterzeichnenden, hiermit die Prinzipien und Einstellungen, die uns grundsätzlich als Objektivisten kennzeichnen. Auch wenn wir bei irgendwelchen anderen Fragen unterschiedlicher Meinung sein sollten oder sogar Ansichten vertreten, die völlig diametral sind, so zeigen wir bei den folgenden Grundsätzen eine unbeirrbare Hingabe in allen Bereichen der Existenz und werden diese Themen in allen Bereichen der Kultur in einer Art und Weise darstellen, die keinen von uns, ihren Vertretern, herabwürdigt. Wir halten die folgenden Prämissen und Werte für selbstevident oder vom Selbstevidenten ableitbar, und erklären hiermit vor der Welt unsere Unterstützung für sie.

Beschluss 1: Die Realität ist absolut. Drei grundsätzliche Axiome sind allgemeingültig für diese Realität: Existenz, Identität und Bewußtsein. Auf diesen Axiomen gründet sich die komplette Logik des Menschen und seine möglichen Werkzeuge der Interaktion mit der absoluten Realität.

Beschluss 2. Der Mensch ist fähig, die absolute Realität zu begreifen. Die Vernunft des Menschen ist ein objektiv gültiges Werkzeug der Erkenntnis, wenn sie auf der richtigen Integration und Extrapolation der drei Axiome, sowie der richtigen Begriffsbildung in Übereinstimmung mit den genannten Axiomen, beruht. Es gibt keinen Aspekt der absoluten Realität, der inhärent dem menschlichen Begreifen nicht zugänglich ist.

Beschluss 3: Der Mensch ist eine Entität mit einem willensgesteuertem Bewußtsein und er ist in der Lage, jeden inhaltlichen Aspekt des besagten Bewußtseins zu bestimmen durch die anfängliche Entscheidung, bewußt oder nicht-bewußt zu sein. Durch den Gebrauch seines Bewußtseins kann der Mensch schließlich einen von zwei fundamentalen Werten realisieren: Leben oder Tod.

Beschluss 4: Das Leben des Individuums ist der letztendliche Wert, und es existiert kein Wert außerhalb des Kontext des Individuums, das die Bewertungen vornimmt. Jedes Individuum ist als Entität, die inhärent zur Vernunft fähig ist, berechtigt, diejenigen Werte zu verwirklichen, die sein Verstand als optimal zur Förderung seines Lebens angesehen hat, voraussgesetzt, dass sie nicht gegen das identische Recht eines anderen Individuums verstößt.

Beschluss 5: Eigennutz, die Erhebung seiner eigenen materiellen und intellektuellen Interessen zur höchsten und unantastbaren Prioriät, ist die höchste Moral.

Beschluss 6: Die Initiierung von physischer Gewalt oder von Betrug, oder der Bedrohung damit, ist das größtmögliche moralische Vergehen. Als Reaktion auf derartige kriminelle Taten, und nur als Reaktion auf sie, darf vergeltende Gewalt angewendet werden.

Beschluss 7: Der (einzig) angemessene Zweck des Staates ist es, die Individuen gegen die Inititierung von Gewalt zu schützen. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Staates, irgendeine Art von Gewalt gegen seine eigenen Bürger zu initiieren, oder von ihren nicht Gewalt initiierenden Bürgern irgendeine Handlung zu erzwingen, in welche diese nicht freiwillig eingewilligt hätten.

Beschluss 8: Jedes Individuum besitzt das absolute und unantastbare Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum, sowie das Recht, sein Glück zu verwirklichen. Diese Rechte werden nicht von einer externen Agentur gewährt, sondern sind vielmehr ein Attribut, welches den Wesen, die ein willensgesteuertes Bewußtsein besitzen, inhärent ist. Diese Rechte sind für andere nur negative Verpflichtungen. Sie erfordern, dass andere davon Abstand nehmen, ein Individuum seiner Tätigkeiten und seines Eigentums zu berauben. Sie besagen nicht, dass besagtes Individuum mit irgendwelchen konkreten Vorteilen ausgestattet wird.

Beschluss 9: Jede Intervention des Staats in die ökonomische Sphäre ist unmoralisch und unerträglich. Eine konsequentes Eintreten für Freiheit und individuellen Rechte erfordert einen vollständigen, unverfälschten Laissez-faire-Kapitalismus.

Beschluss 10: Jede Staatsintervention hinsichtlich der Etablierung einer Religion oder Ideologie ist unmoralisch und unerträglich, wie auch jedes zwangsweise Überstülpen von Ideologie bei einer Person durch irgendeine Entität.

Beschluss 11: Der Objektivismus erkennt keine Entität an, die in ihrem Status dem Menschen übergeordnet ist, oder irgendeine Entität, dessen Existenz ganz oder teilweise dem menschlichen Begreifen unzugänglich ist.

Beschluss 12: Kunstwerke spiegeln die metaphysischen und ethischen Prämissen ihrer Schöpfer wider. Der Zweck einer rationalen Ästhetik ist es, jene Eindrücke und Werte zu vermitteln, die sich in Übereinstimmung mit einem Universum befinden, wo der Mensch als freie, wohlhabende und aktive Entität existieren kann und soll.

Beschluss 13: Hinsichtlich eines unerzwungenen, aber selbstzerstörischen Verhaltens von gewissen Individuen, ist es offenkundig unmoralisch, gegenüber diesen Personen Gewalt anzuwenden, um ein derartiges Verhalten zu korrigieren. Es ist jedoch nicht unmoralisch, Anstrengungen zu unternehmen, um diese Individuen von einer Änderung ihrer Handlungsweise zu überzeugen. Vielmehr wird ein solcher Diskurs und eine solche Argumentation ermutigt im Interesse der Propagierung von rationalen Werten.

Beschluss 14: Als selbstinteressierte Entitäten sehen wir Objektivisten es als Wert an, wenn alles, was uns umgibt, so vollständig von den oben genannten Prinzipien durchdrungen ist, wie es uns möglich ist. Es liegt in unserem Interesse, die genannten Ideen zu verbreiten, oder wenigstens ihre Propagierung nicht zu behindern. In Namen unseres Selbstinteresses versprechen wir, dass wir davon Abstand nehmen, andere, die die genannten Prinzipien propagieren, als wertlos zu bezeichnen, oder sonstwie diese Personen in einer Art zu beleidigen, die die Legitimität ihrer Beiträge in der ideologischen Arena leugnet.

Beschluss 15: Alle Personen, die dieser Resolution zustimmen, haben dadurch für sich selbst die absolut korrekte Bezeichnung "Objektivist" gesichert, und es kann nicht rational bestritten werden, dass sie diesen Titel besitzen.

Es ist zulässig, dass all jene, die dazu bereit sind, diese Stellungnahme in Umlauf bringen und ihre Zustimmung zum Ausdruck bringen, vorausgesetzt, dass die ursprüngliche Form vollständig gewahrt wird.

Verfaßt von G. Stolyarov II unter dem Originaltitel An Objectivist Statement of Resolves. G. Stolyarov ist Verfasser des Buches Struggle for the Future
Zur Diskussion der Erklärung siehe hier auf solohq.com

Dienstag, Juni 01, 2004

Emotionen als Produkte von Ideen

"Mein Pazifismus ist instinktiver Natur - ein Gefühl, von dem ich bessessen bin." Albert Einstein

Chris Wolski, Mitarbeiter des Ayn Rand Institute, stellt in einem Interview fest, dass Vernunft, nicht Freiheit oder Individualismus, der zentrale Eckstein des Objektivismus sei.
Vielen kommt bei der Idee eines Lebens, das von der Vernunft geleitet wird, die Figur des Mr. Spock in den Sinn, des leidenschaftslosen Vulkaniers vom "Raumschiff Enterprise", der menschliche Gefühle als Schwäche ansah. Auch wenn Mr. Spock ein Mann der Aufklärung sein sollte, wie es E. G. Ross formulierte, so ist er doch sicherlich keine Verkörperung eines objektivistischen Helden, was natürlich mit Spocks Ablehnung von Emotionen zu tun hat, denn der Objektivismus ist keineswegs anti-emotional, wie es Leonard Peikoff erläutert: "Der Objektivismus ist nicht gegen Emotionen, sondern gegen Emotionalismus."

Howard Roark als personifizierte Lebensfreude

Rand dachte, dass der Mensch "die Vernunft als sein einziges Absolutum" ansehen sollte, dass der Mensch ein Leben exklusiv nach der Vernunft führen kann, dennoch beschrieb sie Howard Roark, ihren Helden aus The Fountainhead, als "die personifizierte Lebensfreude".
Er ist ein Mensch mit tiefen Emotionen, der eine intensive Liebe für seine Werte empfindet und der mutig handelt, um sie zu verwirklichen. Richtig ist, dass der Objektivismus davon ausgeht, dass Gefühle keine Quelle von Erkenntnis sind und keine Handlungsanleitungen sein dürfen. Aber Vernunft und Emotionen schließen sich nicht gegenseitig aus, sie stehen nicht in einem feindlichen Verhältnis zueinander. Gefühle sind ebenso wichtig wie die Vernunft, aber sie dienen unterschiedlichen Zwecken, über die wir uns im klaren sein müssen, wenn wir ein glückliches Leben führen wollen. Nathaniel Branden schreibt in einem Beitrag für die Zeitschrift The Objectivist Newsletter aus dem Jahre 1962, dass die Frage: "Aber was ist mit der emotionalen Seite der menschlichen Natur?" tatsächlich bedeutet: "Aber was ist mit meinen irrationalen Wünschen?".

Eine Definition von Gefühlen

Wie lassen sich Gefühle und Vernunft definitorisch unterscheiden? Nathaniel Branden schreibt in seinem Buch Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls, dass Emotionen "eine automatische psychologische Reaktion" sind, bei der "zugleich geistige und physiologische Faktoren" im Spiel sind. Die Vernunft hingegen definiert er folgendermaßen: "Vernunft ist die Fähigkeit, die das Material, das unsere Sinne uns liefern, identifiziert und integriert." Diese beschriebene Reaktion ist ein Resultat unserer unbewußten Bewertung von Dingen. Craig Biddle nennt unser Wissen, unsere Überzeugungen und unsere Werturteile die "spirituelle Ursache" unserer Emotionen. Wenn Menschen Gefühle zeigen, zeigen sie Reaktionen auf Ereignisse, auf Menschen und Meinungen, die ihre tiefsten innersten Werte reflektieren. Sie machen eine Abschätzung darüber, ob etwas ihren Werten förderlich ist oder sie bedroht. Ein Wert ist das, was man erwerben und behalten will.
Die intellektuelle Komponente der Emotionen grenzt diese von reinen Empfindungen -Hitze, Druck, Schmerz- ab, die unabhängig von dem Bewußtsein durch physikalische Reize auftreten. Zwei intellektuelle Elemente sind notwendig, damit es zu einer Emotion kommt: 1. Eine Person muss ein Verständnis oder eine Identifikation von dem betreffenden Objekt haben. 2. Sie muss dieses Objekt einer Prüfung unterziehen, die ihr sagen kann, ob das Objekt gut oder schlecht, wünschenswert oder unerwünscht für sie ist. Leonard Peikoff unterscheidet insgesamt vier Schritte bei der Erzeugung einer Emotion: 1. Perzeption (oder Imagination) 2. Identifikation 3. Evaluation 4. Reaktion. Viele Menschen sind allerdings der Ansicht, dass sie wahrnehmen und danach fühlen, ohne die intellektuellen Zwischenschritte. Dies glauben sie deshalb, weil sich Identifikation und Evalution in der Regel unbewußt und mit einer enormen Geschwindigkeit vollziehen.

Werte und Gefühle

Da Menschen unterschiedliche Werte haben, bedeutet dies auch, dass das gleiche Ereignis durchaus unterschiedliche Emotionen in verschiedenen Menschen hervorrufen kann. Craig Biddle hat in seinem Buch Loving Life dazu folgendes Beispiel entworfen: Morgendliche Übelkeit bei verschiedenen Frauen kann durchaus zu unterschiedlichen emotionalen Reaktionen führen. Eine Frau, die seit langer Zeit versucht, schwanger zu werden, wird zwar ein körperliches Unwohlsein spüren, aber aufgrund des Kinderwunsches in eine freudige Erregung verfallen. Eine zweite Frau will zwar auch schon schwanger werden, weiß aber nichts von einer morgendlichen Übelkeit und wird ihr Unwohlsein für eine Grippe halten. Dieses ist ein deutliches Beispiel für die intellektuelle Komponente der Emotionen. Die dritte Frau wird in Panik verfallen, weil sie nicht schwanger werden wollte und ihre Religion ihr eine Abtreibung verbietet. Die physische Erfahrung aller drei Frauen ist identisch, aber ihre Reaktionen sind höchst unterschiedlich. Ideen sind allerdings nicht nur größtenteils unbewußt, sondern auch inkonsistent. Menschen besitzen häufig widersprechende Ideen ohne sich dessen bewußt zu sein. Werden Konflikte zwischen diesen Ideen virulent, werden sie häufig als ein Zusammenstroß zwischen Vernunft und Emotionen fehlinterpretiert.

Emotionale Gesundheit

Von gesunden Emotionen und einer gesunden Psyche läßt sich dann sprechen, wenn unsere Emotionen sich im Einklang mit der Realität befinden. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, wenn sich unsere Emotionen im Konflikt mit der Realität befinden, sehen wir uns der Aufgabe ausgesetzt, an uns zu arbeiten, um diesen Zustand zu verändern. Wir müssen aber verstehen, dass unsere Gefühle nur Konsequenzen unserer Ideen sind, und unsere Ideen nur eine Konsequenz unseres Denkens ist. Dieses Denken kann rational oder irrational sein. Wenn jemand ein Gefühl hat, dass im Konflikt steht mit einem bewußten, rationalen Urteil, bedeutet dies, dass er unterbewußte Ideen hat, die im Gegensatz stehen zu seinen bewußten Ideen. Wir müssen zu diesen unbewußten Ideen vorstoßen und versuchen diese durch einen rationalen Denkprozess zu korrigieren, um unsere Emotionen wieder in Einklang mit der Realität zu bringen. Craig Biddle nennt hier das Beispiel eines Kindes, was von rassistischen Eltern mit irrationalen Ideen gefüttert wurde. Dieser Mensch wird ungesunde, schädliche Emotionen erleiden, wenn er nicht beginnt, für sich selbst zu denken, nach Beweisen zu suchen, und schließlich die falschen Ideen durch richtige ersetzt. Wenn es zu einem scheinbaren Konflikt kommt zwischen Emotion und Vernunft, d. h. zwischen bewußten und unbewußten Ideen, kann die bewußte Idee korrekt sein und die unbewußten Ideen falsch. Es kann allerdings auch umgekehrt so sein, dass wir ein Gefühl haben, dass sich aus einer richtigen, unbewußten Idee ergibt.

Emotionen sind Fakten

Craig Biddle weist auch auf den wichtigen Umstand hin, dass Emotionen selbst Fakten sind, d. h. sie sollten nicht unterdrückt oder ignoriert werden: "Wie alle relevanten Fakten sollten sie anerkennt und richtig betrachtet werden." Aber trotz aller Wichtigkeit geben sie uns keine Erkenntnis über die Realität. Nur die Vernunft kann uns sagen, was richtig oder falsch, gut oder schlecht ist. Dazu müssen wir die Fakten betrachten und uns der Logik bedienen.

Emotionen und Therapie

Die Anerkennung der Verbindung zwischen Werten und Gefühlen führt dazu, dass im Rahmen einer Psychotherapie der Therapeut keine neutrale Position in Bezug auf die Werte des Patienten einnehmen kann. Er muss bereit sein, sich den falschen Werten des Patienten zu stellen und ihm dabei zu helfen, sie zu korrigieren. Wenn dem Patienten dieser Zusammenhang klar ist, wirkt dies außerordentlich therapiefördernd und gibt ihm die Zuversicht, dass seine Probleme einer Lösung zugänglich sind. Dies unterscheidet diesen Ansatz von der religiösen Vorstellung der Erbsünde und ihrer säkularen Version, der freundianischen Theorie eines ES. Diese sind, abgesehen davon, dass sie einen Angriff auf die Vernunft bedeuten und sich nicht durch Fakten beweisen lassen, auch extrem anti-therapeutisch.

Die Geist-Körper-Dichtotomie
Leonard Peikoff sieht in der Geist-Körper-Dichotomie, die seit Plato den Westen beherrscht hat, den Grund dafür, dass ein Zusammenprallen zwischen Denken und Fühlen nicht als Zusammenstoß von Ideen begriffen wird. Die Emotionen werden als körperlich und weltlich definiert, wohingegen die Vernunft als "rein", "nicht-empirisch" und "nicht-materialistisch" gesehen wird.



Literatur:
Nathaniel Branden, Emotions and Values, in: The Objectivist, Mai 1966
Craig Biddle, Loving Life - The Morality of Self-Interest and the Facts that Support it, 2002
Malini Kochhar, Emotions, www.objectivistcenter.org
Joseph Rowlands, Value Judgment vs. Emotions, www.solohq.com
Nathaniel Branden, Die 6 Säulen des Selbstwertgefühls, 1994
Leonard Peikoff, Objectivism: The Philosophy of Ayn Rand, 1991, S. 153 - 158

Studienfragen:
1. Was sind die beiden "intellektuellen" Elemente, die in einer emotionalen Reaktion enthalten sind? Gebrauchen Sie eigene Beispiele, um diese beiden Elemente zu erklären. Warum müssen beide Elemente präsent sein? Schließlich: Was ist der grundlegende Unterschied zwischen Empfindung und Emotion?

2. Erklären Sie, warum die meisten Leute denken, dass Emotionen keine intellektuelle Ursache haben. Erklären Sie außerdem den scheinbaren "Konflikt", im Kopf vieler Menschen, zwischen Denken und Emotion.

3. Erklären Sie, warum die Geist-Körper-Dichotomie einige Philosophen dazu bringt, zu glauben, dass Emotion und Denken gegeneinander stehen. Ihre Antwort sollte eine Erklärung ihrer Sicht der Vernunft und ihrer Metaphysik einschließen.

Dienstag, Mai 04, 2004

Buddhismus - Eine Anti-Leben-Philosophie

Keine Frage - Buddhismus boomt in den USA. Innerhalb der letzten 15 Jahre hat sich die Zahl der buddhistischen Zentren im Land der "angewandten Aufklärung" mehr als verdoppelt. Ausgerechnet in der kalifornischen Stadt Irvine, Sitz des Ayn Rand Institute (ARI), fand kürzlich eine Veranstaltung mit dem Dalai Lama, dem Friedensnobelpreisträger und geistigem Führer der Buddhisten, statt, bei der 115 Spitzenmanager jeweils 100 $ für ihrer Anwesenheit zahlen durften. Ungefähr vier Millionen Amerikaner praktizieren derzeit die fernöstliche Religion. Der Begriff "Religion" ist in Bezug auf den Buddhismus allerdings durchaus umstritten, da dem Buddhismus gewissen Attribute fehlen, die gemeinhin Religionen zugeschrieben werden. So meidet der Buddhismus das Wort "Gott" und kennt auch keine unsterbliche Seele. Das Konzept der Reinkarnation, dass der Buddhismus vertritt, setzt allerdings die Existenz irgendeiner göttlichen Instanz voraus, denn wer sollte sonst darüber entscheiden, ob jemand als Küchenschabe oder als heiliges Lama wiedergeboren wird. So lässt sich sicherlich behaupten, dass der Buddhismus auch bei Vermeidung des "G-Wortes""funktionell theistisch" ist, wie der Wissenschaftsjournalist John Horgan schreibt.

Joshua Zader vertritt auf seiner Website die Auffassung, dass Objektivismus und Buddhismus komplementär und nicht antithetisch seien. Zu dieser Einschätzung kann er allerdings nur kommen, wenn er den Buddhismus sämtlicher philosophischer Inhalte entledigt und auf bestimmte "Praktiken" reduziert, die das persönliche Wohlbefinden eines Menschen steigern sollen. Unter dieser Voraussetzung kann man sicherlich behaupten, Objektivismus und Buddhismus seien komplementär, wie Objektivismus und vegetarische Ernährung, Objektivismus und Bogenschiessen etc. komplementär sein können. Nur welchen Sinn macht es, über die Komlementarität von Objektivismus und Buddhismus zu sinnieren, wenn Zaber selbst, wie er schreibt, davon ausgeht, dass der Buddhismus "inhärent fehlerhaft" sei, und nicht mit dem Objektivismus vergleichbar wäre? Wenn es Zader wirklich nur um Meditiationspraktiken gehen würde, könnte er den Buddhismus verwerfen und ausschließlich über die Vereinbarkeit von Meditation und Objektivismus reflektieren. Dass er dies nicht tut, könnte zumindest den Verdacht aufkommen lassen, dass er mehr vom Buddhismus retten möchte als er explizit zugibt.

Einen sehr ernüchternde Blick auf den Buddhismus wirft hingegen John Horgan, der ihn nicht für rationaler hält als den Katholizismus seiner Jugend. Die moralische und methaphysische Weltsicht des Buddhismus, so Horgan weiter, könne "nicht leicht mit der Wissenschaft - oder, allgemeiner, mit modernen humanistischen Werten versöhnt werden."
Die von Buddhisten und alternativen Medizin-Gurus so sehr beschworenen Erfolge der Meditation stehen auf empirisch wackligen Beinen: "Ja, sie kann Stress reduzieren, aber, wie sich herausgestellt hat, nicht mehr als beim einfachen Sitzen auch. Meditation kann sogar Depression, Angst oder negative Emotionen bei bestimmten Menschen verstärken." Anders als der Objektivismus, der eine Philosophie für das Leben auf der Erde ist, impliziert der Buddhismus eine Entfernung vom normalen Leben als den Weg der Erlösung. So schreibt Helmuth von Glasenepp in seinem Buch Die fünf Weltreligionen über das Leben des Religionsgründers Buddha: "Um sein Herz von aller Leidenschaft zu lösen, hatte der an jede Art von Luxus gewöhnte Prinz dem Wohlleben entsagt und war während des größten Teiles seines Lebens als heimatloser Asket umhergezogen, nur von Almosen lebend. Daß es ihm gelungen ist, durch strenge Sinnenzügelung alle Begierden, alle Gefühle von Zorn und Haß und alle Verblendung in sich zu ertöten, wird von den Texten übereinstimmend behauptet." Die hier angesprochene "Sinnenzügelung" bezieht sich auf ALLE Wünsche, selbst der Wunsch nach einer Liebesbeziehung oder einer guten Gesundheit, aber auch der Wunsch nach Nahrung oder Bekleidung, werden als Hindernisse auf dem Weg des Menschen ins "Nirvana", dem ewigen Frieden, angesehen. In unverhohlener Form wird auch Altruismus gefordert: "Von allen Geschöpfen ist kein Einziges nicht dein Vater oder deine Mutter gewesen. Um die Güte dieser Geschöpfe zu erwidern, mach dich daher daran, für ihr Wohlergehen zu wirken."

Im Gegensatz zu anderen Religionsstiftern enthielt sich Buddha bei der Verbreitung seiner Lehre allerdings jeder fanantischen Unduldsamkeit. Die Toleranz und friedfertiger Gesinnung der Buddhisten ist Ausdruck eines Nihilismus, für den menschliches Leid und der Tod nur triviale Ereignisse sind. In der Worten des "Erhabenen" an seine Jünger: "Auch wenn Räuber und Mörder einem mit einer Säge Glied für Glied abschnitten, wer darüber zornig würde, der handelt nicht nach meiner Lehre. Denn auch in einem solchen Fall sollt ihr euch also üben: Nicht soll unser Denken sich verändern, nicht wollen wir ein böses Wort von uns geben, sondern gütig und mitleidig bleiben, voll freundlicher Gesinnung und ohne Haß." Der Buddhismus will den Menschen von den Leiden des Lebens erlösen, indem er ihn auffordert, sein Selbst zu negieren, es als Illusion zu betrachten, um jedes Leiden als belanglos zu akzeptieren. Dies macht den Buddhismus in der Tat völlig unvereinbar mit dem Objektivismus. Wayne Dunn, der über politische und kulturelle Themen aus einer objektivistischen Sicht schreibt, kommt zu dem Ergebnis, dass der Buddhismus Anti-Leben ist: "Es ist schwer, sich ein Glaubenssystem vorzustellen, dass mehr Anti-Leben ist."

Donnerstag, April 01, 2004

Buchkritik: The Ayn Rand Lexicon

Das von Harry Binswanger, Professor für Philosophie am Objectivist Academic Center des Ayn Rand Institute, herausgegebene The Ayn Rand Lexicon kann natürlich kein systematisches Studium des Objektivismus ersetzen, aber für eine schnelle Information über Ansichten, die Ayn Rand über bestimmte Themen geäußert hat, ist es vorzüglich geeignet. Anzumerken ist allerdings, dass anders als der Titel es nahe legt, nicht nur Texte von Rand verwendet werden, sondern auch andere Objektivisten, vor allem aber Leonard Peikoff, ihr selbsternannter "intellektueller Erbe", zu Wort kommen. Überraschenderweise findet sich unter dem Stichwort Economic Good eine kurze Definition dieses Begriffs in einem Zitat des Ökonomen George Reisman, der mittlerweile allerdings beim Ayn Rand Institute in Ungnade gefallen ist, wobei dieser Bruch allerdings keinen philosophischen Hintergrund hat wie etwa die Trennung von David Kelley. Die Idee zu einem solchen Lexikon stammt von Harry Binswanger, der im Jahr 1977 Ayn Rand damit bekannt machte. Sie reagierte zunächst skeptisch, zeigte sich im Verlauf der von Binswanger redigierten Texte aber zunehmend enthusiastischer. Da die Arbeit allerdings für einige Zeit aufgrund anderer Tätigkeiten von Binswanger unterbrochen werden mußten, hat Rand selbst nur etwa 10 % der gesamten Textes gesehen. Berücksichtigt wurde ausschließlich die Sachliteratur von Rand oder Material aus ihren fiktiven Werken, das philosophischen Charakter hat. Bei den Texten von anderen Autoren gibt Binswanger den Hinweis, dass es sich um Werke handele, die Rand ausdrücklich öffentlich gebilligt habe. Einen besonders breiten Raum nimmt die Darstellung und Kritik der Philosophie von Immanuel Kant ein, nicht nur weil Rand so viel über Kant geschrieben hat, sondern auch wegen des enormen Einflusses von Kant auf die Geschichte der Philosophie. Das philosophische System von Kant steht dem Objektivismus diametral entgegen, was Ayn Rand zu der, ebenfalls im Lexikon zitierten, Äußerung motiviert haben könnte: "Kant ist der böseste Mann in der Geschichte der Menschheit." Und an anderer Stelle: "Es ist kein Zufall, dass Eichmann Kantianer war." "Böse" ("Evil") war für Rand "alles, was Anti-Leben ist." Diese Definition weicht auffällig von dem ab, was die meisten Menschen unter "böse" verstehen, nämlich die bewußte Entscheidung, etwas zu tun, von dem man weiß, dass es unmoralisch ist. Da das Lexikon recht häufig aus der Rede von John Galt ("Galts Speech") in Atlas Shrugged zitiert, kann der deutschsprachige Leser auch einen gewichtigen Teil der verwendeten Zitate in der deutschen Übersetzung des Romans ("Wer ist John Galt?) nachlesen. Auch der Aufsatz What is Capitalism?, aus dem auch einige Zitate stammen, liegt in einer deutschen Übersetzung vor ("Nutzen und Moral", hrsg. von Gerd-Klaus Kaltenbrunner). Insgesamt läßt sich feststellen, dass das Lexikon ausgesprochen nützlich ist, um sich schnell einen Überblick über die Auffassungen von Rand zu bestimmten Themen zu verschaffen und dass es deshalb in keiner Bibliothek eines Lesers fehlen sollte, der Sympathie oder Interesse für die Philosophie von Ayn Rand aufbringen kann.

Donnerstag, März 04, 2004

Der Rothbard-Rand-Bruch

In der Geschichte des amerikanischen Radikalliberalismus ist es nur eine Episode, aber eine, an die sich manche Legenden knüpfen, denen man eine Dauerexistenz in den Köpfen der Menschen nicht erlauben sollte. Ich meine die kurze Episode eines intellektuellen Kontaktes zwischen dem Ökonomen Murray Rothbard, dem Vater des modernen Anarcho-Kapitalismus (1926 - 1995) und Ayn Rand, der Begründerin des Objektivismus.

Der Initiative für den Kontakt zwischen Rothbard und Rand ging von Rothbard aus, der nach Aussage von George Reisman im Sommer 1954, über drei Jahre vor der Veröffentlichung von Atlas Shrugged, den Namen von Rand bei einem Gruppentreffen erwähnte und ein Treffen mit Rand im Juli des gleichen Jahres arrangieren konnte. Beide traffen sich danach ungefähr fünf oder sechs Mal in einem größeren Kreis. Von diesen Treffen existieren keine Tonbandaufnahmen, sodass man naturgemäss nur noch auf die Äußerungen der Beteiligten zurückgreifen kann. Eine Tonbandaufnahme existiert allerdings von einem Interview, dass Barbara Branden mit Rothbard für ihre Rand-Biographie The Passion of Ayn Rand führte, wo er behauptete, dass er Rand kaum kenne und wenig über sie sagen könne. Was ihn allerdings nicht davon abgehalten hatte, nach dem Abbruch der Kontakte zur Gruppe von Rand über den "totalitären Kult der Randianer" herzuziehen.

Nach dem Abbruch der Interaktion zu Rand trennte sich ein Teil der Mitglieder von Rothbards Circle Bastiat von ihrem Vordenker und stieß zur Gruppe von Rand. Über die Ursachen der Trennung existieren höchst unterschiedliche Versionen, auf die im folgenden noch ausführlicher einzugehen sein wird. Andre F. Lichtschlag schreibt in seinem Buch Libertarianism nur recht lapidar, ohne dafür eine Quelle anzugeben: "Rothbard überwirft sich früh mit der privat wenig umgänglichen Ayn Rand und entwickelt ihren Objektivismus als Naturrechtsphilosphie weiter." Noch nebulöser drücken sich Andre F. Lichtschlag und Michael Kastner in der Zeitschrift eigentümlich frei ( Nr. 39) aus: "Zeitweilig gehören Mitglieder der Gruppe (des Circle Bastiat, W. Sch.) auch dem engeren Kreis um die 'Hohepriesterin des Kapitalismus', Ayn Rand, an. Die amerikanische Bestsellerautorin Rand wird die Anarcho-Kapitalisten später als 'hippies of the right' bezeichnen - und meiden." Auch hier kein Hinweis darauf, warum Rand die Anarcho-Kapitalisten, und speziell Rohtbard, "mied", und auch kein Hinweis auf den Frontwechsel, den einige von Rothbards Anhängern nach der Trennung von Rand vollzogen, darunter auch George Reisman und Robert Hessen.

Persönliche Antipathien mögen für das Ende der Beziehung zwischen Rand und Rothbard durchaus eine Rolle gespielt haben, denn zumindest für Rand ist bekannt, dass sie sich schon beim ersten Treffen mit Rothbard unbehaglich in dessen Gegenwart fühlte und ihn nicht besonders mochte, was selbst bei einer großen ideologischen Nähe keine gute Basis für ein gedeihliches Zusammenwirken ist. Um einen zeitlichen Rahmen für die Episode abzustecken, sollte man festhalten, dass Rands Atlas Shrugged im Oktober des Jahres 1957 in den USA veröffentlicht wurde und der Kontakt zwischen Rothbard und Rand bereits im Juli 1958 wieder vorüber war. Aus Sicht der Gruppe der Objektivisten lag der Grund den Bruch in Rothbards Plagiat eines ihm vorliegenden Skriptes von Barbara Branden. Dieser Vorwurf wurde ihm in persönlichen Briefen gemacht, auf die Rothbard aber nicht antwortete, sondern die Sache öffentlich machte, indem er weitere Personen in die Kontroverse einbezog, unter anderem auch Ludwig von Mises. Desweiteren fühlte sich Rand durch eine Rand-Parodie beleidigt, die Rothbard mit einigen Freunden während einer Party am 2. März 1958 spontan aufgeführt und auf Tonband aufgenommen hatte. Dass Ayn Rand bei einer Person, die sie ohnehin nicht besonders mochte und nun den Vorwurf des Plagiats und der persönlichen Beleidigung machte, jedweden weiteren Kontakt mied, dürfte auf der Hand liegen.

Aus Sicht von Rothbard und seinen Freunden stellte sich die Kontroverse allerdings völlig anders dar. Einer von Rothbards Freunden auf der Rechten, Samuel Francis, schildert dies so:
"Murray, einer der führenden marktwirtschaftlichen Ökonomen und liberalen Denker, war lebenslang ein Agnostiker, aber seine Frau, Joey, war und ist eine Christin. Als sie jünger waren, hatten sie etwas zu tun mit Rand und ihrem Kreis von Gläubigen, aber dann fand die Große den Glauben von Joey heraus.
Rand gab Joey sechs Monate, um sich in ihre eigenen Wälzer gegen die Religion zu vertiefen. Falls Joey am Ende dieser Periode ihren Glauben aufgegeben hätte, könnten sie und Murray sich einschreiben bei der Quelle Aller Wahrheit Selbst. Wenn nicht, hätte sich Murray von Joey scheiden lassen müssen, oder ansonsten wären sie verbannt worden. Murray sagte Rand richtigerweise, dass sie sich zum Teufel scheren solle (oder Worte mit dieser Wirkung). Er behielt seine Frau, und seine Frau behielt ihren Glauben, und irgendwie schafften sie es, glücklich zu leben, ohne die Unterstützung von Rands Weisheit."

Diese Geschichte macht die Runde seit Jahrzehnten und man kann sie überall im Internet so oder so ähnlich nachlesen, und wenn sie tatsächlich stimmen würde, würde sie Rand tatsächlich in ein extrem schlechtes Licht stellen. Rothbard selbst schildert die damaligen Vorgänge in einem Aufsatz für die Zeitschrift Liberty ("My Break with Branden and the Rand Cult") allerdings etwas anders als sein Freund Francis:" Meine Frau Joey war und ist praktizierende Christin. Ich wußte von Anfang an, dass Rand fanatisch antireligiös war, dass Rand Gott weit mehr hasste als sie je den Staat hasste. Also drückte ich es gegenüber Branden bei unserem allerersten Treffen ganz direkt aus: 'Ist es Ihre Meinung, dass ich mich von Joey scheiden lassen sollte, weil sie eine Christin ist?' Nathan antwortete: 'Wie können Sie denken, dass wir solche Monster wären?' Brandens Antwort wiegte mich in einem falschen Gefühl von Sicherheit. Als die Monate sich hinzogen, wurde mir jedoch bewußt, dass, während Branden technisch die Wahrheit gesagt hatte, die randianische Attitüde womöglich sogar noch schlimmer war. Denn ich sollte mich nicht von Joey scheiden lassen, weil sie eine Christin war. Ich sollte mehrere Monate damit verbringen, dass arme Mädchen zu schikanieren, damit sie zum Atheismus konvertiert. Wenn dies scheiterte, sollte ich mich scheiden lassen."

In Rothbards Darstellung ist nicht davon die Rede davon, dass die Objektivisten ihm "gesagt" hätten, er solle sich scheiden lassen. Die geforderte Scheidung scheint nur eine Interpretation der Ereignisse durch Rothbard zu sein. Dort wo er den mutmaßlichen Übeltäter Nathaniel Branden wörtlich zitiert, sagt dieser genau das Gegenteil von dem, was Rothbard suggerieren will. Im Gegensatz zu Francis sagt Rothbard auch nicht, dass Rand etwas mit der Sache zu tun habe. Nathaniel Branden bewertet die Aussagen von Rothbard als Lüge: "Die Religion seiner Frau wurde nie von uns diskutiert und war kein Thema. Rothbard hat so viele Lügen über Rand und mich erzählt, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll." Rothbards Bemerkung über den "Hass" von Rand treffen den Kern der Sache auch nicht, denn Rand war in erster Linie pro-Vernunft, ihre Einstellung gegenüber der Religion war davon nur abgeleitet ("Ich kämpfe für die Vernunft, nicht gegen die Religion." Ayn Rand, Letters of Ayn Rand, 20. März 1965). Auch dürfte sich Rand kaum einem Hass auf Gott hingegeben haben, da dieser nach ihrer Ansicht doch überhaupt nicht existierte. Nathaniel Branden weist in seinem Booknotes-Interview darauf hin, dass die damaligen Objektivisten keine Militanten bei diesem Thema gewesen wären: "Wir waren einfach Nicht-Gläubige."

Obwohl Rothbard davon ausging, dass Rand und ihre Anhänger "fanatisch antireligiös" wären, bringt er das Thema Religion in einer provokativen Weise zur Sprache. Man kann annehmen, dass Rothbard sich durchaus darüber im klaren war, dass seine philosophische Position mit derjenigen der Objektivisten nicht kompatibel war. Rothbards Agnostizismus war für die Objektivisten keineswegs akzeptabler als eine theistische Position. Nathaniel Branden nennt die agnostische Position in einem Aufsatz aus dem Jahr 1963 "die am wenigsten haltbare" Position in Bezug auf die Existenz Gottes: "Der Theist glaubt an die Existenz Gottes - ohne Grund. Der Agnostiker glaubt an die Möglichkeit der Existenz Gottes - ohne Grund. Aber der Theist, der seine Überzeugung ganz offen auf den Glauben stützt, ist in einer Hinsicht näher an der Realität: Er gibt nicht vor, rational zu sein." Rothbard konnte im Laufe der Gespräche mit den Objektivisten nicht verborgen geblieben sein, dass hier eine Gruppe mit einer kohärenten Philosophie und einem großen Sendungsbewußtsein existierte, die keineswegs bereit war, sich durch Personen von außen in Frage stellen zu lassen.
Rothbard stand vor der Alternative, sich entweder durch die Objektivisten überzeugen zu lassen, wie es Reisman oder Hessen aus seinem ursprünglichen Kreis taten, oder zu verschwinden. Rothbard wollte verschwinden, aber nicht ohne vorher provoziert zu haben. Vor der gleichen Alternative stand auch Alan Greenspan, der spätere Chef der amerikanischen Federal Reserve. Rand mochte auch ihn nicht und bewertete seine philosophischen Ansichten als irrational. Greenspan ließ sich allerdings durch Gespräche mit Nathaniel Branden überzeugen, und blieb der Gruppe um Rand erhalten.

Obwohl bestimmte harte Fakten der damaligen Ereignisse, wie zum Beispiel Tonbandaufnahmen, nicht vorliegen, deutet alles darauf hin, dass Rothbard die Vorkommnisse zu seinen Gunsten verdrehte. Er hatte ein Motiv die Sache anders darzustellen als sie tatsächlich war, denn der Plagiatsvorwurf lastete schwer auf ihm, außerdem hatte er Anhänger seines Circle Bastiat an Rand verloren. Es ist auch kaum anzunehmen, dass diese Personen sich auf die Seite von Rand geschlagen hätten, wenn Rothbards Vorwürfe irgendwie zutreffend gewesen wären. Teilnehmer der damaligen Gespräche zwischen Rand und Rothbard sagen auch aus, dass über die Religion von Rothbards Ehefrau niemals gesprochen worden sei. Briefe aus der damaligen Zeit, die erhalten geblieben sind, zeigen auch, dass das Thema "Plagiat" tatsächlich diskutiert wurde, was Rothbard auch selber einräumt. Der Bruch zwischen Rand und Rothbard ist insofern typisch für das politische Leben des Murray Rothbard, als dieser zwar seinen politischen Grundsätzen im Verlauf seines Lebens recht treu blieb, aber bei seinen Bündnispartnern keine Kontinuität wahrte. Als relativ neutraler Zeuge der Rand-Rothbard-Fehde kann noch Roy Childs herangezogen werden, der sowohl mit Rothbard als auch mit Branden befreundet war und während der meisten Zeit seines intellektuellen Lebens Rothbards Anarchismus nahe stand. Childs glaubte, dass die Hauptpunkte der Kontroverse der Plagiatsvorwurf gegen Rothbard und die Lächerlichmachung durch die Rand-Parodie waren. Niemals erwähnte er die Religion von Joey Rothbard als Grund für die sog. Exkommunikation von Murray Rothbard.

Literatur:
Jim Peron: Is Objectivism a Cult? - Part 2, Rothbard Unmasked

G. Stolyarov II: A Critique of Murray Rothbard's "Sociology of the Ayn Rand Cult"

Murray Rothbard: The Sociology of the Ayn Rand Cult

George Reisman: On Meeting Rand, aus: Capitalism: A Treatise on Economics

Die Position zugunsten von Rothbard nimmt Joseph R. Stromberg ein:
Joseph R. Stromberg: Rand vs. Rothbard

Sonntag, Februar 01, 2004

Wohlwollen oder Altruismus - Grundzüge der objektivistischen Ethik

Ayn Rands leidenschaftliches Eintreten für einen rationalen Egoismus und ihre Ablehnung des Altruismus wird selbst von wohlwollenden Autoren immer wieder in den Geruch der Gleichgültigkeit und Hartherzigkeit gegenüber anderen Menschen gebracht. So lautet der Titel eines Artikels von Horst Ilmer in der Zeitschrift "phantastisch!": "Ayn Rand oder Was kümmert mich mein Nachbar?". Obwohl man dem Autoren nicht verwerfen kann, er kenne Rands Romane nicht, gibt er bezeichnenderweise keine Beispiele zur Untermauerung dieser Behauptung an. Und Jens P. Meiners schreibt in seinem Aufsatz "Ayn Rand - die Hohepriesterin des Kapitalismus": "Die vom Christentum postulierte moralische Verpflichtung, anderen zu helfen, lehnt sie prinzipiell ab - mit Ausnahme engster familiärer Beziehungen: Eltern übernehmen mit der Geburt ihres Kindes eine Fürsorgepflicht - als Konsequenz einer selbstbestimmten Handlung."

Die Verantwortung für die eigenen Kinder

Der Hinweis, dass es nach objektivistischer Auffassung eine Verpflichtung von Eltern gibt, ihre Kinder zu unterstützen, ist zutreffend. Diese Verpflichtung erwächst aus dem moralischen Prinzip, dass Menschen die Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Handlungen übernehmen müssen. Kinder werden von ihren Eltern in die Welt gesetzt und jene sind nicht in der Lage, ohne fremde Hilfe zu überleben. Diese Verantwortlichkeit der Eltern hat aber eine zeitliche und auch eine inhaltliche Begrenzung. Was die Eltern dem Kind über das Niveau der Grundbedürfnisse hinaus anbieten, sei ein Ausdruck des Wohlwollens und der Zuneigung der Eltern zu ihrem Kind, schreibt Nathaniel Branden in einem Aufsatz aus dem Jahr 1962 für die Zeitschrift The Objectivist Newsletter. Wer dem Objektivismus "Humanität" absprechen möchte, sollte vielleicht in diesem Zusammenhang einen Blick auf die anarcho-kapitalistische Position eines Murray Rothbard werfen, die dem Leser einen kalten Schauer über den Rücken treibt: " (...) Eltern sollten das Recht haben, das Kind nicht zu ernähren, d. h. sterben zu lassen. Richtigerweise darf das Gesetz die Eltern mithin nicht nötigen, ein Kind zu ernähren oder es am Leben zu erhalten."
Die notwendigen Aufwendungen der Eltern für ihre Kinder dürfen aber nicht als Opfer angesehen. Sie sind nicht Ausdruck einer altruistischen Grundhaltung.

Altruismus als Variante der Opferethik

Altruismus oder Egoismus, das war für Rand die entscheidende Frage der Ethik, wie sie es Howard Roark in "Der Ursprung" sagen läßt: "Seit den Anfängen der Geschichte stehen sich die beiden Antagonisten gegenüber: der Schöpfer und der Schmarotzer. Als der erste Schöpfer das Rad erfand, tat der erste Schmarotzer den Gegenzug. Er erfand den Altruismus." Das Wesen des Altruismus besteht aus dem Konzept der Selbstaufopferung. "Opfer" ist die Aufgabe eines größeren Wertes zugunsten eines geringeren Wertes oder eines Nicht-Wertes. Der Altruismus verpflichtet einen Menschen dazu, die Wohlfahrt der anderen über seine eigene zu stellen. Je mehr ein Mensch seine Werte aufgibt oder betrügt, desto tugendhafter ist er. Besonders tugendhaft, weil selbstlos, sind somit Opfer gegenüber Fremden oder sogar Feinden. Altruismus ist somit eine Anti-Selbst-Ethik. Die Sowjetunion war die ultimative Verkörperung der altruistischen Ethik in der Praxis.
Befürworter des Altruismus wollen durch die Einführung solcher Begriffe wie Freundlichkeit, Kooperation und Hilfsbereitschaft die tatsächliche Bedeutung von altruistischen Handlungen vor ihren Opfern verbergen. Selbstverständlich wird auch eine Person wie Adolf Hitler nicht als Altruist präsentiert, wie es etwa Ayn Rand mit der Bemerkung tat, dass Hitler ein "glühender und expliziter Befürworter des Altruismus" war.
Auch werden altruistische Handlungen wie selbstverständlich als freiwillig erbracht dargestellt, als liefere der philosophische Altruismus keine Begründung dafür, solche Handlungen auch zu erzwingen. Eklektizistische, unphilophische Altruisten sehen den Dienst an anderen zwar als moralisch verpflichtend an, wollen diesen aber nicht durch die Anwendung von Zwang durchsetzen. Überzeugte philosophische Altruisten verwerfen diesen Ansatz allerdings als individualistisch und nehmen an, dass die Anwendung von Gewalt zur Unterdrückung der Selbstsucht ethisch gerechfertigt sei, ja sogar, wie Leonard Peikoff in seinem Aufsatz "Altruism, Pragmatism and Brutality - Part II" aus der Zeitschrift "The Ayn Rand Letter" (Dezember 1972) schreibt, "ethisch geboten" sei. Jeder Mensch, fasst Peikoff ihre Argumentation zusammen, sei das Eigentum von anderen - und diese anderen solle auch ein lebenlang gedient werden. Wenn der Mensch versuchen sollte, das notwendige Opfer nicht freiwillig zu erbringen, schade er dadurch anderen Menschen, enthalte ihnen das vor, was moralisch ihnen gehöre.

Andrew Bernstein weist allerdings darauf hin, dass der Altruismus nur eine Subkategorie der Opferethik ist. Er ist nicht mit ihr identisch. Auch die heutige Umweltbewegung frönt einer Ethik des Opfers, weil sie den Menschen davon abhalten möchte, die Natur zu seinem Nutzen umzugestalten. In einem Interview mit Prodos weist Peter Schwartz, 1. Vorsitzende des Ayn Rand Institute darauf hin, dass die Umweltschützer das Opfer zugunsten von anderen Menschen einfach ersetzen durch das Opfer für die Natur. Im Sinne der Unterscheidung von Bernstein wäre dann allerdings nicht mehr von Altruismus zu sprechen, sondern von einer Opferethik zugunsten eines "höheren Wesens", in diesem Fall zwar nicht Gott, aber einem Konstrukt, der unberührten Natur, das dieser religiösen Vorstellung sehr nahe kommt.

Der rationale Egoismus als Alternative

Das völlige gegenteilige Verhalten empfiehlt Ayn Rand rationalen Menschen: "Handle immer in Übereinstimmung mit der Hierarchie deiner Werte, und opfere nie einen größeren Wert für einen geringeren." Die Sorge um die, die wir lieben, ist ein Bestandteil der egoistischen Interessen eines Menschen und hat nichts mit altruistischer Selbstaufopferung zu tun. Eine "selbstlose", "desinteressierte" Liebe ist ein Widerspruch in sich selbst. Ein Mann, der ein Vermögen ausgibt, um die lebensbedrohende Krankheit seiner Frau behandeln zu lassen, bringt kein Opfer zu ihren Gunsten, sondern handelt entsprechend der Hierarchie seiner Werte, in der seine Frau eine überragende Stellung einnimmt. Eine Opfer wäre es allerdings, wenn dieser Mann sein Geld zur Rettung von 100 hungernden Kindern in Afrika, die keine Bedeutung für ihn haben, verwenden würde, wie die Ethik des Altruismus von ihm fordert.
Für Rand war Egoismus oder Selbstsucht eine Tugend, die sie als "sich um seine eigenen Interessen kümmern" definierte. Ein selbstsüchtiger Mensch sollte der alleinige Nutznießer seiner moralischen Handlungen sein. Der Begriff "Interesse" ist allerdings nicht identisch mit dem, was Menschen sich wünschen. "Die bloße Tatsache", schreibt Rand, "dass sich ein Mensch etwas wünscht, konstituiert weder einen Beweis, dass das Objekt seiner Begierde auch gut ist, noch dass die Erfüllung seines Wunsches auch in seinem Interesse liegt."

Wohlwollen als Egoismus

Entgegen der Behauptungen der Altruisten macht der Altruismus eine wahre Brüderlichkeit unter dem Menschen unmöglich. Wer Menschen unterteilt in Opfertiere auf der einen Seite und Profiteure von menschlichen Opfern auf der anderen Seite, schafft Feindseligkeit und Hass unter den Menschen. Rands rationaler Egoismus schließt allerdings Wohlwollen gegenüber anderen Menschen keineswegs aus. Tatsächlich sind Wohlwollen und Altruismus nicht nur anders, sie stehen in einem völligen Widerspruch zueinander. Der Philosoph David Kelley geht davon aus, dass das Wohlwollen eine eigennützige, keine altruistische Grundlage hat.

Wohlwollen, Freundlichkeit und Respekt vor den Rechten anderer Menschen erwachsen gerade aus dem gegenteiligen Moralkodex, aus dem Prinzip, dass der Mensch eine Entität von höchstem Wert ist und eben gerade kein Opfertier, dass der Mensch kein Mittel zum Zweck der Opferleistungen für andere Menschen ist, und dass niemand das Recht auf das Opfer von irgendeinem Menschen hat. Zuerst muss der Mensch sich selber schätzen, dann kann er dieses Gefühl auch gegenüber anderen Menschen haben. Dieses Thema wird dramatisiert in einer Episode aus Rands Atlas Shrugged, wo sie beschreibt wie die Starnes-Fabrik umstrukturiert wurde, und zwar entsprechend dem Grundsatz "Jedem nach seinen Bedürfnissen". Eine Konsequenz dieses Prozesses war ein Verlust des Wohlwollens unter den Arbeitern. Ein Tramp berichtet es gegenüber Dagny Taggart: "Dort lernten wir zum ersten Mal in unserem Leben, unsere Brüder zu hassen. Wir begannen, sie wegen jeder Mahlzeit zu hassen, die sie verzehrten, wegen jeden kleinen Vergnügens, das sie sich gönnten, wegen jeden neuen Hemdes, das sich ein Mann anschaffte, wegen des Hutes, den sich die Frau eines anderen kaufte, wegen eines Ausflugs, den sie mit ihrer Familie unternahmen, wegen des neuen Anstriches ihres Hauses. (...)
In den alten Zeiten hatten wir es immer gefeiert, wenn jemand Nachwuchs bekam. Wir sprangen ein und halfen ihm, die Krankenhausrechnung zu bezahlen, wenn er im Augenblick gerade schlecht bei Kasse war. Aber wenn jetzt ein Kind geboren wurde, sprachen wir wochenlang nicht mit den Eltern. Babys waren für uns das geworden, was Heuschrecken für die Bauern sind." Man beachte, wie deutlich Rand die Alternative "Wohlwollen oder Altruismus" in dieser Beschreibung der veränderten Rahmenbedingungen in der Fabrik aufzeigt.

Der Problem der Notfälle

Ein rationaler Egoist kann anderen Menschen in Notfällen helfen, weil er den Wert des menschlichen Lebens anerkennt und seinen Mitmenschen bis zum Beweis des Gegenteils einen Kredit einräumt. Um dies am Beispiel eines Ertrinkenden deutlich zu machen, dem Lieblingsbeispiel der Altruisten: Es ist moralisch richtig, einen Fremden vor dem Ertrinken zu retten, wenn das Risiko für das eigene Leben minimal ist. Sollte das Risiko hoch sein, ist es unmoralisch, dies zu versuchen. Wenn die Person nicht fremd ist, sollte das Risiko, dass man eingeht, größer sein in Abhängigkeit von der Wertschätzung der zu rettenden Person. Dies kann bis zum Risiko des Verlustes des eigenen Lebens gehen, wenn es um eine über alles geliebte Person geht, "aus dem eigennützigen Grund, dass das Leben ohne die geliebte Person unerträglich wäre." (Ayn Rand, The Ethics of Emergencies) Für Leonard Peikoff ist Hilfe in Notfällen gegenüber Fremden unter gewissen Bedingungen moralisch, nicht aber verpflichtend: "Anderen Hilfe zu gewähren in solch einem Kontext ist ein Akt der Großzügigkeit, keine Verpflichtung." David Kelley pflichtet ihm bei, dass dies keine Verpflichtung im Sinne eines Rechtes sei. Der Spender müsse die Freiheit haben, die Werte und Risiken im Kontext seiner eigenen Situation und der Hierarchie seiner Werte einzuschätzen: "Aber wenn ein Akt der Hilfe objektiv angebracht ist, dann ist er moralisch erforderlich, ebenso wie es bei anderen tugendhaften Handlungen der Fall ist, und die Unterlassung der Hilfeleistung stellt eine moralische Schuld dar. Um ein berühmtes Beispiel aus den Sechzigern zu nehmen: Als Kitty Genovese vor ihrem New Yorker Apartment erstochen wurde, handelten die Leute, die ihre Schreie hörten und die Polizei nicht alarmierten, unverantwortlich." Obwohl man in Kelleys Beispiel sagen kann, dass die Hilfeleistung angemessen wäre, muss man doch die Frage aufwerfen, ob sie wirklich moralisch verpflichtend wäre. "Moralische Verpflichtungen entsprechend dem Egoismus", schreibt Don Watkins, "sind gewählte Verpflichtungen, Verpflichtungen, die aus der Entscheidung entspringen, zu leben. Wenn man sich entscheidet, zu leben, dann ist man verpflichtet, diejenigen Handlungen auszuführen, die seinem Leben über die gesamte Lebensdauer am besten dienen. Ein Egoist würde sagen, dass es angemessen ist, einem anderen in den Fällen zu helfen, wo kein Opfer eines höheren Wertes erbracht werden muss, aber dass das Recht zu existieren, und der moralische Status eines Menschen nicht von Hilfeleistungen für Fremde in Notlagen abhängt. Notfälle sind außerhalb des Kontext des normalen Lebens (eben deshalb sind sie Notfälle) und deswegen hängt der moralische Status eines Menschen nicht von seinem Verhalten in Notfällen ab."


Auch wenn ein Egoist anderen Menschen Hilfe anbietet, er akzeptiert niemals, dass es seine Pflicht ist, sein Leben in den Dienst an anderen zu stellen, dass irgendein Leiden oder irgendeine Hilflosigkeit eines anderen Menschen eine Verpflichtung für ihn selbst bedeutet. Der Altruismus fordert nicht, dass man anderen Menschen helfen soll, wenn kein Opfer erforderlich oder wenn man einen positiven Wert in einer anderen Person sieht, sondern er sieht das Recht auf der Seite von denjenigen, die Hilfe fordern, und nur Pflicht auf der Seite derjenigen, die Hilfe erbringen müssen.

Der zynische Egoismus als Variante der Opferethik

In dem Aufsatz "Counterfeit Individualism" grenzt Nathaniel Branden Rands rationalen Egoismus von den Egoismuskonzepten von Nietzsche und Stirner ab, die immer wieder von Altruisten und Kollektivisten herangezogen werden, um zu suggerieren, dass Egoismus aus der Auslebung seiner Launen bestehe. Rand verwarf die Rebellion Nietzsches gegen den Altruismus, weil dieser anstelle des Ichs andere opfern wollte. Die Moralphilosophie des zynischen Egoismus wird von Objektivisten nur als eine Variante des Ethik des menschlichen Opfers angesehen, nur das in diesem Fall das Selbst der anderen geopfert wird, nicht das eigene Selbst.

Rands egoistische Helden

Rands Begriff von Egoismus kontrastiert natürlich deutlich mit dessen Alltagsverständnis, das von einer skrupellosen Rücksichtslosigkeit ausgeht. Wer sich die egoistischen Helden aus Rands Romanen vor Augen führt, wird den Unterschied zwischen beiden Varianten von Egoismus recht schnell erkennen. Es sind Menschen, die sich nicht opfern wollen, die aber auch nicht erwarten, dass sich für sie aufopfern. Rand konnte sie zu Romanhelden machen, weil entgegen der landläufigen Meinung, Egoismus eine seltene Stärke ist. Dies bedeutet nicht, dass sie gleichgültig gegenüber allen anderen Menschen sind, dass das menschliche Leben für sie ohne Wert ist oder dass sie keine Gründe dafür haben, anderen Menschen in Notlagen zu helfen. Es bedeutet lediglich, dass die Linderung der Leiden von anderen Menschen nicht ihr primäres Anliegen ist, dass jede Hilfe, die sie geben, eine Ausnahme, und nicht die Regel ist. Für Rand war "der Händler" das moralische Symbol eines Menschen, der nach rationalen Werten strebt. Und die Beziehungen zu anderen Menschen sollten gemäß dem Händlerprinzip gestaltet werden.