Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein brutaler Dikator im Mittleren Osten, der bereits Zehntausende oder gar Hunderttausende "seiner" Bürger ermordet hat, sieht sich plötzlich einem teilweise bewaffneten Volksaufstand gegenüber. Der Diktator versucht sich durch den Einsatz des Repressionsapparates des Staates an der Macht zu halten. Es kommt zu einem lang anhaltenden bewaffneten Bürgerkrieg mit zahllosen Opfern vor allem auf Seiten von unbewaffneten Demonstranten. Wie würden viele deutsche Libertäre und Leser dieser Zeitschrift reagieren? Ohne großes Nachdenken würden sie sich auf die Seite der Volksbewegung stellen. Auch diffuse politische Vorstellungen bei den Aufständischen oder die Ermordung von Menschen, die durch ihre ethnische Zugehörigkeit oder durch untergeordnete Tätigkeiten im Staatsapparat in den Fokus der Aufständischen gelangt sind, ändern nichts an dieser grundsätzlichen Einstellung. |
Montag, August 02, 2004
Der seltsame Etatismus der Nichtinterventionisten
Posted by Wolfgang at 2.8.04
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Sonntag, August 01, 2004
Leonard Peikoff: Schluss mit den Staaten, die den Terrorismus unterstützen
Fünfzig Jahre zunehmendes amerikanisches Appeasement im Mittleren Osten haben zu fünfzig Jahren zunehmender Verachtung für die USA in der muslimischen Welt geführt. Der Höhepunkt davon war der 11. September 2001. Vor fünfzig Jahren gaben Truman und Eisenhower die Eigentumsrechte des Westens am Öl auf, obwohl dieses Öl rechtmäßigerweise denen im Westen gehört, deren Wissenschaft, Technologie und Kapital seine Entdeckung und seine Verwendung möglich gemacht haben. Das erste Land, das 1951 westliches Öl verstaatlichte, war der Iran. Die anderen, die unser ängstliches Schweigen wahrnahmen, beeilten sich dann, sich ihr eigenes Stück aus der neue verfügbaren Beute zu sichern. Der Grund des Schweigens der USA war kein praktischer, sondern ein philosophischer. Die Diktatoren des Nahen Ostens verdammten den reichen, egoistischen Kapitalismus. Sie jammerten, dass die Armen unser Opfer benötigten; das Öl, wie alles Eigentum, dem Kollektiv durch Geburtsrecht zukommt; und sie beriefen sich mit Gefühlen, die sich auf eine andere Welt bezogen, darauf, dass ihre Sichtweise die wahre wäre. Unsere Präsidenten wussten darauf nichts zu antworten. Implizit schämten sie sich der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Sie wagten es nicht, zu antworten, dass die Amerikaner gerechterweise von dem selbstbezogenen Wunsch geleitet wuren, ihr persönliches Glück in einer reichen, säkularen, individualistischen Gesellschaft zu finden. Die muslimischen Länder verkörperten in extremer Form all jene Ideen - selbstlose Pflichterfüllung, Antimaterialismus, den Vorrang von Glauben oder Gefühl vor der Wissenschaft, den Vorrang der Gruppe-, die unsere Universitäten, unsere Kirchen und unser politisches Establishment seit langem als Tugend verkündet haben. Wenn zwei Gruppen, unsere Führung und die ihre, die gleichen grundlegenden Ideen für wahr halten, dann gewinnt die innerlich konsistentere Seite. Nach dem Besitz kam die Freiheit an die Reihe. (...) Nach der Freiheit kam das amerikanische Leben selbst an die Reihe. (...) Über ein Jahrzehnt lang gab es eine weitere Garantie der amerikanischen Impotenz: die Vorstellung, dass ein Terrorist ganz allein für sein Handeln verantwortlich ist und dass deshalb jeder als Individuum vor einem Gericht angeklagt und verurteilt werden müsste. Diese Sichtweise verschwindet glücklicherweise; inzwischen verstehen die meisten Menschen, dass Terroristen nur durch das Einverständnis und die Unterstützung von Regierungen existieren. Wir brauchen die Identitäten diese Kreaturen nicht einzeln zu beweisen, weil Terrorismus keine Phänomen von Persönlichkeiten ist. Er kann nicht beendet werden, indem man Bin Laden oder die Al-Qaida-Armee vernichtet und auch nicht, indem man die Zerstörer sonst wo zerstört. Wenn das alles wäre, was wir tun, so würde bald eine neue Armee von Militanten anstelle der alten treten. Das Verhalten dieser Extremisten ist das der Regime, die sie ermöglichen. Ihre Grausamkeiten sind keine Verbrechen, sondern Kriegshandlungen. Die angemessene Reaktion darauf ist, wie die Öffentlichkeit jetzt versteht, ein Selbstverteidigungskrieg. Mit den ausgezeichneten Worten von Paul Wolfowitz, dem stellvertretenden Verteidigungsminister, müssen wir 'ein Ende machen mit Staaten, die den Terrorismus unterstützen". Ein angemessener Selbstverteidigungskrieg müss ohne selbstverstümmelnde Beschränkungen für unsere Oberkommandierenden geführt werden. Er muss mit den wirkungsvollsten Waffen geführt werden, die wir besitzen (vor ein paar Wochen weigerte sich Rumsfeld korrekterweise, die Verwendung von Atomwaffen auszuschließen). Und er muss in einer Weise geführt werden, die einen Sieg so schnell als möglich und mit den geringst möglichen amerikanischen Verlusten sicherstellt - ohne Rücksicht auf die zahllosen Unschuldigen, die zwischen die Linien geraten werden. Diese Unschuldigen leiden und sterben wegen der Handlungen ihrer eigenen Regierungen, die der Gewalt gegen Amerika ihre Unterstützung geben. Ihr Schicksal liegt deshalb in der moralischen Verantwortung ihrer eigenen Regierungen. Es gibt keine Möglichkeit, dass unsere Kugeln nur die Bösen treffen. Das größte Hindernis für einen amerikanischen Sieg (...) sind unsere eigenen Intellektuellen. Auch jetzt noch vertreten sie die gleichen Ideen, die für unsere historische Lähmung verantwortlich sind. Sie verlangen von einer taumelnden Nation, Nächstenliebe zu beweisen und "Rache" zu vermeiden. Die Multikulturalisten - welche die Idee der Objektivität verwerfen - drängen uns dazu, die Araber zu "verstehen" und "Rassismus" zu vermeiden (das heißt, jegliche Verurteilung der Kultur einer Gruppe). Die "Friedensfreunde" mahnen uns, so laut wie je, daran, uns an "Hiroshima zu erinnern" und uns vor der Sünde des Hochmuts zu hüten. (...)Tragischerweise versucht Herr Bush einen Kompromiss zwischen dem Verlangen des Volkes nach einem entscheidenden Krieg und dem Verlangen der Intellektuellen nach Appeasement. (...) Das Überleben Amerikas steht auf dem Spiel. Das Risiko einer amerikanischen Überreaktion kann man deshalb vernachlässigen. Das einzige Risiko ist eine Unterreaktion. Herr Bush muss seinen Kurs ändern. Er muss unsere Raketen und Truppen dort zum Einsatz bringen, wo sie hingehören. Und er muss das mit voller Überzeugung (...) Die Wahl besteht heute zwischen entweder Massen von Toten in den Vereinigten Staaten oder Massen von Toten in den terroristischen Nationen. Unser Oberkommandierender muss sich entscheiden, ob es seine Pflicht ist, Amerikaner zu retten oder die Regierungen, die sich verschwören , um sie zu töten. Der vollständige Originaltext von Leonard Peikoff erschien im Oktober 2001 als ganzseitige Anzeige in der New York Times |
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Donnerstag, Juli 01, 2004
Eine objektivistische Bibliographie
Ayn Rands Romane: |
Posted by Wolfgang at 1.7.04
Labels: Objektivismus
Das Manifest der 15 Beschlüsse des Objektivismus
Im Geiste von Ayn Rands Anerkennung der Notwendigkeit einer Integration von Geist und Körper, Theorie und Praxis, Denken und Handeln, erläutern wir, die Unterzeichnenden, hiermit die Prinzipien und Einstellungen, die uns grundsätzlich als Objektivisten kennzeichnen. Auch wenn wir bei irgendwelchen anderen Fragen unterschiedlicher Meinung sein sollten oder sogar Ansichten vertreten, die völlig diametral sind, so zeigen wir bei den folgenden Grundsätzen eine unbeirrbare Hingabe in allen Bereichen der Existenz und werden diese Themen in allen Bereichen der Kultur in einer Art und Weise darstellen, die keinen von uns, ihren Vertretern, herabwürdigt. Wir halten die folgenden Prämissen und Werte für selbstevident oder vom Selbstevidenten ableitbar, und erklären hiermit vor der Welt unsere Unterstützung für sie. |
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Labels: Objektivismus
Dienstag, Juni 01, 2004
Emotionen als Produkte von Ideen
"Mein Pazifismus ist instinktiver Natur - ein Gefühl, von dem ich bessessen bin." Albert Einstein |
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Dienstag, Mai 04, 2004
Buddhismus - Eine Anti-Leben-Philosophie
Keine Frage - Buddhismus boomt in den USA. Innerhalb der letzten 15 Jahre hat sich die Zahl der buddhistischen Zentren im Land der "angewandten Aufklärung" mehr als verdoppelt. Ausgerechnet in der kalifornischen Stadt Irvine, Sitz des Ayn Rand Institute (ARI), fand kürzlich eine Veranstaltung mit dem Dalai Lama, dem Friedensnobelpreisträger und geistigem Führer der Buddhisten, statt, bei der 115 Spitzenmanager jeweils 100 $ für ihrer Anwesenheit zahlen durften. Ungefähr vier Millionen Amerikaner praktizieren derzeit die fernöstliche Religion. Der Begriff "Religion" ist in Bezug auf den Buddhismus allerdings durchaus umstritten, da dem Buddhismus gewissen Attribute fehlen, die gemeinhin Religionen zugeschrieben werden. So meidet der Buddhismus das Wort "Gott" und kennt auch keine unsterbliche Seele. Das Konzept der Reinkarnation, dass der Buddhismus vertritt, setzt allerdings die Existenz irgendeiner göttlichen Instanz voraus, denn wer sollte sonst darüber entscheiden, ob jemand als Küchenschabe oder als heiliges Lama wiedergeboren wird. So lässt sich sicherlich behaupten, dass der Buddhismus auch bei Vermeidung des "G-Wortes""funktionell theistisch" ist, wie der Wissenschaftsjournalist John Horgan schreibt. |
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Donnerstag, April 01, 2004
Buchkritik: The Ayn Rand Lexicon
Das von Harry Binswanger, Professor für Philosophie am Objectivist Academic Center des Ayn Rand Institute, herausgegebene The Ayn Rand Lexicon kann natürlich kein systematisches Studium des Objektivismus ersetzen, aber für eine schnelle Information über Ansichten, die Ayn Rand über bestimmte Themen geäußert hat, ist es vorzüglich geeignet. Anzumerken ist allerdings, dass anders als der Titel es nahe legt, nicht nur Texte von Rand verwendet werden, sondern auch andere Objektivisten, vor allem aber Leonard Peikoff, ihr selbsternannter "intellektueller Erbe", zu Wort kommen. Überraschenderweise findet sich unter dem Stichwort Economic Good eine kurze Definition dieses Begriffs in einem Zitat des Ökonomen George Reisman, der mittlerweile allerdings beim Ayn Rand Institute in Ungnade gefallen ist, wobei dieser Bruch allerdings keinen philosophischen Hintergrund hat wie etwa die Trennung von David Kelley. Die Idee zu einem solchen Lexikon stammt von Harry Binswanger, der im Jahr 1977 Ayn Rand damit bekannt machte. Sie reagierte zunächst skeptisch, zeigte sich im Verlauf der von Binswanger redigierten Texte aber zunehmend enthusiastischer. Da die Arbeit allerdings für einige Zeit aufgrund anderer Tätigkeiten von Binswanger unterbrochen werden mußten, hat Rand selbst nur etwa 10 % der gesamten Textes gesehen. Berücksichtigt wurde ausschließlich die Sachliteratur von Rand oder Material aus ihren fiktiven Werken, das philosophischen Charakter hat. Bei den Texten von anderen Autoren gibt Binswanger den Hinweis, dass es sich um Werke handele, die Rand ausdrücklich öffentlich gebilligt habe. Einen besonders breiten Raum nimmt die Darstellung und Kritik der Philosophie von Immanuel Kant ein, nicht nur weil Rand so viel über Kant geschrieben hat, sondern auch wegen des enormen Einflusses von Kant auf die Geschichte der Philosophie. Das philosophische System von Kant steht dem Objektivismus diametral entgegen, was Ayn Rand zu der, ebenfalls im Lexikon zitierten, Äußerung motiviert haben könnte: "Kant ist der böseste Mann in der Geschichte der Menschheit." Und an anderer Stelle: "Es ist kein Zufall, dass Eichmann Kantianer war." "Böse" ("Evil") war für Rand "alles, was Anti-Leben ist." Diese Definition weicht auffällig von dem ab, was die meisten Menschen unter "böse" verstehen, nämlich die bewußte Entscheidung, etwas zu tun, von dem man weiß, dass es unmoralisch ist. Da das Lexikon recht häufig aus der Rede von John Galt ("Galts Speech") in Atlas Shrugged zitiert, kann der deutschsprachige Leser auch einen gewichtigen Teil der verwendeten Zitate in der deutschen Übersetzung des Romans ("Wer ist John Galt?) nachlesen. Auch der Aufsatz What is Capitalism?, aus dem auch einige Zitate stammen, liegt in einer deutschen Übersetzung vor ("Nutzen und Moral", hrsg. von Gerd-Klaus Kaltenbrunner). Insgesamt läßt sich feststellen, dass das Lexikon ausgesprochen nützlich ist, um sich schnell einen Überblick über die Auffassungen von Rand zu bestimmten Themen zu verschaffen und dass es deshalb in keiner Bibliothek eines Lesers fehlen sollte, der Sympathie oder Interesse für die Philosophie von Ayn Rand aufbringen kann. |
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Labels: Objektivismus
Donnerstag, März 04, 2004
Der Rothbard-Rand-Bruch
In der Geschichte des amerikanischen Radikalliberalismus ist es nur eine Episode, aber eine, an die sich manche Legenden knüpfen, denen man eine Dauerexistenz in den Köpfen der Menschen nicht erlauben sollte. Ich meine die kurze Episode eines intellektuellen Kontaktes zwischen dem Ökonomen Murray Rothbard, dem Vater des modernen Anarcho-Kapitalismus (1926 - 1995) und Ayn Rand, der Begründerin des Objektivismus. Der Initiative für den Kontakt zwischen Rothbard und Rand ging von Rothbard aus, der nach Aussage von George Reisman im Sommer 1954, über drei Jahre vor der Veröffentlichung von Atlas Shrugged, den Namen von Rand bei einem Gruppentreffen erwähnte und ein Treffen mit Rand im Juli des gleichen Jahres arrangieren konnte. Beide traffen sich danach ungefähr fünf oder sechs Mal in einem größeren Kreis. Von diesen Treffen existieren keine Tonbandaufnahmen, sodass man naturgemäss nur noch auf die Äußerungen der Beteiligten zurückgreifen kann. Eine Tonbandaufnahme existiert allerdings von einem Interview, dass Barbara Branden mit Rothbard für ihre Rand-Biographie The Passion of Ayn Rand führte, wo er behauptete, dass er Rand kaum kenne und wenig über sie sagen könne. Was ihn allerdings nicht davon abgehalten hatte, nach dem Abbruch der Kontakte zur Gruppe von Rand über den "totalitären Kult der Randianer" herzuziehen. Nach dem Abbruch der Interaktion zu Rand trennte sich ein Teil der Mitglieder von Rothbards Circle Bastiat von ihrem Vordenker und stieß zur Gruppe von Rand. Über die Ursachen der Trennung existieren höchst unterschiedliche Versionen, auf die im folgenden noch ausführlicher einzugehen sein wird. Andre F. Lichtschlag schreibt in seinem Buch Libertarianism nur recht lapidar, ohne dafür eine Quelle anzugeben: "Rothbard überwirft sich früh mit der privat wenig umgänglichen Ayn Rand und entwickelt ihren Objektivismus als Naturrechtsphilosphie weiter." Noch nebulöser drücken sich Andre F. Lichtschlag und Michael Kastner in der Zeitschrift eigentümlich frei ( Nr. 39) aus: "Zeitweilig gehören Mitglieder der Gruppe (des Circle Bastiat, W. Sch.) auch dem engeren Kreis um die 'Hohepriesterin des Kapitalismus', Ayn Rand, an. Die amerikanische Bestsellerautorin Rand wird die Anarcho-Kapitalisten später als 'hippies of the right' bezeichnen - und meiden." Auch hier kein Hinweis darauf, warum Rand die Anarcho-Kapitalisten, und speziell Rohtbard, "mied", und auch kein Hinweis auf den Frontwechsel, den einige von Rothbards Anhängern nach der Trennung von Rand vollzogen, darunter auch George Reisman und Robert Hessen. Persönliche Antipathien mögen für das Ende der Beziehung zwischen Rand und Rothbard durchaus eine Rolle gespielt haben, denn zumindest für Rand ist bekannt, dass sie sich schon beim ersten Treffen mit Rothbard unbehaglich in dessen Gegenwart fühlte und ihn nicht besonders mochte, was selbst bei einer großen ideologischen Nähe keine gute Basis für ein gedeihliches Zusammenwirken ist. Um einen zeitlichen Rahmen für die Episode abzustecken, sollte man festhalten, dass Rands Atlas Shrugged im Oktober des Jahres 1957 in den USA veröffentlicht wurde und der Kontakt zwischen Rothbard und Rand bereits im Juli 1958 wieder vorüber war. Aus Sicht der Gruppe der Objektivisten lag der Grund den Bruch in Rothbards Plagiat eines ihm vorliegenden Skriptes von Barbara Branden. Dieser Vorwurf wurde ihm in persönlichen Briefen gemacht, auf die Rothbard aber nicht antwortete, sondern die Sache öffentlich machte, indem er weitere Personen in die Kontroverse einbezog, unter anderem auch Ludwig von Mises. Desweiteren fühlte sich Rand durch eine Rand-Parodie beleidigt, die Rothbard mit einigen Freunden während einer Party am 2. März 1958 spontan aufgeführt und auf Tonband aufgenommen hatte. Dass Ayn Rand bei einer Person, die sie ohnehin nicht besonders mochte und nun den Vorwurf des Plagiats und der persönlichen Beleidigung machte, jedweden weiteren Kontakt mied, dürfte auf der Hand liegen. Aus Sicht von Rothbard und seinen Freunden stellte sich die Kontroverse allerdings völlig anders dar. Einer von Rothbards Freunden auf der Rechten, Samuel Francis, schildert dies so: "Murray, einer der führenden marktwirtschaftlichen Ökonomen und liberalen Denker, war lebenslang ein Agnostiker, aber seine Frau, Joey, war und ist eine Christin. Als sie jünger waren, hatten sie etwas zu tun mit Rand und ihrem Kreis von Gläubigen, aber dann fand die Große den Glauben von Joey heraus. Rand gab Joey sechs Monate, um sich in ihre eigenen Wälzer gegen die Religion zu vertiefen. Falls Joey am Ende dieser Periode ihren Glauben aufgegeben hätte, könnten sie und Murray sich einschreiben bei der Quelle Aller Wahrheit Selbst. Wenn nicht, hätte sich Murray von Joey scheiden lassen müssen, oder ansonsten wären sie verbannt worden. Murray sagte Rand richtigerweise, dass sie sich zum Teufel scheren solle (oder Worte mit dieser Wirkung). Er behielt seine Frau, und seine Frau behielt ihren Glauben, und irgendwie schafften sie es, glücklich zu leben, ohne die Unterstützung von Rands Weisheit." Diese Geschichte macht die Runde seit Jahrzehnten und man kann sie überall im Internet so oder so ähnlich nachlesen, und wenn sie tatsächlich stimmen würde, würde sie Rand tatsächlich in ein extrem schlechtes Licht stellen. Rothbard selbst schildert die damaligen Vorgänge in einem Aufsatz für die Zeitschrift Liberty ("My Break with Branden and the Rand Cult") allerdings etwas anders als sein Freund Francis:" Meine Frau Joey war und ist praktizierende Christin. Ich wußte von Anfang an, dass Rand fanatisch antireligiös war, dass Rand Gott weit mehr hasste als sie je den Staat hasste. Also drückte ich es gegenüber Branden bei unserem allerersten Treffen ganz direkt aus: 'Ist es Ihre Meinung, dass ich mich von Joey scheiden lassen sollte, weil sie eine Christin ist?' Nathan antwortete: 'Wie können Sie denken, dass wir solche Monster wären?' Brandens Antwort wiegte mich in einem falschen Gefühl von Sicherheit. Als die Monate sich hinzogen, wurde mir jedoch bewußt, dass, während Branden technisch die Wahrheit gesagt hatte, die randianische Attitüde womöglich sogar noch schlimmer war. Denn ich sollte mich nicht von Joey scheiden lassen, weil sie eine Christin war. Ich sollte mehrere Monate damit verbringen, dass arme Mädchen zu schikanieren, damit sie zum Atheismus konvertiert. Wenn dies scheiterte, sollte ich mich scheiden lassen." In Rothbards Darstellung ist nicht davon die Rede davon, dass die Objektivisten ihm "gesagt" hätten, er solle sich scheiden lassen. Die geforderte Scheidung scheint nur eine Interpretation der Ereignisse durch Rothbard zu sein. Dort wo er den mutmaßlichen Übeltäter Nathaniel Branden wörtlich zitiert, sagt dieser genau das Gegenteil von dem, was Rothbard suggerieren will. Im Gegensatz zu Francis sagt Rothbard auch nicht, dass Rand etwas mit der Sache zu tun habe. Nathaniel Branden bewertet die Aussagen von Rothbard als Lüge: "Die Religion seiner Frau wurde nie von uns diskutiert und war kein Thema. Rothbard hat so viele Lügen über Rand und mich erzählt, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll." Rothbards Bemerkung über den "Hass" von Rand treffen den Kern der Sache auch nicht, denn Rand war in erster Linie pro-Vernunft, ihre Einstellung gegenüber der Religion war davon nur abgeleitet ("Ich kämpfe für die Vernunft, nicht gegen die Religion." Ayn Rand, Letters of Ayn Rand, 20. März 1965). Auch dürfte sich Rand kaum einem Hass auf Gott hingegeben haben, da dieser nach ihrer Ansicht doch überhaupt nicht existierte. Nathaniel Branden weist in seinem Booknotes-Interview darauf hin, dass die damaligen Objektivisten keine Militanten bei diesem Thema gewesen wären: "Wir waren einfach Nicht-Gläubige." Obwohl Rothbard davon ausging, dass Rand und ihre Anhänger "fanatisch antireligiös" wären, bringt er das Thema Religion in einer provokativen Weise zur Sprache. Man kann annehmen, dass Rothbard sich durchaus darüber im klaren war, dass seine philosophische Position mit derjenigen der Objektivisten nicht kompatibel war. Rothbards Agnostizismus war für die Objektivisten keineswegs akzeptabler als eine theistische Position. Nathaniel Branden nennt die agnostische Position in einem Aufsatz aus dem Jahr 1963 "die am wenigsten haltbare" Position in Bezug auf die Existenz Gottes: "Der Theist glaubt an die Existenz Gottes - ohne Grund. Der Agnostiker glaubt an die Möglichkeit der Existenz Gottes - ohne Grund. Aber der Theist, der seine Überzeugung ganz offen auf den Glauben stützt, ist in einer Hinsicht näher an der Realität: Er gibt nicht vor, rational zu sein." Rothbard konnte im Laufe der Gespräche mit den Objektivisten nicht verborgen geblieben sein, dass hier eine Gruppe mit einer kohärenten Philosophie und einem großen Sendungsbewußtsein existierte, die keineswegs bereit war, sich durch Personen von außen in Frage stellen zu lassen. Rothbard stand vor der Alternative, sich entweder durch die Objektivisten überzeugen zu lassen, wie es Reisman oder Hessen aus seinem ursprünglichen Kreis taten, oder zu verschwinden. Rothbard wollte verschwinden, aber nicht ohne vorher provoziert zu haben. Vor der gleichen Alternative stand auch Alan Greenspan, der spätere Chef der amerikanischen Federal Reserve. Rand mochte auch ihn nicht und bewertete seine philosophischen Ansichten als irrational. Greenspan ließ sich allerdings durch Gespräche mit Nathaniel Branden überzeugen, und blieb der Gruppe um Rand erhalten. Obwohl bestimmte harte Fakten der damaligen Ereignisse, wie zum Beispiel Tonbandaufnahmen, nicht vorliegen, deutet alles darauf hin, dass Rothbard die Vorkommnisse zu seinen Gunsten verdrehte. Er hatte ein Motiv die Sache anders darzustellen als sie tatsächlich war, denn der Plagiatsvorwurf lastete schwer auf ihm, außerdem hatte er Anhänger seines Circle Bastiat an Rand verloren. Es ist auch kaum anzunehmen, dass diese Personen sich auf die Seite von Rand geschlagen hätten, wenn Rothbards Vorwürfe irgendwie zutreffend gewesen wären. Teilnehmer der damaligen Gespräche zwischen Rand und Rothbard sagen auch aus, dass über die Religion von Rothbards Ehefrau niemals gesprochen worden sei. Briefe aus der damaligen Zeit, die erhalten geblieben sind, zeigen auch, dass das Thema "Plagiat" tatsächlich diskutiert wurde, was Rothbard auch selber einräumt. Der Bruch zwischen Rand und Rothbard ist insofern typisch für das politische Leben des Murray Rothbard, als dieser zwar seinen politischen Grundsätzen im Verlauf seines Lebens recht treu blieb, aber bei seinen Bündnispartnern keine Kontinuität wahrte. Als relativ neutraler Zeuge der Rand-Rothbard-Fehde kann noch Roy Childs herangezogen werden, der sowohl mit Rothbard als auch mit Branden befreundet war und während der meisten Zeit seines intellektuellen Lebens Rothbards Anarchismus nahe stand. Childs glaubte, dass die Hauptpunkte der Kontroverse der Plagiatsvorwurf gegen Rothbard und die Lächerlichmachung durch die Rand-Parodie waren. Niemals erwähnte er die Religion von Joey Rothbard als Grund für die sog. Exkommunikation von Murray Rothbard. Literatur: Jim Peron: Is Objectivism a Cult? - Part 2, Rothbard Unmasked G. Stolyarov II: A Critique of Murray Rothbard's "Sociology of the Ayn Rand Cult" Murray Rothbard: The Sociology of the Ayn Rand Cult George Reisman: On Meeting Rand, aus: Capitalism: A Treatise on Economics Die Position zugunsten von Rothbard nimmt Joseph R. Stromberg ein: Joseph R. Stromberg: Rand vs. Rothbard |
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Sonntag, Februar 01, 2004
Wohlwollen oder Altruismus - Grundzüge der objektivistischen Ethik
Ayn Rands leidenschaftliches Eintreten für einen rationalen Egoismus und ihre Ablehnung des Altruismus wird selbst von wohlwollenden Autoren immer wieder in den Geruch der Gleichgültigkeit und Hartherzigkeit gegenüber anderen Menschen gebracht. So lautet der Titel eines Artikels von Horst Ilmer in der Zeitschrift "phantastisch!": "Ayn Rand oder Was kümmert mich mein Nachbar?". Obwohl man dem Autoren nicht verwerfen kann, er kenne Rands Romane nicht, gibt er bezeichnenderweise keine Beispiele zur Untermauerung dieser Behauptung an. Und Jens P. Meiners schreibt in seinem Aufsatz "Ayn Rand - die Hohepriesterin des Kapitalismus": "Die vom Christentum postulierte moralische Verpflichtung, anderen zu helfen, lehnt sie prinzipiell ab - mit Ausnahme engster familiärer Beziehungen: Eltern übernehmen mit der Geburt ihres Kindes eine Fürsorgepflicht - als Konsequenz einer selbstbestimmten Handlung." |
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