Montag, August 29, 2005

Bowden verteidigt Christoph Kolumbus

Im einem Interview mit der Zeitschrift Insight verteidigt Thomas Bowden die Thesen seines Buches The Enemies of Christopher Columbus.

Wie kann man den Westen verteidigen, wie Sie es in Ihrem Buch tun, und behaupten, dass seine Traditionen und seine Zivilisation überlegen sind?

Unser zentrale Wert ist die Vernunft. Die Westliche Zivilisation ist die Kultur, die sich am meisten mit den Naturgesetzen, den Methoden der Wissenschaft, der religiösen Toleranz und der Anwendung der Vernunft auf das Leben beschäftigt. Dies kann nicht oft genug gesagt werden.
Die Westliche Zivilisation zu verteidigen, bedeutet nicht, die 'Überlegenheit' des weißen Mannes zu verteidigen. Dass andere Völker die Anwendung der Vernunft auf das Leben noch nicht entwickelt hatten, bedeutet nicht, dass sie in irgendeiner Weise minderwertig wären. Es bedeutet, dass sie noch nicht erreicht hatten, was die Europäer in Jahrhunderten erreicht hatten. Die Indianer hätten dies auch für sich allein entwickeln können, aber sie taten dies nicht. Es gibt keine rassische Minderwertigkeit, die besagt, dass sie es nicht hätten tun können. Ich weise immer wieder darauf hin, dass es keine Schande ist, 'Wilde' als Vorfahren zu haben, weil jeder, der heute auf der Welt lebt, Vorfahren hat, die in der Tat Wilde waren.

Eines von den vielen Dingen, die die Feinde von Kolumbus ihm verwerfen, ist, dass er ein Paradies vorfand, welches er in eine Hölle verwandelte.

Ein Großteil des Problems besteht daraus, dass der moderne Mensch keine Vorstellung davon hat, wie Amerika in der Zeit vor Kolumbus aussah. Sie neigen dazu, sich die Wildnis der damaligen Zeit so vorzustellen wie die Wildnis auf einem Campingausflug heute - mit dem Geländewagen in die Berge, und da ist sie.
Aber das sogenannte Paradies, was wir verloren haben, gleicht sehr viel mehr der Steinzeit als irgendetwas anderem, was wir uns vorstellen können. Die Männer und Frauen lebten in fortgesetzter Panik, weil sie die Naturgesetze noch nicht verstanden hatten. Sie wußten nicht, wie man mit der Natur umgehen sollte. Sie erfanden zahllose Riten, um die Naturkräfte zu beschwichtigen, die sie nicht verstanden, und exotische Geschichten, um eine Welt zu erklären, die ansonsten für sie unverständlich gewesen wäre.
Es ist schwierig für einen modernen Menschen, zu begreifen, wie unangenehm primitiv der Mensch in der Welt lebte, die er bevölkerte. Der moderne Mensch hat ein Verständnis für die Kräfte der Natur, die ihn umgeben, und er kann Kontrolle über sie ausüben in einem Ausmaße, das primitive Menschen nicht einmal verstehen würden.

Aber was ist mit der Behandlung der Indianer in Amerika durch die Europäer? Beweist dies nicht, dass die Westliche Zivilisation korrupt und brutal war?

Es gab Europäer, die zivilisierte Maßstäbe bei dem Umgang mit den Indianern aufgaben. Das Problem war nicht, dass diese Europäer zuviel Zivilisation hatten. Das Problem war, dass sie zuwenig davon hatten. Es ist wahr, dass viele christliche Europäer die Indianer brutal behandelten. Aber es ist auch wahr, dass die Europäer die Indianer nicht anders behandelten als sie einander behandelten. Denken Sie an die endlosen Kriege der Europäer. Und es ist wahr, dass die Europäer die Indianer auf eine Art behandelten wie die indianischen Stämme es untereinander taten.

Stolyarov über Hoppe

Für mich wenig überraschend hat G. Stolyarov das Buch Demokratie. Der Gott, der keiner ist von Hans-Hermann Hoppe in einem Beitrag für sein Internet-Magazin The Rational Argumentator recht positiv bewertet. Zusammenfassend kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass "Objektivisten, Konservative und Liberale aller Schattierungen" viel von diesem Buch lernen könnten. Ausdrücklich weist der Autor allerdings den Anarchismus Hoppes zurück, wobei man sicherlich die Frage aufwerfen könnte, ob Hoppes Anarchismus nicht weitaus schlimmer ist als die von ihm so heftig kritisierten demokratischen Systeme. Auffällig ist natürlich, dass G. Stolyarov Hoppes Buch viel positiver sieht als viele deutsche Anarcho-Kapitalisten. So schreibt etwa der Anarcho-Kapitalist Stefan Blankertz in der Zeitschrift eigentümlich frei: "Hoppes Fehler besteht in dem, was ich 'totalitäre Inhaltlichkeit' nenne: Man will ein bestimmtes gesellschaftlich-kollektives Ergebnis und tut alles, um dieses Ergebnis herbeizuführen, setzt zur Not auch Gewalt ein. Das ist der Weg der Kommunisten und Faschisten ebenso wie der Demokraten. Die libertäre Gesellschaft ist nicht durch das Ergebnis definiert, sondern durch den Prozess, der zu einem Ergebnis führt: Es ist der Prozess der auf Eigentum basierenden Freiwilligkeit." Während man Hoppe sicherlich positiv anrechnen muss, dass er überhaupt über Werte redet, so muss ein Objektivist doch fragen, ob Hoppes "konservative Werte" überhaupt rational begründet werden können und ob er nicht doch latent autoritäre Vorstellungen hat in Sinne eines "Konservative Werte über alles." Auch stellt sich für mich die Frage, ob eine freie Gesellschaft tatsächlich "automatisch" Hoppes konservativen Wertvorstellungen entspricht, denn schließlich dürfte es doch so sein, dass die USA im 19. Jahrhundert zwar kapitalistischer waren als heute, aber eben auch rassistischer. Auch die puritanische Sexualmoral des 19. Jahrhundert ist für Objektivisten keine Alternative zur hedonistischen Beliebigkeit, die sich im Zuge der Kulturrevolution der sechziger Jahre überall in den westlichen Nationen verbreitet hat. Übrigens fällt auf, dass G. Stolyarov offenbar eine private Rechtschreibreform der englischen Sprache durchgeführt hat: Er schreibt "triumf" statt "triumph".

Donnerstag, August 25, 2005

Wo Atlas und Jesus sich treffen

Im Internet kann man die Seite eines seltsamen Atlas Institute Europe besichtigen. Die Seite, die ohnehin schon merkwürdig unstrukturiert ist, bietet dem Interessierten dennoch einige interessante Einsichten in gewisse Ver(w)irrungen, welche die sog. "Neo-Objektivisten" beizeiten befallen. Unter der Kategorie "CrossPhilo" findet sich - als ein Beispiel für einige weitere Erstaunlichkeiten, die sich auf der Seite so finden lassen - der Artikel Die Zukunft des Objektivismus des Institutsgründers Andreas W. Tauber. Ich zitiere drei - für einen angeblichen Objektivisten - besonders bemerkenswerte Stellen:

Darauf zu bestehen, dass Rechte sich nur auf das Leben, die Freiheit und das Eigentum beziehen ist reaktionär, regressiv, doktrinär und im höchsten Masse einer objektivistischen Orthodoxie verschrieben.

Nachdem man den hysterischen Anfall im zweiten Teil des Satzes verdaut hat, kann man schlicht und ergreifend die Frage stellen: Worauf sollen sich Rechte sonst beziehen? Soziale Gerechtigkeit? Arbeitsplätze? Recht auf Versklavung der Mitmenschen? Herr Tauber bleibt uns leider die Antwort schuldig.
Aber es geht ja noch weiter:

Warum in aller Welt sollte man darauf bestehen, dass der Begriff des Objektivismus sich ausschliesslich durch die Zuhilfenahme von Ayn Rands Werken definieren lässt? Worum sollte Objektivismus nicht das bedeuten, was ein Individuum dem Begriff an Bedeutung zuschreibt?


Weil "Objektivismus" diejenige Bezeichnung ist, die Ayn Rand ihrem spezifischen Beitrag zum Gebiet der Philosophie gegeben hat und weil Begriffe nun einmal nicht arbiträr sind, sondern objektiv. Anscheinend hat Herr Tauber sich nicht ausführlich genug mit der Erkenntnistheorie Ayn Rands befasst, sonst wüsste er, dass man nun mal nicht Kapitalismus sagen kann, wenn man Sozialismus meint.
Und als letzte Zumutung:

Als weitere objektivistische Entwicklungsform gibt es den integrierten Objektivismus, der sich durch seinen Synkretismus auszeichnet. [...] Ein Beispiel hierfür ist der christliche Objektivismus, der versucht, christliche und objektivistische Wertevorstellungen in Einklang zu bringen. [...] Während der Objektivismus die philosophische Basis bildet, wird das christliche Wertesystem diesem untergordnet. Nicht der Widerspruch beider philosophischer Systeme wird betrachtet, sondern die Kompatibilität christlicher Werten auf einem objektivistischen Fundament.

Wie aber soll es Kompatibilität oder gar Einklang zwischen einer Weltanschauung des Mystizismus und Altruismus (und, wenn man die Kirchen betrachtet, auch übelsten Kollektivismus) und einer Philosophie der Vernunft, des rationalen Eigeninteresses und des Individualismus geben? Ein "christlicher Objektivismus" wäre ein gleich dreifacher Verstoß gegen das Identitätsaxiom: Denn erstens sind Christentum und Objektivismus philosophisch inkompatibel, zweitens gibt es keinen Gott, und drittens wird auch der Wunsch Herrn Taubers, es möge doch anders sein, daran nichts ändern.

Fazit: Das sog. "Atlas Institute Europe" und sein Gründer unterliegen einigen schweren philosophischen Irrtümern und sind in keinem Fall als verlässliche oder gar seriöse Quelle in Punkto Objektivismus zu betrachten. Es ist allerdings ausgesprochen ärgerlich, dass sich immer wieder Menschen als "Objektivisten" bezeichnen, die eigentlich gar keine sind und nur dazu beitragen, dass Rands Position sich in verfälschter und verzerrter Weise verbreitet.

Quelle: Heroic Dreams

Samstag, August 20, 2005

Werner Habermehls fundamentale Unkenntnis

Deutschland muss wohl einen akuten Mangel an Ayn-Rand-Experten aufweisen, wenn ein Magazin für ein Interview zum 100. Geburtstag der Philosophin und Schriftstellerin auf einen Komiker wie Werner Habermehl zurückgreifen muss, seines Zeichens Herausgeber der deutschen Übersetzungen der Romane von Ayn Rand. Habermehl erläutert in dem Interview mit der Zeitschrift eigentümlich frei Rands Einstellung zu dem Philosophen Immanuel Kant folgendermaßen: "Ayn Rand hatte etwas gegen den zwergwüchsigen Krüppel aus Königsberg. Und er war ja auch ein komischer Kauz. Schreiben konnte er auch nicht. Aber seine Philosophie unterscheidet sich doch höchstens durch die Wortwahl von der Ayn Rands." Herr Habermehl, für diese Äußerungen wäre Ihnen Frau Rand wohl an die Gurgel gesprungen. Ayn Rand verabscheute den Philosophen aus Königsberg: "Kant ist der böseste Mensch in der Geschichte der Menschheit." Rand erläuterte ausführlich quer durch alle Zweige der Philosophie, was ihre Philosophie von der Kants unterschied, und kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass ihr Objektivismus das "exakte Gegenteil" zu der Philosophie Kants bildet. Werner Habermehls Äußerungen sind somit reine Produkte seiner Phantasie.

Der Objektivismus als atheistische Philosophie

Der Objektivismus ist ohne Zweifel eine atheistische Philosophie, der die Existenz aller übernatürlichen Reiche (Himmel, Hölle, Fegefeuer), Ereignisse (Wunder, Reinkarnationen, Auferstehungen) oder Wesen (Geister, Einhörner, unsichtbar pinkfarbene Elefanten) verwirft. Was ist das Übernatürliche?: Das Übernatürliche ist das, was die Natur transzendiert. Es kann also so etwas wie einen "christlichen Objektivisten" nicht geben, d. h. niemand kann sich Objektivist nennen und gleichzeitig an die oben genannten Phänomene glauben. In diesem Sinne ist der Atheismus des Objektivismus "nicht verhandelbar". Wer sich als religiös definiert und Teile des Objektivismus für richtig hält, kann dies tun, solange er nicht behauptet, er wäre Objektivist. Ein Mystiker kann also an jedes übernatürliche Phänomen glauben, an das er glaubt, glauben zu müssen: kein Objektivist wird ihm das Recht absprechen, dies zu tun, aber kein Objektivist wird sich auf "Verhandlungen" darüber einlassen können, dies in den Objektivismus einzubeziehen.

Donnerstag, August 18, 2005

Die "verlorenen" Teile von Ayn Rands Playboy-Interview

Ayn Rands Interview mit der Zeitschrift Playboy (hier) aus dem März 1964 stellt immer noch eine der besten Zusammenfassungen der Philosophie des Objektivismus bis zum heutigen Tag dar. Der Playboy erschien seinerzeit in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren und konnte damit Rands Thesen einem breiten Publikum zugänglich machen. Einer von denen, der durch dieses Interview Ayn Rand entdeckte, war der damals 16jährige Don Hauptmann: "Wie so viele Objektivisten sagen, mein Leben wurde verändert." Fast vierzig Jahre später war es dieser Don Hauptmann, der bei Christie's die Dokumente um dieses Interview anläßlich der Feiern zum 50jährigen Bestehen der Zeitschrift ersteigern konnte. Er berichtet über diese Hinterlassenschaften in der neuesten Ausgabe des objektivistischen Zeitschrift Navigator. Auf den Originalabschriften des Interviews finden sich zahlreiche handgeschriebene Anmerkungen von Rand, der insgesamt mindestens drei Versionen des Interviews vorgelegt wurden. Rand änderte nicht nur ihre Antworten, sondern zum Teil auch die Fragen ihres Gesprächspartners Alvin Toffler. So gefiel ihr die mehrfach von Toffler verwendete Ausdrucksweise "Do you feel ...?" nicht, da ihr bekanntermaßen eine emotionale Terminologie zur Beschreibung kognitiver Aktivitäten mißfiel. Rand konnte sich allen Änderungwünschen gegenüber der Redaktion durchsetzen und war ausgesprochen zufrieden mit dem schließlich veröffentlichtem Endresultat. Don Hauptmann veröffentlicht in seinem Aufsatz erstmalig Teile der nicht veröffentlichten Passagen des Interview.
Er weist aber darauf hin, dass die gestrichenen Passagen keine Geheimnisse über Rand enthüllen, es gebe keine Bekenntnisse zu Kant oder Kandinsky. Rands Antworten würden aber Ansichten zu Themen zeigen, die sie sonst nirgendwo angesprochen hat.
Zu Beginn des Interviews spricht der Interviewer das Thema einer Antipathie gegenüber Ideologien an sich an, weil sie Intoleranz und Fanatismus ermutigen könnten. Rand kontert mit dem alles entscheidenden Hinweis auf die Art der Philosophie, auf die es ankomme: "Es ist Irrationalität, die zu Fanatismus führt und Inkonsistenz, die zu Destruktion führt. Der Mensch kann der Tatsache nicht entgehen, dass er eine Philosophie braucht. Die einzige Frage ist: Welche Art von Philosophie? Wenn ein Mensch konsistent an Produktion glaubt und ein anderer Mensch glaubt konsistent an Raub, dann wird die Natur dieser Konsistenz und werden ihre Konsequenzen nicht die gleichen sein. Die Gräueltaten, die Sie erwähnten, werden von Philosophie verursacht - von der falschen Art von Philosophie. Sie werden verursacht durch den Einfluss von dem, was ich die platonistische Denkschule nenne."

Toffler provoziert Rand dann mit der Frage, warum eine Mutter ihr Kind lieben solle, das doch noch viel zu jung sei, um diese Liebe verdient zu haben und Rand habe doch in Atlas Shrugged behauptet, dass niemand Unverdientes fordern oder gewähren sollte. Die nachfolgende Antwort wird von Rand allerdings gestrichen, weil sie bemerkt haben könnte, dass ihre Antwort nicht vollständig gewesen ist: "Sie meinen dies nicht wirklich als ernsthafte Frage? Zunächst einmal: Wenn eine Mutter ein verantwortliches, rationales Wesen ist, hat sie kein Kind aus Versehen, sondern durch ihre Entscheidung. Ein Kind hat einen Wert für sie, einfach deshalb, weil es ein menschliches Wesen ist, dass -wenigstens physisch- durch sie geschaffen wurde. Die Eltern des Kindes schulden ihm Unterstützung bis zur Volljährigkeit mit 21, also bis zu dem Zeitpunkt, wo es sich selbst helfen kann. Dies ist eine gewählte Verpflichtung, die rationale Eltern akzeptieren, wenn sie die Entscheidung treffen, ein Kind zu haben. Sie müssen die Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidung akzeptieren. Aber müssen sie das Kind lieben? Nein, nicht notwendigerweise. Dies hängt von der Bewertung seines Charakters ab im Verlauf des Erwachsenwerdens. Es muss ihre Liebe verdienen - wie sie seine verdienen müssen."

In der Diskussion über Sex und Hedonismus fragt Toffler nach der Immoralität von Spielen oder Trinken, worauf Rand so antwortet: "Zunächst einmal gehören Spielen und Trinken nicht in die gleiche Kategorie wie Sex. Trinken an sich ist nicht unmoralisch, es sei denn eine Person ist ein Säufer. Sich nur einen Drink zu genehmigen, ist kaum eine moralische Frage. Es wird nur dann unmoralisch, wenn ein Mensch sich bis zu dem Punkt trinkt, wo er seinen Verstand erstickt und hemmt. Was das Spielen angeht, ich würde nicht sagen, dass eine Person die gelegentlich spielt, unmoralisch ist. Aber wenn das Spielen mehr wird als ein zwangloses Spiel, dann ist es unmoralisch aufgrund der motivierenden Prämisse für das Spielen. Die Leidenschaft für das Spielen ergibt sich aus der Überzeugung eines Menschen, dass er keine Kontrolle über sein Leben hat, dass er kontrolliert wird vom Schicksal, und deshalb möchte er sich vergewissern, dass das Schicksal oder das Glück auf seiner Seite sind."

Rand streicht auch den ursprünglichen Hinweis, dass sie antikommunistisch sei und ersetzt ihn durch die Bemerkung, dass sie ihre Position niemals in negativen Begriffen beschreibe.
Auch eine der Bildunterschriften gefällt ihr nicht und sie wählt folgendes Zitat aus ihrem Interview: "Der Kollektivismus als intellektuelle Kraft und moralische Idee ist tot. Aber Freiheit und Individualismus, und ihr politischer Ausdruck, Kapitalismus, sind noch nicht entdeckt worden." Auch vierzig Jahre nach dem diese Worte gesprochen wurden, noch unverändert aktuell.

Montag, August 08, 2005

Der Staat ist nicht inhärent böse

Anarcho-Kapitalisten sind das Spiegelbild von Pazifisten, die entdecken, dass mit Messern und Schusswaffen schreckliche Dinge getan werden. Sie entwickeln daraus die Überzeugung, dass wir in einer wunderbaren Welt leben würden, wenn nur diese Werkzeuge des Grauens von dieser Welt verbannt werden könnten. Sie übersehen, dass Messer und Schusswaffen nicht nur für schreckliche Dinge eingesetzt werden können, sondern auch dafür, schreckliche Dinge zu verhindern, sie ignorieren somit, dass nicht die Waffen an sich böse sind, sondern die Menschen böse sind, die sie für böse Zwecke einsetzen. Ebenso ist die Institution Staat nur ein Werkzeug zur Erreichung bestimmter Zwecke. Diese Zwecke können moralisch oder unmoralisch sein. Ein Staat, der Mörder nach einem rechtsstaatlichen Verfahren ins Gefängnis wirft, handelt moralisch. Ein Staat, der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion in ein Arbeitslager wirft, handelt unmoralisch. Es sind die Menschen, die über den Staat verfügen, die aus ihm ein Werkzeug des Lebens oder ein Werkzeug des Todes machen. Die Struktur eines begrenzenten Staates führt nicht inhärent in die Katastrophe, ebensowenig wie irgendetwas Inhärentes in Waffen in die Katastrophe führt. Ebensowenig ist das Argument tragfähig, dass der Staat sich unmoralisch mit Steuern finanziert. Er tut es zweifellos, aber dies macht die legitimen Funktionen des Staates nicht unmoralisch. Kein vernünftiger Mensch würde ernsthaft verlangen, dass alle verurteilten Verbrecher freigelassen werden, weil der Staat ihre Unterbringung mit Steuergeldern sicherstellt. Auch die Kriegführung eines Staates beurteilt sich ausschließlich danach, ob er der Verteidigung der Freiheit dient oder nicht. Die Finanzierung der legitimen Staatsfunktionen durch andere Mittel als Steuern ist nur im Rahmen eines vollständig freien Regimes möglich. Dies ist eine langfristige Aufgabe, die aber nicht dazu führen kann, dass wir heute notwendigen Staatsfunktionen eine ausreichende Finanzierung verweigern.

Sonntag, August 07, 2005

Tierquälerei

Diana Mertz Hsieh schreibt derzeit an einer Abhandlung über (genauer gesagt: gegen) "Tierrechte" und und als eine der schwierigsten Fragen bei diesem Thema sieht sie die Frage eines rechtlichen Schutzes durch Gesetze gegen Tierquälerei an. Und das Ergebnis ihres Denkprozesses steht durchaus noch nicht zur Gänze fest, wie sie selbst einräumt. Für Tiere, die zu kommerziellen Zwecken gehalten werden, sieht sie marktwirtschaftliche Mechanismen als ausreichenden Schutz an. Bei Tieren, die aus nicht-kommerziellen Gründen gehalten werden, sei Vernachlässigung dieser Tiere auch kein großes Problem, da die Besitzer der Tiere bereit wären, diese abzugeben, wenn sie von potentiellen Interessenten angesprochen würden. Eine ganz andere Geschichte seien jedoch sadistische Tierquäler, die die Tiere behalten wollen, um sie weiterhin zu quälen: "Vielleicht die einzige zutreffende Begründung für Gesetze gegen Tierquälerei ist, dass solch ein sadistisches Verhalten gegenüber Tieren enthüllt, dass solch eine Person psychisch und moralisch schwer gestört ist, bis zu dem Punkt, wo derjenige eine reale Gefahr für das menschliche Leben darstellt." Die gleiche Motivationslage, fügt sie an, die einen Mensch dazu bringe, einen Hund sinnlos für eine Gehorsamsverweigerung zu schlagen, treibe ihn dazu, schwächere Menschen, besonders Frauen und Kinder, zu verprügeln. Diese Enthüllung einer fundamentalen Gefährlichkeit eines Menschen könnte dazu führen, dass eine weitere Überprüfung dieser Person und "vielleicht sogar eine zwangsweise psychologische Behandlung" gerechtfertigt sei, schreibt die Autorin in ihrer vorläufigen Einschätzung dieses Problems. Dieses Argument sei die einzige potentielle Begründung für Gesetze gegen Tierquälerei, fügt sie an.

Freitag, August 05, 2005

Nathaniel Branden gegen den Objektivismus

Die Zeitschrift Free Radical hat in ihrer Ausgabe Oktober/November 2004 ein längeres Interview mit Nathaniel Branden (Part 1, Part 2, Part 3, Part 4). Branden empfiehlt in dem Interview die Bücher Anti-Americanism von Jean Francois Revel und Liberalism and Terrorism von Paul Berman. Politisch hat er sich auch von Ayn Rand entfernt, denn Branden unterstützt die Auffassung, dass es der "primäre" Zweck der Staates sein sollte, die Individualrechte zu verteidigen, nicht der "ausschließliche". Er möchte die Tür offen lassen für Notfallsituationen, wo Probleme auftreten können, auf die Markt nicht schnell genug reagieren könne. Der Unterschied zu Rands Position sei aber gering. Diana Mertz Hsieh hat auf ihrem Blog Noodle Food einige längere, lesenswerte Bemerkungen zu diesem Interview gemacht.

Mittwoch, August 03, 2005

Wozu Philosophie?

In The Romantic Manifesto macht Rand die Bedeutung einer richtigen Philosophie für das Leben auf der Erde deutlich: "Um zu leben, muss der Mensch handeln. Um zu handeln, muss er Entscheidungen treffen. Um Entscheidungen zu treffen, muss er einen Wertekodex definieren. Um einen Wertekodex zu definieren, muss er wissen, was er ist und wo er ist, d. h. er muss seine eigene Natur kennen (einschließlich der Mittel der Erkenntnis) und die Natur des Universums, in dem er handelt - d. h. er braucht Metaphysik, Epistemologie, Ethik, was bedeutet: Philosophie." Rand sah es als ihre "große Aufgabe" an, die Bedeutung der Vernunft im Denken des Westens wieder zu etablieren. Sie nannte ihre neue, radikale Philosophie "Objektivismus", abgeleitet von ihrer Theorie der Objektivität: "Objektivität ist sowohl ein metaphysischer wie auch ein epistemologischer Begriff. Er gehört zu der Beziehung des Bewusstseins zur Existenz. Metaphysisch ist er die Anerkennung der Tatsache, dass die Realität unabhängig von dem Bewusstsein des Wahrnehmenden existiert. Epistemologisch ist er die Anerkennung der Tatsache, dass das Bewusstsein des Wahrnehmenden (des Menschen) Wissen von der Realität durch bestimmte Mittel (Vernunft) in Übereinstimmung mit bestimmten Regeln (Logik) erwerben muss." Der Objektivismus, erklärte sie in der Los Angeles Times 1962, befürworte Realität, Vernunft, Selbstinteresse und Kapitalismus. Integraler Bestandteil ihrer Philosophie ist auch eine Theorie der Ästhetik, der sie den Namen "romantischer Realismus" gab. Kunst sei eine Konkretisierung "metaphysischer Abstraktionen", schrieb sie. In ihre ästhetische Theorie spiegelt sich auch in ihrer Einschätzung von Atlas Shrugged wider, den sie als ihren "idealen Roman" bezeichnete, weil er "komplett abgetrennt ist von jeder journalistischen Realität." Diese Qualität wies The Fountainhead nicht auf: "Rands ultimatives Ziel als Autorin fiktiver Literatur war es, eine Welt vollständig zu erfinden, unter Aufgabe jeder Anspielung auf tatsächliche Personen oder Ereignisse, und somit war 'The Fountainhead' nicht ihr 'idealer Roman'."

Spekulative Gedanken zu Robbins Power-Prinzip

In manchen Kreisen sind die Bücher von Anthony Robbins ("Das Power-Prinzip" , "Unlimited Power") sehr beliebt. Ich bin noch nicht weit mit dem Lesen gekommen, aber eines ist mir schon aufgefallen: dass die Grundprinzipien, auf denen Robbins Ideen beruhen, wie auch generell die Grundansätze der NLP, fehlerhaft sind, weil sie auf einer kantianischen Epistemologie beruhen. Man liest z.B. Sätze wie: "Keiner kann wissen, wie die Realität wirklich ist." Robbins spricht vom "sich belügen", und meint, dass man sich nur auf die positiven Aspekte konzentrieren soll. Er spricht von "Glaubenssystemen", die man so anpassen soll, dass die Zielerreichung eben am besten funktioniert. Ob das Glaubenssystem mit der Realität übereinstimmt, spielt keine Rolle. Befürwortet wird purer prinzipienloser Pragmatismus. Zusätzlich fällt die Moral völlig unter den Tisch. Es wird weder danach gefragt, ob das Ziel ein rationales Ziel ist, noch danach, ob die Mittel und der Weg dorthin richtig sind.

Aber selbst das Menschenbild, mit dem Robbins arbeitet ist fehlerhaft. Wenn man seine Wirkungskette betrachtet, dann führt das Denken zu [Gefühls-]Zuständen (stimme ich noch zu) und die Zustände dann zum Handeln. Wobei für Robbins die Zustände eindeutig Gefühlszustände sind. Er spricht z.B. vom Zustand der Liebe. Dass das Handeln nur von den Gefühlszuständen abhängt, mag für rein emotionsgetriebene Menschen richtig sein, für den rationalen Menschen, der seine Gefühle seinem Verstand unterordnet, kann das aber nicht das richtige Modell sein. Ein rationaler Mensch kann eine Handlung gegen seine Gefühle vornehmen. Eine Möglichkeit, für die es in Robbins Diagrammen keinen Wirkungspfeil gibt.

Zudem kann Robbins Modell für einen emotional getriebenen Menschen, der sich in einer depressiven Situation befindet zu einem Teufelskreis werden: laut Robbins kann jemand sein Verhalten nur ändern, wenn er seinen [Gefühls-] Zustand ändert. Falls er wartet, bis sich sein Gefühlszustand von alleine ändert, ehe er sein Verhalten ändern will, kann es sein, dass das nie eintritt. Warum sollte sich sein Gefühlszustand von alleine ändern ? Die Wahrscheinlichkeit aber, dass die Beibehaltung des bisherigen Verhaltens den Gefühlszustand eher noch verschlimmert, ist recht hoch. Der einzige Ausweg wäre, das Denken zu ändern, d.h. z.B. die eigenen Werturteile und Einschätzungen zu überprüfen und zu ändern (siehe Julian Simon: "Good Mood", recht nett geschrieben). Das Denken zu ändern, ist auch nach Robbins Modell möglich. Und auf diese Erklärung warte ich noch im Rest des Buches. ( Eine weitere Möglichkeit laut Robbins ist die Änderung des Zustandes durch physiologische Faktoren, die meiner Meinung nach aber überbewertet ist ). Eine weitaus schnellere Möglichkeit besteht meiner Meinung nach im Versuch, das Denken zu ändern, und selbst dann mit einer Änderung des Verhaltens zu beginnen, wenn der depressive Zustand noch nicht verlassen ist, d.h. eine zeitlang explizit gegen die eigenen Emotionen zu handeln ! Das kann dann schneller zu positiven Ergebnissen führen, die dann auch eine Chance zum Entkommen aus dem depressiven Zustand ermöglichen.

Quelle: tomathome.Blogspot

Kontra Anarchismus

Im Jahr 1994 hat Robert Bidinotto eine längere Abhandlung unter dem Titel The Contradiction in Anarchism verfaßt, an der sich an der sich immer wieder Anarcho-Kapitalisten reiben, so auch Prof. Roderick Long in seiner Erwiderung Anarchism as Constitutionalism: A Reply to Bidinotto. Bidinotto sieht den Hang zum Anarchismus in gewissen intellektuellen Kreisen mit Erstaunen: "Es erstaunt mich immer wieder, dass eine kleine Zahl von gebildeten Typen Opfer der theoretischen Verlockungen des Anarchismus werden kann. Diese Tendenz ist unbekannt bei den meisten gewöhnlichen Leuten, die weder die Zeit noch die Neigung haben, in theoretischen Perversionen zu schwelgen."

In einem Brief an Prof. Long beharrt Bidinotto auf seinen damals geäußerten Ansichten und weist besonders auf das Problem eines fehlenden finalen Schiedsrichters hin: "Es gibt einfach keine Möglichkeit für ein freiwilliges Rechtssystem, irgendein Gesetz durchzusetzen (oder eine Interpretation davon), nicht einmal gegenüber einem einzigen einsamen Andersdenkenden, und weiterhin der anarchistischen Prämisse einer unbegrenzten persönlichen Souveränität zu entsprechen." Bidinotto verweist etwa auf das Problem der Abtreibung, wo es Menschen gibt, die dies als Mord ansehen, und manche wünschen sogar die entsprechenden Strafen dafür. Ein anarchistisches System hat keine Möglichkeiten, sich aus diesem Dilemma zu befreien. "Der Markt" kann nicht darüber entscheiden, ob Abtreibung eine Frage der privaten Moral ist oder ob dies mit Gefängnis oder noch schlimmeren Strafen bedroht werden sollte.

In einer Replik erklärt Roderick Long Bidinottos Analyse zu einem Missverständnis: "Bidinotto glaubt offenbar, dass unter einem Markt-Anarchismus niemand einem juristischen Prozedere unterworfen werden darf, der dem nicht zustimmt. Ich stimme der Auffassung zu, dass dies wahrscheinlich ein absurdes und funktionsunfähiges System wäre."
Mit diesem letzten Satz -absurd und funktionsunfähig- hat Long tatsächlich den Nagel auf den Kopf getroffen, denn seine Erwiderung zeigt sehr deutlich, dass er sich dem Dilemma nicht entziehen kann, einerseits für die Durchsetzung von Rechtsnormen einzutreten, andererseits aber einen "finalen Schiedsrichter" abzulehnen. Dieser Schiedsrichter wäre eine Agentur, "die sich weigert, ihre Anwendung von Gewalt einer externen Entscheidung zu unterwerfen", schreibt Long. Laut Long wäre diese Agentur "per Definition gesetzlos ..."

Andererseits geht Long aber davon aus, dass die Agenturen, die auf der Grundlage korrekter Auffassungen handeln, dass moralische Recht haben, ihre Klienten zu verteidigen gegen die Agenturen, die aufgrund falscher Ansichten handeln, wenn nötig mit Gewalt. Da die privaten Rechtsagenturen sich nicht einem finalen Schiedsrichter zu unterwerfen brauchen und jede Agentur die richtige Auffassung natürlich für sich selbst beanspruchen könnte, kann man leicht die explosiven Folgen dieser Rechtsunsicherheit in der Praxis ausmalen.

Konstruieren wir ein gar nicht so seltenes Beispiel aus der Praxis:
Nach einer Körperverletzung rufen beide Parteien unterschiedliche Rechtsagenturen, die die Interessen ihrer jeweiligen Kunden verteidigen wollen und sich ähnlich feindselig gegenüberstehen könnten, wie der Streithähne des Ausgangskonfliktes. Ein objektiver Beobachter könnte zwar relativ leicht den Schuldigen identifizieren, dieser behauptet aber, dass er sich nur gewehrt habe und weigert sich sogar, seine Personalien feststellen zu lassen - mit Hilfe seiner Agenten versteht sich. Laut Prof. Long hat die Agentur mit den richtigen Auffassungen das moralische Recht, die Interessen ihres Klienten auch mit Gewalt zu vertreten. Dieses Unternehmen könnte sich allerdings als problematisch erweisen, wenn die entsprechenden Durchsetzungsmöglichkeiten, d. h. Muskeln oder Waffen, fehlen. Es riecht hier förmlich nach dem Recht des Stärkeren.

Wenn auch Long einen finalen Schiedsrichter ablehnt, so schreibt er doch kurioserweiser, dass die Agenturen mit den richtigen Ansichten das Recht auf ein Monopol gegenüber ihren Konkurrenten mit inkorrekten Auffassung hätten. Wo es ein Monopol gibt, gibt es aber keine Anarchie mehr, sondern einen Staat, d.h. ein Rechtsagentur mit der finalen Autorität, Gesetze durchzusetzen. Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch den gesamten Text. So schreibt Long, dass jede Person das Recht habe, legislative, judikative und exekutive Dienstleistungen anzubieten, allerdings nicht das Recht habe, diese auf eine rechtverletzende Art und Weise auszuüben. Nur muss hier wieder die Frage gestellt werden, wer darüber entscheidet, was "rechtsverletzend" ist, denn in einem anarchistischen System gibt es nicht mehr "das Rechtssystem", sondern mehrere konkurrierende Systeme. Gewalt ist auch nicht ein Gut wie jedes andere, wie die Anarcho-Kapitalisten annehmen, sondern stellt einzigartige Gefahren für das Leben, die Rechte und das Wohlergehen der Unschuldigen dar.

Anarcho-Kapitalismus ist keine Weiterentwicklung des Objektivismus, sondern der Schritt über die Klippe in den Abgrund. Wer eine Vorstellung von dieser anarcho-kapitalistischen Utopie bereits heute erhaschen möchte, sollte sich einmal unsere Strafverteidiger ansehen, die jeden Angeklagten verteidigen und versuchen ihn vor einer Bestrafung zu beschützen, egal wie moralisch verwerflich dieser auch sein möge. Kein Argument ist ihnen zu abgeschmackt, kein Trick zu billig, um selbst die verkommenesten Mörder und Vergewaltiger vor Strafe zu schützen. Heute stehen ihnen Staatsanwälte und objektive Richter gegenüber, im einem anarcho-kapitalistischen System allerdings wäre ihnen dieses Gegengewicht abgenommen und das Problem würde sich potenzieren, weil sie sich nun zu Schutzagenturen formieren könnten.

Dienstag, August 02, 2005

Zum Status von Zivilisten im Krieg

Don Watkins macht auf seinem Blog einige interessante Bemerkungen zum Status von Zivilisten in Kriegen: "Aber ich sehe Zivilisten in einem Feindstaat nicht als Unschuldige an. Ebenso sind sie auch nicht schuldig. Diese Begriffe sind hier nicht anwendbar. Schuld und Unschuld beziehen sich auf den legalen Status einer Person unter der Herrschaft des Rechts, die eines spezifischen Verbrechens beschuldigt wird. Darüber sprechen wir hier nicht. Wir sprechen über den Status von Zivilisten innerhalb eines Feindstaates in Zeiten des Krieges. In diesem Kontext sind die Bürger eines Feindstaates, die die diesen nicht aktiv bekämpfen, um ihn von innen heraus zu stürzen, entweder eine passive oder aktive Stütze des Regimes und somit eine objektive Bedrohung für die unschuldige Nation. In einem Krieg liegt die Verantwortung für jeden vergossenen Tropfen Blut bei dem Aggressor - ihn trifft die moralische Schuld. Das bedrohte Land hat nur eine einzige Verpflichtung - sowenig Tote auf seiner Seite zu verursachen wie möglich, und den Willen und die Fähigkeit zum Kampf bei der feindlichen Nation zu zerstören. Irgendetwas anderes zu fordern, bedeutet Selbstaufopferung der unschuldigen Nation zu fordern. Dies bedeutet faktisch: Ja, im Krieg ist alles erlaubt - anything goes. Es herrscht das Gesetz des Dschungels. Es gibt keine anderen Weg, einen Krieg zu führen, und es gibt keinen anderen Weg, einen Krieg zu gewinnen. Das menschliche Leben ist nicht intrinsisch gut. NICHTS ist intrinsisch gut. Dies ist der primäre Fehler an der Wurzel des modernen Konservativismus (was Sinn macht, da Religion selbst eine Form von Intrinsizismus ist."

Montag, August 01, 2005

Lebwohl TOC!

Die langjährige Unterstützerin des The Objectivist Center (TOC), Diana Mertz Hsieh, hat am 20. Februar 2004 in einer offenen Stellungnahme ihre Trennung von der Organisation mitgeteilt. Sie hatte in einem Brief an David Kelley, dem geschäftsführenden Direktor des TOC, bereits einige Tage vorher das Ende ihrer Unterstützung des TOC angekündigt. Sie nennt als Grund für diese Entscheidung, dass sie "bedeutsame praktische und philosophische Einwände" gegen die grundlegende Herangehensweise des Centers gegenüber dem Objektivismus habe. Hauptgrund ihrer Enttäuschung über das TOC sei dessen Verständnis des Objektivismus als eines "offenen Systems". Sie habe kürzlich noch einmal, nach zehn Jahren, David Kelleys "Truth and Toleration", das Gründungsdokument des TOC gelesen, und sei selbst überrascht gewesen, dass sie beinahe bei jedem Thema (moralisches Urteil, Sanktion, Toleranz, Objektivismus als offenes System) bedeutsame Meinungsunterschiede zu Kelley festgestellt habe. Gemäß Kelley ist der Objektivismus ein offenes System, dass nur begrenzt sei durch Prinzipien, die Kelley als fundamental für das System ansieht. Das Rest kann debattiert, geändert, reorganisert, verfeinert und vollständig zurückgewiesen werden innerhalb der Grenzen des Objektivismus, solange jemand "seine Sichtweise verteidigt unter Bezugnahme auf die Grundprinzipien." Diana Mertz Hsieh sieht die anhaltenden Probleme des TOC nicht begründet in schlechtem Management, fehlenden Spenden oder dürftigem akademischen Potential, sondern sieht sie als "natürliche, praktische Konsequenz" der TOC-Sicht des Objektivismus als eines offenen Systems. Der führende Philosoph der konkurierenden objektivistischen Organisation "Ayn Rand Institute", Leonard Peikoff, bestreitet, dass der Objektivismus -oder irgendeine andere Philosophie - ein offenes System sei. "Jede Philosophie", sagt er, "ist unveränderlich. Neue Implikationen, Anwendungen und Integrationen können immer entdeckt werden, aber die Essenz des Systems - seine fundamentalen Prinzipien und ihren Konsequenzen im jedem Zweig- ist ein für alle Mal niedergelegt worden durch den Autoren der Philosophie." Im Fall des Objektivismus ist der Autor natürlich Ayn Rand und die Philosophie ist definiert in ihren Werken. Peikoff erkennt die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung der Philosophie an, solange dies "logisch vereinbar" mit dem sei, was sie geschrieben habe. Atlas Shrugged und die weiteren Schriften von Rand seien für die Objektivisten das, was die Verfassung für das Rechtssystem der Vereinigten Staaten sei. Ein Richter müsse die gesamte Verfassung akzeptieren und sicherstellen, dass seine Entscheidungen vereinbar mit jedem darin enthaltenen Satz seien.

Medizinische Versorgung ist kein Recht

In einer Rede, die der Philosoph Dr. Leonard Peikoff am 11. Dezember 1993 hielt, wendet er sich der Frage zu, ob die sozialisierten Gesundheitssysteme wie auf Kuba und in Kanada, die zweifellos "unpraktisch" waren, dann aber jedenfalls moralisch und wohlmeinend wären. Peikoff verneint dies kategorisch, weil ein System, das individuelle Rechte verletze, moralisch falsch und böse sei. Ein Recht auf eine medizinische Versorgung gebe es nicht: "Nach unseren Gründervätern werden wir nicht geboren mit dem Recht auf einen Besuch in Disneyland oder auf eine Mahlzeit bei McDonald's oder auf eine Nierendialyse." Das amerikanische System kenne nur das Recht, zu handeln. Sollte es einige Bürger geben, die sich eine medizinische Versorgung nicht leisten könnten, müßten diese auf private, freiwillige Wohltätigkeit zurückgreifen. Sollte die Bevölkerung eines ganzen Landes sich wirklich einen solchen Dienst nicht leisten können, könnte keine Regierung daran etwas ändern.

Tara Smith über die Tugend der Ehrlichkeit

Im Internet steht jetzt der Aufsatz The Metaphysical Case for Honesty der Philosophin Tara Smith zur Verfügung, der im Jahr 2003 in der Zeitschrift The Journal of Value Inquriy veröffentlicht wurde (insgesamt 16 Seiten als PDF-Datei - Issue 4,2003).

Tara Smith entwickelt in dem Aufsatz eine "reichere Konzeption von Ehrlichkeit", da das Anlügen von anderen Personen nur eine Form des breiteren Phänomens der Täuschung ist: "Ehrlichkeit ist die Weigerung, die Realität zu verfälschen. Es ist die Weigerung einer Person, vorzutäuschen, dass die Fakten anders sind als sie sind, ob für ihn selbst oder für andere." Ehrlichkeit ist eine Tugend, weil die Dinge so sind wie sie sind, ungeachtet der Meinung einer Person oder seiner Haltung ihnen gegenüber. Smith sieht Ehrlichkeit begründet in dem Gesetz der Identität. Obwohl ist es wahr ist, dass wir die Fakten nicht verfälschen können, so können wir doch manchmal andere Menschen zum Narren halten. Aber dies zeigt nicht, dass Unehrlichkeit effektiv ist. Unehrlichkeit erscheint nur vorteilhaft, wenn wir den vollen Kontext ignorieren. Auch wenn wir einen Menschen getäuscht haben, so haben sich doch die Fakten, die jemand falsch darstellt, doch nicht geändert: "Einen Arbeitgeber zum Narren zu halten, sodass er mir einen Job gibt, für den ich nicht qualifiziert bin, ist kein Rezept für eine erfolgreiche Karriere." Das Bemühen, eine Täuschung zu vertuschen, führt zur nächsten Täuschung. Die Unehrlichkeit kann nicht begrenzt werden. Je mehr Lügen aber erzählt werden, desto größter die Gefahr der Entdeckung. Der destruktive Charakter der Unehrlichkeit wird immer offensichtlicher: "Eine unehrliche Person untergräbt ihre eigene Fähigkeit, rationale Entscheidung zu treffen. Sie bewegt sich von einem Respekt für die Fakten als Basis ihrer Entscheidungen zu einem Verlassen auf Erfindungen. Ihr Interesse für die Realität konkurriert jetzt mit Besorgnissen über die Aufrechterhaltung des Scheins."

Samstag, Mai 28, 2005

Die Passion der Ayn Rand

Im Diskussionsforum von solohq.com schreibt Robert Bidinotto, dass Barbara Brandens Biographie "The Passion of Ayn Rand" "ausgesprochen freundlich" formuliert sei. Wie "freundlich" Barbara Branden allerdings wirklich in ihrer Biographie gegenüber Ayn Rand ist, läßt sich erahnen, wenn man sich folgende Worte aus der Einleitung ihres Buches über Ayn Rand vergegenwärtigt: "Ihre Tugenden waren größer als das Leben, ebenso wie ihre Fehler." Rands Fehler in einer Bewertung gleichwertig neben ihre Leistungen zu stellen, ist nicht nur unfreundlich, sondern vor allem absolut falsch. Eine solche Formulierung ließe sich rechtfertigen im Hinblick auf einen Schriftsteller wie Ernest Hemingway - einem notorischen Lügner und Alkoholiker, der schließlich seinem Leben mit einem Schrottgewehr ein Ende setzte. Dies aber einer Frau wie Ayn Rand nachzuwerfen, die ein großartiges Leben führte und keineswegs die Prinzipien ihrer eigenen Philosophie verraten hat, ist ausgesprochen bösartig. Ayn Rand war die Verkörperung des amerikanischen Traums. Im Alter von 21 Jahren verließ sie das Land ihrer Geburt, um in das Land auszuwandern, das sie verehrte, aber dessen Sprache sie kaum beherrschte und wo sie nur wenig Hilfe von der dort lebenden Verwandtschaft ihre Familie zu erwarten hatte. Sie war bereit, zu arbeiten und zu kämpfen, und dies tat auch sie auch während der gesamten Zeitspanne ihres Lebens. Die Rechten attackierten sie für ihren Atheismus, die Linken für ihre Verteidigung des Kapitalismus, und alle zusammen lehnten ihren Egoismus ab. Trotz all dieser Ablehnung hielt Ayn Rand an ihren Überzeugen fest, verwarf Kompromisse und versuchte nicht, ihren Kritikern zu gefallen. Wer etwas mehr über das Leben der Ayn Rand erfahren möchte -jenseits der Übertreibungen und Unwahrheiten von Nathaniel und Barbara Branden - ist gut bedient mit dem Buch Ayn Rand von Jeff Britting. Dieses Buch ist eine reich bebilderte Kurzbiographie, und der Hinweis auf die Fotos ist durchaus angebracht, denn auch ohne sich in den Text zu vertiefen, lädt das Werk zum Schmökern ein, etwa wenn man sich Rands Lieblingsbild ansehen kann: Salvador Dalis Corpus Hypercubus. Der Begriff "Kurzbiographie" soll Erwartungen dämpfen, die das Werk nicht erfüllen kann und auch nicht erfüllen will. Britting erwähnt zum Beispiel auch die Affäre, die Rand mit Nathaniel Branden hatte - er schreibt, dass sie eine Zeitspanne von mehreren Jahren in den Fünfzigern umfaßte und "wahrscheinlich" zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Atlas Shrugged im Jahr 1957 endete -, und die endgültige - nicht nur romantische - Trennung von Branden im Jahr 1968, aber dies sind nur einige Sätze, wo Einzelheiten keine Rolle spielen. Auch könnte sich der Leser wünschen, mehr zu erfahren über Rands Haltung zum 2. Weltkrieg, was allerdings fast überhaupt nicht thematisiert wurde. Lediglich eine Bildunterschrift weist darauf hin, dass Rand die Internierung von amerikanischen Staatsbürgern während des 2. Weltkrieges als Ungerechtigkeit ansah, die sich aus der kollektivistischen New-Deal-Politik ergab. Wer die Kinderzeit der 1905 in Petrograd geborenen Ayn Rand - damals natürlich noch Alisa Rosenbaum - vor seinem geistigen Auge Revue passieren läßt, dem kommt das Wort "Wunderkind" in den Sinn, obwohl Jeff Britting diesen Ausdruck nicht verwendet. In der gebildeten Familie der Mittelklasse fand die junge Ayn ein intellektuelles Klima vor, dass ihrer weiteren Entwicklung durchaus förderlich sein sollte. Ihre Eltern legten großen Wert auf eine gute Ausbildung und verteidigten die individualistische Attitüde, dass jeder Mensch seines eignen Glückes Schmied sei. Ayn brachte sich mit sechs Jahren selbst das Lesen bei und betrachtete als "Leitmotiv" ihres Lebens die Konzentration aus das "Ungewöhnliche". Die Mutter Anna Borisovna Rosenbaum hielt das hochbegabte Kind für "anti-sozial", wie sie es nannte, weil sie keine Freundinnen hatte und sich wenig für andere Kinder interessierte.

Freitag, April 08, 2005

Jetzt EGO!

EGO, die Europäische Gesellschaft für Objektivismus, ist Zukunftsmusik, deshalb findet sich auf unserer neuen Website auch keine Funktion, die einen Antrag auf die Mitgliedschaft bei EGO ermöglichen würde. Objektivismus, die von Ayn Rand entwickelte Philosophie, ist in den deutschsprachigen Ländern eine Sache von einigen engagierten Personen, ohne irgendeine Organisation, ohne Spendengelder, nur von dem Bewusstsein getragen, eine revolutionäre Philosophie der Vernunft, des Individualismus und des Kapitalismus gefunden zu haben, die Menschen ein glückliches und zufriedenes Leben auf dieser Erde ohne mystische Realitätsverzerrung ermöglichen kann. Auch ohne eine Organisation kann man von einer gewissen Strukturierung der deutschsprachigen Objektivisten sprechen, denn in unserem Diskussionsforum hat sich eine kleine Gruppe von Menschen zusammengefunden, die nicht nur interessante Diskussionen über Probleme der Philosophie, Politik oder Psychologie führt, sondern wo sich auch persönliche Bekanntschaften und Freundschaften entwickelt haben. Wer immer Interesse an einer ernsthaften Diskussion des Objektivismus hat, sollte sich dieser Gruppe anschließen. In Zukunft wird es vielleicht möglich sein, dass sich die Gruppenmitglieder auch in einem größeren Rahmen persönlich kennen lernen können. Ob und wann aus dieser informellen Struktur irgendwann tatsächlich die Europäische Gesellschaft für Objektivismus werden wird, vermag ich derzeit nicht zu beantworten, denn noch macht die bescheidene Zahl von Interessenten eine solche Gründung nicht sinnvoll und wann der Schwellenwert von Interessenten überschritten werden kann, vermag ich nicht abzuschätzen. Eine solche Organisation wird bei der Aufgabe der Verbreitung des Objektivismus sicherlich analog zum amerikanischen Ayn Rand Institute darauf konzentrieren, in den akademischen Bereich hinein zu wirken, vor allem ist die Gründung von objektivistischen Klubs an Universitäten an probates Mittel, um akademischen Studenten des Objektivismus die Möglichkeit zu geben, mit weiteren Interessierten alle interessierenden Fragen zu diskutieren. Bedeutsam wäre sicherlich auch, wenn es in Zukunft ein oder mehrere Philosophie-Studenten geben könnte, die sich als Objektivisten oder Studenten des Objektivismus verstehen. Es besteht allerdings durchaus Hoffnung anzunehmen, dass dies in naher Zukunft der Fall sein könnte. Die vorliegende Website soll alle interessierten Menschen die Gelegenheit geben, sowohl grundlegende Texte zu allen Bereichen des Objektivismus zu studieren, wie auch durch kurze Kommentare die Möglichkeiten aufzeigen, wie Objektivisten ihre Philosophie auf konkrete Probleme anwenden. Dabei sei eine deutliche Warnung ausgesprochen: Ein Studium des Objektivismus ist ohne Beschäftigung mit der einschlägigen englischsprachigen Literatur nur schwerlich möglich. Es stehen zwar die Romane von Ayn Rand zur Verfügung - in naher Zukunft auch eine deutsche Übersetzung von Rands Capitalism - An Unknown Ideal-, aber bei der Sachliteratur gibt es nach wie vor einen Mangel an deutschen Übersetzungen. Auch diese Website wird auf absehbare Zeit keinen Ersatz zum Studium der grundlegenden philosophischen Texte des Objektivismus anbieten können. Besonders zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang natürlich Leonard Peikoffs Objectivism - The Philosophy of Ayn Rand, von dem ich leider nicht annehme, dass es in absehbarer Zeit eine deutsche Übersetzung geben wird, so nützlich dies für deutschsprachige Studenten des Objektivismus auch sein mag. Unsere Diskussionsgruppe ist auch kein Ableger solcher Zusammenhänge wie etwa des Atlas Institute Europe, wobei natürlich jeder Person selbst überlassen bleibt, derartige Organisationen oder Organisationsversuche zu unterstützen. Auch bestehen durchaus unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der bestehenden amerikanischen Organisationen Ayn Rand Institute (ARI) oder The Objectivist Center (TOC). Zwischen beiden Organisationen bestehen grundlegende philosophische Meinungsunterschiede, auf die ich im Rahmen dieses Textes nicht eingehen möchte, aber für eine Mitgliedschaft in unserer Diskussionsgruppe ist keinerlei "Bekenntnis" für irgendeine der beiden Gruppierungen erforderlich. Voraussetzung ist auch nicht, dass bereits erhebliche Kenntnisse des Objektivismus vorhanden ist, nur das ehrliche Interesse sollte vorhanden sein, sich auf diese Reise in die Welt der Philosophie und des Denkens der Ayn Rand einzulassen. Steigen Sie ein!

Sonntag, März 06, 2005

Betrug und die Initiierung von Gewalt

Ayn Rand ging davon aus, dass individiduelle Rechte nur durch die Anwendung von Gewalt verletzt werden können. Der Begriff Gewalt wird von Rand allerdings durchaus in einem weiten Sinn verstanden, d. h. eine Handlung gilt als gewaltätig auch ohne eine Person physisch zu verletzten oder ihr mit einer solchen Verletzung zu drohen. Wird eine Person durch eine dritte Person dazu gebracht, ohne freiwilligen Konsens zu handeln, dann ist ihr Recht verletzt worden.
In The Virtue of Selfishness schreibt Rand: "Das Recht eines Menschen zu verletzen bedeutet, ihn zu
zwingen, gegen sein eigenes Urteil zu handeln, oder ihn seiner Werte zu enteignen.
Grundsätzlich gibt es nur einen Weg dies zu tun: durch die Anwendung physischer Gewalt."
Eine ähnliche Formulierung verwendet Rand auch in Textbook of Americanism. Der Umfang der Gewalt ist bei Rand aber nicht begrenzt auf die offensichtliche physische Gewaltanwendung, wie z. B. das Erschießen eines Menschen oder das Abbrennen seines Hauses. Rand spricht ausdrücklich auch von "indirekten Formen" von Gewalt, wie z. B. Betrug oder einseitige Vertragsverletzung. In einer Fragestunde in der Ford Forum Hall befürwortet Rand auch Gesetze gegen üble Nachrede und Verleumdung. In ihrem Aufsatz The Nature of Government definiert Rand den Begriff Betrug folgendermaßen: "Betrug beinhaltet eine ähnlich indirekte Form von Gewalt. Er besteht aus dem Erhalten von materiellen Werten ohne den Konsens des Eigentümers, unter Vortäuschung falscher Tatsachen oder Versprechungen."

Geht man von einem erweiterten Gewaltbegriff aus, dann läßt sich auch die Frage beantworten, ob etwa Betrug in einer objektivistischen Gesellschaft zwar moralisch verwerflich, aber ansonsten strafrechtlich nicht relevant wäre, wie es immer wieder objektivistischen Kreisen diskutiert wird. Richtigerweise weist Joseph Rowlands in einem Beitrag für solohq.com darauf hin, dass Betrug eine Form von Diebstahl ist, eine sanfte, stille Form von Diebstahl. Aber auch bei einem Diebstahl ist es ja charakteristischerweise so, dass der Dieb keine offene physische Gewalt anwendet -anders etwa als bei einem Raub-, um sich unrechtmäßig eines fremden Eigentums zu bemächtigen. Das Diebstahlopfer könnte möglicherweise nicht einmal bemerkt haben, dass ihm etwas gestohlen wurde. Legt man allerdings den Maßstab "gegen den freiwilligen Konsens" an, dann wird deutlich, dass es sich um eine Initiierung von Gewalt handelt. Ebenso sieht es im Fall des Betrugs aus. Das Problem ist allerdings, dass oberflächlich betrachtet das Opfer freiwillig sein Eigentum aufgibt, somit das Kriterium des freiwilligen Konsens gegeben wäre. Es könnte sich somit nicht um eine Form von Diebstahl handeln. Betrug basiert auf einem ökonomischen Austauch von Gütern oder Dienstleistungen, wobei allerdings eine Seite ihren Teil der vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Weil der Übergang der Eigentumsrechte konditional ist, ist ein Betrüger zwar zu einem Besitz gekommen, er ist aber nicht Inhaber der legalen Eigentumsrechte. Wer mit einem ungedeckten Scheck ein Auto kauft, handelt nicht anders als ein Dieb, weil das Rechtsgeschäft durch einen Mangel auf der Seite des Käufers gar nicht zustande gekommen ist, auch wenn das Auto bereits freiwillig übergeben wurde. Betrug wird üblicherweise dann angewendet, wenn es problematisch ist, sich eines Eigentums durch direkten Diebstahl zu bemächtigen, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass sich um eine Form des Diebstahls handelt. Da es sich um eine spezifische Form der Verletzung von Eigentumsrechten handelt, ist Betrug auch zu unterscheiden von anderen Fällen von Täuschung. Wenn Menschen lügen, d. h. Tatsachen anders darstellen als sie sind, verletzten sie dadurch noch nicht unbedingt Eigentumsrechte, auch wenn sie moralisch verwerflich handeln.

Freitag, Februar 04, 2005

Das 1. Jahrhundert der Ayn Rand

Am 2. Februar jährte sich der Geburtstag von Ayn Rand zum 100. Mal. Die 1905 in Russland geborene Schriftstellerin und Philosophin immigrierte 1926 in die USA und stieg dort durch ihre Romane The Fountainhead und Atlas Shrugged, von denen auch heute noch -23 Jahre nach ihrem Tod - Hunderttausende von Exemplaren verkauft werden, zur Bestsellerautorin auf. Jim Peron nennt Atlas Shrugged zweifellos einen "der einflussreichsten Romane, der je geschrieben wurde." Ein Roman, von dem viele Amerikaner sagen, dass seine Lektüre ihr Leben verändert hätte. Die Idee zu Atlas Shrugged, an dem sie 11 Jahre arbeitete, wurde während eines Telefonats geboren, das Rand nach der Veröffentlichung von The Fountainhead mit Isabel Paterson geführt hatte. Die ersten Verkaufszahlen von The Fountainhead waren enttäuschend gewesen und Isabel Paterson forderte Rand auf, ihre Philosophie durch Sachbücher dem Publikum nahe zu bringen. Die Menschen bräuchten ihre Ideen und Rand hätte die Pflicht, Sachliteratur zu schreiben. Rand reagierte ärgerlich und stellte die Frage, wie es denn wäre, wenn sie in den Streik treten würde, wenn alle kreativen Köpfe der Welt in den Streik treten würde. "Dies wäre ein guter Roman", fügte Rand an und nach dem Telefonat ermutigte sie ihr Ehemann Frank O'Connor, aus dieser Idee einen Roman entstehen zu lassen. "Der Streik" war dann auch lange Zeit der Arbeitstitel für das sich entwickelnde Werk gewesen, das schließlich im Jahr 1957 erscheinen sollte und einen wahren Aufruhr auslöste. Der Schriftsteller Gore Vidal bezeichnete Atlas Shrugged in einer Kritik als "perfekt in seiner Unmoralität". Für die bösartigeste und absurdeste Kritik sorgte allerdings der Konservative Whittaker Chambers, der auf jeder Seite des Buches den Befehl "To a gas chamber - go!" hören wollte. Und dies bei einem Buch, dessen Höhepunkt aus einer dreistündigen Radioansprache besteht, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt: "Solange Menschen zusammen leben wollen, darf niemand physische Gewalt gegen andere initiieren -hört ihr?- darf niemand anfangen, physische Gewalt gegen andere anzufangen."

"Ayn Rand ist ein amerikanisches kulturelles Phänomen," beginnt Allan Gotthelf sein Buch On Ayn Rand und tatsächlich ist die Diskrepanz zwischen der Anerkennug und Verehrung, die Ayn Rand in Amerika erfährt, und ihrer Akzeptanz im Rest der Welt, vor allem außerhalb der englischsprachigen Welt, erheblich. Dies ist natürlich kein Zufall. Ayn Rand sprach durch ihre Romane aus, was viele Amerikaner fühlten, aber niemand vorher in derart prägnante Worte übersetzt hatte und sie schuf eine objektivistische Bewegung von begeisterten Lesern und Anhängern ihrer Philosophie. Ihre Philosophie, der sie den Namen Objektivimus gab, läßt sich in aller Kürze mit den Begriffen Vernunft (als einziges Mittel zum Erwerb von Wissen und als Handlungsanleitung), rationaler Egoismus (als das Recht, seine eigenen theoretische Werte zu haben und sie in der Realität umzusetzen) und Individualismus (mit seinem politischer Ausdruck und seiner Konsequenz: Laissez-faire-Kapitalismus) beschreiben. Es war ein revolutionäres Unterfangen: "Ich weiß, dass ich die kulturelle Tradition von zweieinhalb Tausend Jahren herausfordere." 1971 faßte Ayn Rand in ihrer Zeitschrift The Objectivist ihre Philosophie folgendermaßen zusammen: "Ich bin nicht in erster Linie eine Befürworterin des Kapitalismus, sondern des Egoismus; und ich bin nicht in erster Linie eine Befürworterin des Egoismus, sondern der Vernunft. Dies - der Vorrang der Vernunft - war, ist und wird immer das primäre Anliegen meiner Arbeit sein, und die Essenz des Objektivismus."

Ayn Rand verstand sich allerdings primär als Schriftstellerin und nicht als Philosophin. Für sie war die Philosophie nur ein Mittel, ein absolut notwendiges zwar, aber gleichwohl nur ein Mittel, um in ihrer Literatur eine Welt zu schaffen, in der sie gerne leben würde, die Welt des perfekten Menschen und seines perfekten Lebens. Um diese perfekte Welt zu definieren, benötigte sie eine Philosophie. Sie sah Philosophie als absolut notwendig für jeden Menschen an, wie sie es in ihrer Rede an der Militärakademie von West Point betonte: "Als ein menschliches Wesen haben Sie keine Wahl hinsichtlich der Tatsache, dass Sie eine Philosophie brauchen." Die Frage ist nur, ob sich Menschen bewußt für eine Philosophie entscheiden und ob es eine Philosophie ist, die Erfolg und Glück auf dieser Welt möglich macht. Fortschritte bei der Ausbreitung ihrer Philosophie muss man sicherlich, zumindest für die USA, konstatieren, aber ist der Objektivismus wirklich zu einer prägenden Kraft innerhalb der amerikanischen Kultur geworden? Steve Chapman beschreibt in einem Kommentar für die Chicago Tribune Ayn Rand als eine Person, die im Mainstream Amerikas angekommen sei: "Die radikale Befürworterin von Individualismus und Kapitalismus, die 1982 starb, ist nicht länger mehr eine exotische Vorliebe." Man sollte sich allerdings nicht täuschen lassen von Briefmarken mit Rands Konterfei oder von den Aussagen von Prominenten, die angeblich von Rand inspiriert wurden, denn wenn sich Rand wirklich im Mainstream Amerikas etabliert hätte, sähe dieses Land anders aus. Ihre Romane beweisen es. Eher ist der Aussage von Peter Schwartz zuzustimmen: "Ich denke, dass der Objektivismus an Einfluss gewinnt. Noch nicht in der Mainstream-Kultur, aber an den Rändern."

Dienstag, Dezember 14, 2004

Pro Zivildienst? Pro Langeweile?

Das Bundesamt für den Zivildienst gibt eine monatliche Zeitschrift für Zivildienstleistende heraus, deren Ziel es ist, Fragen von Zivildienstleistenden zu beantworten und ihnen zu demonstrieren, was für eine wunderbare Sache der "friedliche Zwangsdienst" ist. In der Novemberausgabe geht um ein vom BAZ organisiertes Fußballspiel zwischen Amtspersonen und Zivildienstleistenden (in selbst gestalteten schneeweißen "Zivipowertrikots"), einen exotischen "Anderen Dienst" (Infos zum Anderen Dienst im Ausland hier) in der chilenischen Hafenstadt Valparaiso (Ersatzdienstleistender Jasencak: "Uns war es wichtig, Werte wie Toleranz und Akzeptanz zu vermitteln", "Ich weiß mehr, wer ich bin und was ich will"), künstlerische Selbstentfaltung von Zivildienstleistenden etc.

Der vielsagende Kern dieser besonderen Ausgabe offenbart sich aber schon auf dem Titelblatt: "Plädoyer für die Langeweile: Ist unser Zeitbegriff das Nonplusultra?"
Man kann in dieser Zeitschrift viel über die Vorzüge des erzwungenen Dienstes am Gemeinwohl lesen: von der sozialen Erfahrung, dem moralischen Zeigefinger und den seichten Plattitüden von "Toleranz" et alii, multikulturellen Erlebnissen, Möglichkeit zu politischem Engagement....von Selbstfindung beim Kloputzen?! Solche Rationalisierungen sind nicht ausreichend. Gewaltsam erzwungene Sinnlosigkeit läßt sich nicht so einfach schönreden.

Da hat man sich - um das Problem an der Wurzel zu packen - offenbar zu intellektuellem Training entschlossen. Ich fürchte, dass unsere Gesellschaft weit genug "fortgeschritten" ist, dass das Problem an der ideellen Grundlage angepackt werden kann, ohne dass ein Aufschrei bei den jungen Menschen, von denen explizit verlangt wird ihr Leben wegzuwerfen, entsteht. Worum geht es in diesem Artikel? Es geht um die Tugend des Nichtstuns und die zugehörige Belohnung – Langeweile. Nein, der Begriff "Langeweile" wird nicht direkt mit dem Zivildienst in Verbindung gebracht; es geht vielmehr um Grundlagenarbeit. Wer diese Grundlagen akzeptiert, wird vieles mit sich machen lassen, solange es ihn nicht zu sehr fordert – das macht sie natürlich auch für ein Verfechten des Zivildienstes interessant.

Bemerkenswert ist die Offenheit des "Plädoyers", das mit folgenden Versen beginnt:

"O Faulheit, erbarme dich des unendlichen Elends!

O Muße, Mutter der Künste und der edlen Tugenden,
sei du der Balsam für die Schmerzen der Menschheit!"
(Paul Larfargue, Schwiegersohn v. K. Marx in "Recht auf Faulheit", 1883)*
Einleitend macht der Autor des Plädoyers folgende Feststellung:

"Heute wollen wir in die Zeit, die uns zur Verfügung steht, immer mehr hineinpacken. Langeweile wird als destruktiv empfunden, als quälende Spannung. Die Muße als Pause zwischen den Arbeitsabschnitten, steht dagegen hierarchisch etwas höher."

Ja! Die Menschen wollen aus ihrem Leben soviel wie möglich herausholen und verachten die Ziel- und Sinnlosigkeit. Gemäß dem Objektivismus ist Erholung völlig legitim und wertvoll, solange sie produktives Schaffen voraussetzt. "Freizeitaktivitäten sind eine Art der Erholung und und setzen etwas voraus, von dem man sich erholt; sie haben nur einen Wert als Form von Entspannung und Belohnung nach der Durchführung von Arbeit." (L. Peikoff, OPAR, S. 301) Doch diese legitime Form von Erholung soll in dem Artikel nicht befürwortet werden; es geht vielmehr um den die "als destruktiv empfundene, quälende Spannung". Nun gibt es offenbar ein Problem, denn:

"Faulsein, schon das Wort – ein Sakrileg an sich. Der Horro vacui: Die Furcht vor der Leere, vor der unerfüllten Erwartung. Bloß nie ohne Aufgabe sein. O Graus – tödliche Langeweile, Erlebnisarmut, Beziehungseinerlei."

Doch die Lösung ist einfach: Es muss nur der "Umgang mit der Zeit neu gelernt werden und die Begrenztheit eigener aktivistischer Möglichkeiten einschließen." Anders ausgedrückt: Wir müssen lernen, nichts zu tun - auch wenn es anfangs weh tut!

Ignoriert werden dabei die Tatsachen, dass das Leben ein "Prozess selbsterhaltenden und selbstgenerierenden Handelns" (A. Rand, VOS, "Die Objektivistische Ethik") ist; dass Zielorientiertheit ein tragender moralischer Wert und eine Voraussetzung des Selbstwertes ist; dass produktive Arbeit zum Erhalt unseres geistigen und körperliches Wohlergehens erforderlich ist und deshalb korrekterweise eine wesentliche Rolle in unserem Leben spielt. Es ist ein natürliches Verhalten für den Menschen, sich und seine Umwelt ständig zu verbessern, nach Neuem zu streben und es zu verwirklichen; Leben ist Bewegung, Aktivität, Abenteuer – Stillstand bedeutet Tod. Wie kann man einen zu dieser Offenkundigkeit widersprüchlichen Standpunkt überzeugend vermitteln? Gar nicht – aber man kann eine vage Geschichte erzählen, mit vielen Implikationen, die man nicht näher erläutern oder gar beweisen muss.

Der Autor des Plädoyers, Ethnologe Thomas Geduhn, schildert eine "virtuellen Reise ins Reich der Muße": Erholung in der Form von jeglicher (Freizeit-)Aktivität ablehnend wird jetzt eine Tourismusbranche angenommen, die das "Thema Muße und Langeweile" entdeckt hat. Die Langeweile, die manche heute schon im Urlaub erleben, wird auf einer Reise mit dem jungen Unternehmen "Reise mit Weile" noch übertroffen:

"[Es wird] folgendes angeboten: Tagedieberei, Rückbesinnung auf die eigene Innenwelt, Pflichtvergessenheit sowie (Süßes Nichtstun) als Höhepunkt.[...] Ziel dieser eintägigen Reise ist das Nadolny-Territorium. Es wird von Menschengedenken von dem Tiez-Volk bewohnt, dem eine besondere Beziehung zur Zeit nachgesagt wird. Wie jedes Ureinwohnervolk besteht es aus mehreren Stämmen, welchen im Falle der Tiez in der etwas iritierenden Übersetzung 'Faulpelze', 'Langweiler' [...] heißen. Nun ja, andere Völker, andere Sitten."

Den Höhepunkt der Reise stellt ein Besuch beim Stammeshäuptling dar:

"Der Oberfaulpelz ruht ungeniert auf einer landestypischen Liege und scheint nicht gerade auf uns gewartet zu haben. [...] Nach einer Zeit des Dies und Das will schließlich ein Reisender wissen, ob er als Häuptling denn nichts anderes tue als faulenzen. Vergeblich versucht Reel-Tiet [der Häuptling] zu antworten, aber seine Faulheit nötigt ihn zu einem wohligen Schweigen. Nein, es wird deutlich: dies ist kein Lenz**, kein Oblomov***. Dies ist, wenn überhaupt, Nietzsches Magyar, die Gestalt der Faulheit, von der er wenig vornehm behauptet: 'Der Magyar ist viel zu faul, um sich zu langweilen. [...]'
Gähnend bleibt Reel-Tiez liegen und grübelt wie es scheint über seine Faulheit, aber er ist zu faul, um sein Grübeln zu Ende zu führen. Die Antwort bleibt aus. [...] Vor seinen zerfallenden Augen verschwindet der Raum in dichtem Traumnebel, und die Gruppe erkennt die Sehnsucht nach tiefem Schlaf auf seinem Gesicht."

"Ungeachtet des hohen Preises müsse sich jeder Mensch, so die Geschäftsleitung von 'Reise mit Weile', diese kostbare Ware gönnen können." Was hier unterschwellig zu vermitteln versucht wird, ist das Gegenteil der Lebensmoral, die einen aktiven Verstand und produktives Schaffen fordert. Es ist das Bild der Mittelmäßigkeit, das das Nichtstun zum moralischen Ideal erhebt und Verzicht auf die Nutzung des Verstandes, auf das Streben nach Werten, fordert. Der Häuptling ist ein geeignetes Beispiel für einen lebenden Toten, für äußerste Selbstlosigkeit. Selbstlosigkeit erfordert Opfer, entweder für ein höhers Ziel (Gott, die Mitmenschen) oder – als Selbstzweck. Die implizite Forderung des Artikels ist nicht weniger als die freiwillige Aufopferung der eigenen Ambitionen für die Mittelmäßigkeit des Nichts.

Das Plädoyer richtet sich – natürlich – auch gegen den Kapitalismus. Bildern eines beschäftigten Jungunternehmers, der Börse, eines Hochhauses werden Aufnahmen eines Blumengartens und eines Palmenstrandes gegenübergestellt. Die falsche Alternative, die suggeriert wird, ist: Hektische, entfremdende Arbeit vs. "idyllische" Langeweile. Tatsächlich aber können nur die berüchtigten Börsenmakler und ihr moralisches Äquivalent – zielorientierte, produktive Menschen jeder sozialen Schicht – idyllische Ruhe vollends genießen.


In einem sich an das Plädoyer anschließenden Interview (Titel: "Nehmen wir unsere Arbeit zu wichtig?") – wieder mit dem Ethnologen Thomas Geduhn – werden Zielorientiertheit, Produktivität und Fortschritt nocht einmal aufs Korn genommen; es geht um die Gleichwertigkeit von Industriegesellschaften und Jäger- und Sammlerkulturen, in denen nicht über das äußerste Existenzminimum hinaus produziert und eine Anpassung an den Lebensraum gewährleistet wird - "ein sehr kluges und weises Verhalten" (!). Als Ursachen für dieses Verhalten werden Kultur und Glauben genannt, kurzum: Wenn wir unseren Verstand ein wenig mehr ausschalten würden, könnten wir auch ein bisschen mehr wie die Punan oder die Inuit leben.

Jeder Zivildienstleistende, dessen Bestrebungen vom öden Zwangsdienst auf Monate hinausgezögert werden, muss diese Artikel als zynischen Spott empfinden. Es ist unerhört, lebensfähigen Menschen den Start in die Welt unter Einschränkung ihrer Individualrechte zu erschweren und sie dann auch noch davon zu überzeugen versuchen, dass Ehrgeiz und Mühe mittelmäßiger Trägheit unterzuordnen sind, dass die westliche Welt nicht besser ist als irgendein zurückgebliebener Stamm. Den Erfolg der Lehre von der Langeweile dokumentiert u.a. die Dekandenz der heutigen Jugendkultur, das sinnlose Vandalieren, und nicht zuletzt der weit verbreitet Unwille zu politischen Reformen, mehr Selbstverantwortung und der aktiven Mitarbeit beim Schritthalten Deutschlands mit der Wirtschaftskraft aufstrebender Nationen.

Nicht der Tod bei lebendigem Leibe, sondern der freie und produktive Mensch ist ein moralisches Ideal!


*Es war mir bis jetzt neu, dass sich ein marxistischer Intellektueller damals so offen für das Nichtstun eingesetzt hat. Lesen sie selbst und stoßen sie auf müßiggängerische Ausbeutungsphantasien wie:
"Aber gleich Papageien plappern die Proletarier die Lektionen der Ökonomen nach: 'Arbeiten wir, arbeiten wir, um den Nationalreichtum zu vermehren!'
O ihr Idioten! Weil ihr zu viel arbeitet, entwickelt sich die industrielle Technik zu langsam...[...]Um die Kapitalisten zu zwingen, ihre Maschinen von Holz und Eisen zu vervollkommnen, muss man die Löhne der Maschinen von Fleisch und Bein erhöhen und die Arbeitszeit derselben verringern." (Link zu weiteren Auszügen)

** Lenz ist ein Charakter aus G. Büchners Woyzeck. Er war jemand, "der sich aus lauter Langeweile noch nicht einmal selbst töten wollte" (Zitat aus dem Artikel).

*** aus dem gleichnamigen Buch von Ivan Goncharov

Dienstag, November 02, 2004

Manfred F. Schieder: Wohin des Weges, Unternehmer?

"Die Unternehmer sind das Symbol einer freien Gesellschaft. Wenn sie aussterben, wird die Zivilisation selbst sterben."

"Capitalism: The Unknown Ideal", von Ayn Rand.

Die Unternehmer - jene produktiven Einzelgänger welche für ihre Produkte zahlende Abnehmer zu finden hoffen - sind die neue Rassenminderheit, die als Opferlamm in der "modernen" Hexenverfolgung dient, welche Politiker wie auch Intellektuelle gegen sie und somit gegen die Zukunft der Menschen im Allgemeinen, entfacht haben.
Sie werden einerseits beneidet und andererseits verabscheut und schuldig für alle Schwierigkeiten welche die Menschheit bedrängen, befunden. Man erklärt sie zum Sündenbock wo immer Regierungen oder eine politische, ideologische oder intellektuelle Gruppe jemanden braucht auf dem die unausweichlichen, katastrophalen Folgen ihrer eigenen irrationalen Handlungen abgewälzt werden können. Die Grünen empfinden sie als letztes Bollwerk gegen die heißersehnte, schnelle Rückkehr in das Wildendasein, und sie selbst tragen ein starkes Schuldgefühl, dass von der Annahme ausgeht, dass sie gegen die auf der Welt geltende "Moral" agieren. Dieses letzte vernimmt man in ihren öffentlichen Erklärungen, die gleichzeitig aus beschämende mea culpa und Verpflichtung zur "Rückkehr in die Natur" bestehen. Das Glück der Menschheit bestehe ja im Versinken in Dreck, Pest und Hunger und nicht in einem menschenwürdigen Dasein.
Eine Klarstellung ist hier notwendig. Wenn ich von Unternehmer spreche, dann meine ich selbstverständlich nicht jene Bürokraten, welche die Leitung von staatlichen oder gemischte "Unternehmen" beinhalten, und somit die Nutznießer von Privilegien, Hilfsgelder und Protektionismus sind mit denen sie ihre eigene Geschäftsunfähigkeit gegenüber dem unternehmerischen Risiko abschirmen.
Hier spreche ich von jenen wenigen freien Unternehmer, frei, soweit es der Sumpf an Verpflichtungen und Steuern, in dem die Menschheit weltweit erstickt überhaupt noch erlaubt. Diese zur Zeit aussterbende Art - welche von allen sozialistisch gefärbten Intellektuellen auch als "Räuberbarone" verschrien wird - besteht, wie es Ludwig von Mises in seinem Buch "Human Action" definierte, "aus jene Individuen, welche es darauf abgesehen haben, einen Verdienst zu erreichen, indem sie die Produktion jenen Marktänderungen anpassen, die nur sie im Voraus abschätzen können. Damit sei gesagt, dass der Titel Unternehmer nur denen zusteht, welche eine größere Initiative, eine erhöhte Abenteuerlust und eine stärkere Vision als die Mehrzahl besitzen; jene wagemutigen Individuen also, die, stets in der Vorhut, den Fortschritt selbst generieren."
Diese Menschen erzeugen die Zukunft. Man bemerke, dass "der Große Schritt vorwärts", der Augenblick als der menschliche Fortschritt begann, im direkten Zusammenhang mit der industriellen Revolution des 18. Jahrhunderts steht.
Was geschah damals so Einzigartiges? Vielleicht Entdeckungen und Erfindungen von außergewöhnlicher Bedeutung? Keinesfalls. Bis dahin hatte die Menschheit über die Jahrhunderte schon viele Entdeckungen und Erfindungen gesammelt. Diejenigen, die den hervorspringenden Punkt, der das Ganze in Bewegung setzte, nicht sehen wollen, verheimlichen es, indem sie auf Watts Dampfmaschine als den Start der Zukunft zeigen.
Aber die Grundsätze von Watts Maschine kannte man schon zu Zeiten der alten Griechen, und doch war nichts geschehen. Der Ursprung vieler wissenschaftlicher Errungenschaften kann dort zurückgeführt werden. Aber damals wurden diese Kenntnisse - und noch zur Zeiten der Renaissance geschah es so - als Kinderspiele abgetan, nichts weiter als einfallsreiche physische und chemische Verbindungen.
Bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts herrschte die mystische Auffassung, dass jede menschliche Bemühung zwecklos und nichtig war, schon im Voraus von einer göttlichen Macht zur Sinnlosigkeit abgestempelt und als ketzerische Aktivität verfolgt. Diese "irdische" Existenz war doch nichts weiter als eine Vorbereitung des "wirklichen" Lebens, welches sich in einer anderen, unbeschreibbaren "Wirklichkeit" abspielen würde. Die Theologen bestimmten dies als einen unbestreitbaren, dogmatisch gesetzten Teil ihrer Doktrin. Die Philosophen - von den Vorsokratikern bis zur Gegenwart - verweltlichten diese Anschauung als Handlanger des Mystizismus. So z.B. Platon und seine bidimensionale Welt von Formen und Traumwelt, Kant und seine noumenischen und phänomenologischen Objekte usw.
Diese Auferlegung des Glaubens an eine menschliche Existenz welche nicht verbessert werden kann, beinhaltet notgedrungen ein tiefgehendes Gefühl, dass alles, was man auch tut oder tun könnte, nutzlos ist. Die Klöster sind das klare Beispiel dieses Stillseins.
Es kam aber der unausweichliche Augenblick, an dem das Hirn einiger Menschen gegen diese Auffassung rebellierte. Praktische Menschen übernahmen ohne zu fragen, als an sich natürliches Beschäftigungsgebiet des Menschen, die Gestaltung der Zukunft in die Hand. Die wissenschaftlichen Kenntnisse wurden in die Tat umgesetzt. Männer wie James Brindley, Josiah Wedgwood, John Wilkinson, Matthew Boulton und hunderte andere machten sich an die Arbeit, "Geld zu machen" indem sie das Leben der Armen - eine in grauenerregender Armut und Dunkelheit dahinvegetierende Existenz - veränderten. "Es ist fast witzig, daran zu denken, dass Wollunterwäsche und Seife eine derartige Änderung im Leben der Armen erzeugen konnte," schrieb der großartige Jakob Bronowski in seinem Buch "Der Aufstieg des Menschen", "aber es sind diese einfachen Sachen - Kohle im Herd, Glas in den Fenstern, eine Auswahl von Speisen -, welche diese wunderbaren Verbesserung des Lebenstandards und der Gesundheit hervorriefen. Entsprechend unserer heutigen Normen waren die Industriestädte wahre Lumpenviertel, aber für diejenigen, welche aus den schmutzigen Löcher kamen, in denen sie ihr Leben fristeten, war eine Wohnung eine wahre Befreiung von Hunger, Schmutz und Krankheit; es ergab eine neue, breitgeschichtete Auswahl von Möglichkeiten."
Davon sprach man nicht. Die Intellektuellen und ihre geistlichen Vormunde vertuschten es. Sie konnten die Bestätigung der Falschheit ihrer Dogmen und ihres Glaubens nicht ertragen, denn nun war ihre Vorherrschaft selbst in Bedrängnis gestellt.
Die Männer aber, welche ihr Geld darauf setzten, dass sowohl Reiche wie auch Arme die neuen Produkte, welche sie auf den Markt brachten, kaufen würden, waren die Unternehmer. Die Unternehmer, Wohltäter der Gesellschaft von kolossaler Größe, entwickelten ein Großnetz von Märkten, welches alle gesellschaftlichen Ebenen, wie arm diese auch sein mochten, erreichte. Mittels Maschinen erhöhte sich die Produktivität der menschlichen Arbeit und deren ökonomische Belohnung. "Durch die Organisation der menschlichen Anstrengung in produktive Arbeit," schrieb die geniale Philosophin Ayn Rand (1905-1982), "wurden Beschäftigungen in unzählige Berufe erschaffen. Der Unternehmer ist der Große Befreier, welcher in der kurzen Zeitspanne von eineinhalb Jahrhunderte die Menschen von ihren leiblichen Notwendigkeiten befreite; von Hungersnöten, Pest, der frustrierenden Hoffnungslosigkeit und dem Entsetzen löste, in denen sich die Mehrheit aller Menschen in den vorkapitalistischen Jahrhunderten befand und in denen sich auch heute noch die Mehrheit jener befinden, welche in nichtkapitalistischen Ländern leben."
Karl Marx und Friedrich Engels selbst bekannten sich zu den ungeheuerlichen Vorhaben, die Menschen in die Vorsteinzeit der Ignoranz, der Pest und der intellektuellen und physischen Unterjochung der Steinzeit zurückzuversetzen als sie im "Kommunistischen Manifest" anerkannten, dass "der Kapitalismus durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischten Nationen, in die Zivilisation reißt. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießen, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhass der Barbaren zur Kapitulation zwingen. Sie zwingt alle Nationen sich die Produktionsweise des Kapitalismus anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die so genannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. kapitalistisch zu werden... Der Kapitalismus hat enorme Städte geschaffen, er hat die Zahl der städtischen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entzogen."
Waren diese Unternehmer voll und ganz von kapitalistischen Moralgrundsätzen geprägt? Sicherlich nicht. Die meisten von Ihnen, wenn nicht sogar alle, waren fromme Männer, welche ohne weiteres die christlich-jüdische Moral der Kirchen als Wegweiser ihres Tun anerkannten, genauso wie all ihre Mitbürger. Sie kamen gar nicht auf den Gedanken, dass sie ihre Leistungen nur vollbringen konnten, weil sie sich in der Praxis gegen diese religiösen Anordnungen auflehnten. Adam Smith schrieb neben dem Buch "Der Reichtum der Nationen", in dem er die damalige kapitalistische Struktur und Verhaltensform analysierte, noch ein weiteres, früheres, über die religiöse Moral, die er fälschlicherweise, wie die Philosophin Ayn Rand bezeugen würde, als Grundsatz für die kapitalistische Lebensform hielt.
Diese damaligen Unternehmer hatten kaum einen Sinn für "Soziales" übrig - und es wird im kapitalistischen System jemals etwas geben das sich "sozial" deuten ließe noch dies überhaupt notwendig sei - und versuchten, das Meiste aus ihren Arbeitern herauszuholen, was wiederum völlig richtig ist, da niemand bereit sein soll, weniger Wert für das, was er bezahlt hat, zu bekommen. Aber das, was sie taten, erzeugte eine, wenn auch kleine, so doch merkliche Verbesserung des "Lebensstandards", wobei dieser - und dies sei speziell hervorgehoben - völlig unnatürlich, also menschlich war, da es in der Natur gar keinen gehobenen Lebensstandard gibt. Die Natur kennt nichts anderes als das bare Überleben als Pflanze oder Tier.
Wenn man auf die "unmenschlichen" Arbeitsbedingungen von damals hinweist, wie man dies heute immer wieder gerne tut, da es politisch rührselig klingt, setzt man völlig falsche Vergleiche. Nicht gegenüber den Menschen des 20. Jahrhunderts in den Industriestaaten war die Lebensverbesserung, welche Ende des 18. Jahrhunderts einsetzte, eine solche, sondern im Vergleich zu den vorhergehenden Jahrhunderten.
Niemand verlässt einen befriedigenden Lebensstil für einen schlechteren. Auch die Leute von damals taten es nicht. Sie verließen die erschütternden Zustände des Bauerndaseins für die bessere Lebenserwartung der Industriestädte. Sicher waren diese lausig und dreckig, aber sie waren es weniger als am Bauernhof der damaligen Zeit. Sicherlich mussten die Kinder 14 Stunden pro Tag arbeiten, aber dies waren schon vier Stunden weniger als am Bauernhof und zusätzlich bekamen sie auch noch Milch und Brot, was sich der damalige Bauer nicht leisten konnte, weil er sonst zugrunde gegangen wäre. Die Milch und das Korn musste er dem Lehnsherrn geben oder verkaufen, um überhaupt überleben zu können, und er selbst lebte von gemahlener Hirse und Wasser. So bedeutete die frühkapitalistische Lebensform eine Verbesserung welche Herren wie Marx, Engels, Dickens, usw. nicht sehen wollten, weil sie sowieso von der Unterstützung der Industriellen - wie es Marx über Engels Hilfe und dieser als Nutznießer eines Systems, dessen Zerstörung er sich vorgenommen hatte, taten - oder durch weinerliche Romane, die von den Armen gekauft wurden, da sich Selbstbemitleidung immer gut verkauft und skrupellosen Literaten ein behagliches Leben erlaubt.
Aber den Intellektuellen und ihren Brotgebern war jede Verbesserung des Lebensstandards ein Dorn im Auge. Der Kommunismus in all seinen Formen bot sich als ideales Werkzeug zur Verteidigung ihrer Privilegien und der durch Machtausübung erreichten Stellungen (nicht denn durch Intelligenz und Produktivität) an. Einerseits stellte er sich als Verteidiger der Bevölkerung vor, andererseits setzte er als nicht erklärtes Ziel die Aufrechterhaltung der seit Jahrtausenden bestehenden Gesellschaftsform von Bürokraten und Unterjochten. Die vom Kapitalismus gestartete Lebensverbesserung und die damit verbundenen Gefahren einer Änderung der Gesellschaftsform sollten damit unterbunden werden.
Die Denker im Allgemeinen entzogen sich der Verantwortung der Bevölkerung gegenüber die sich entwickelnde Auflösung des Bestehenden und seiner Ersetzung durch eine sich in ständiger Verbesserung befindenden neuen Lebensform zu erklären. Insgeheim waren beide Seiten auch damit einverstanden. Stillstand verspricht die "Sicherheit" des Bestehenden, dies ist aber ein trügerisches Bild, denn das Universum selbst befindet sich im ständigen Wandel, und die Zeit einer aufgezwungenen Stagnation war schon längst abgelaufen. Die Intellektuellen aber zogen es vor, im Glauben, dass sie damit ihre eigene Lebensgerechtfertigung verlieren würden, das "Wunder" der Lebensverbesserung zu verschweigen. Ihre Gedanken steckten in der Furche einer bestehenden Routine, und so konnten sie auch nicht ihren Pflichten gewachsen sein. Anstatt die Zusammenhänge zu erkennen, welche es ermöglichten, dass die Industrielle Revolution und dem ihr eigenen sozialen System des Kapitalismus ("Ein soziales System, welches auf der Anerkennung der Rechte des Einzelnen, inklusive der Besitzerrechte, gründet, in dem aller Besitztum privater Besitz ist. - Ayn Rand) eine derart großartige Struktur formen konnte. Noch heutzutage befindet sich die Mehrzahl der Intellektuellen in diesen Morast geistigen Stillstandes. Noch immer begehren sie die Unterstützung der Mächtigen, noch immer schrecken sie vor ihnen zusammen. Noch immer tragen sie die Ketten des mittelalterlichen Dogmatismus.
Erst im 20. Jahrhundert würde die Renaissance des Intellektes geschehen. Ayn Rand war die Denkerin, welche, von den Fakten der Realität ausgehend, die Fundamente, die die Existenz der Unternehmer und ihre Gerechtfertigung erst erlauben, folgern würde. Die Unternehmer kennen von Ayn Rands Werke nichts oder kaum etwas. Im europäischen Raum wird sie totgeschwiegen. Ihre intellektuelle Leistung ist nur den in den U.S.A. gebildeten "Neuen Intellektuellen" bekannt. Diese Leistung hat einen Namen: die Philosophie des Objektivismus. Da sie auf den Verstand gründet, ist sie der Anfang und das Ende der Philosophie überhaupt.
Während die Menschen unter der Prämisse des Altruismus leben (das ist der Zwang für den Nächsten als Gerechtfertigung der eigenen Existenz zu leben), ist nichts Weiteres als Stagnierung und Resignation möglich. Der Altruismus ist die Anerkennung der Aufopferung für den Nächsten, die "Moral" der Kannibalen, welche sich gegenseitig verzehren. Der Altruismus ist mit dem Kapitalismus unvereinbar da dieser "die ständige Anstrengung bedeutet, das eigene Leben zu verbessern indem seine Bedürfnisse und Sehnsüchte befriedigt werden. Die Praxis der Entsagung, die Anbetung der Selbstpeinigung und der Selbstaufopferung, das Überleben durch Almosen ist die Definition jedes Urwaldstammes, jeder kollektivistischen "Gesellschaftsordnung" selbst, Gesellschaften also, in denen der Einzelne den Launen von Prinzen und Häuptlingen unterliegt" (Ayn Rand).
"Es ist hier", schrieb Ayn Rand, "wo sich der unüberwindliche Abgrund zwischen Unternehmer und Altruismus und das daraus entstehende Schuldgefühl entwickelt hat. Denn die Unternehmer opfern sich nicht für ihren Nächsten - würden sie dies tun stünden sie unmittelbar vor dem Bankrott - sondern verdienen, bereichern sich und erreichen Belohnungen, wie es ein rationales, moralisches System vorschreibt. Gerade deshalb aber hassen die Altruisten-Kollektivisten den Geschäftsmann. Sie tun es nicht, weil sie vermeintlich die "Armen" bemitleiden. Sie hassen den Unternehmer weil er erfolgreich ist, und sie benutzen den Neid als Mittel, um ihn zu erniedrigen und als schuldig zu verschreien. Ihre tiefste Sehnsucht, eine Sehnsucht, deren sie zu feige sind, sie sich selbst einzugestehen, ist es den sich mit Fleiß und Produktivität erhaltenden Teil der Bevölkerung im Sumpf des Stillstandes knien zu sehen. Nur so könnten sie sich ihres eigenen Schuldgefühles des Nichtstuns entledigen."
So aber finden sich die Unternehmer von Schuldgefühlen bedrängt. Sie stehen im krassen Widerspruch zu den alten "moralischen" Werten mit denen sie erzogen wurden und der Realität, welche ihnen vorschreibt wie sie sich als Unternehmer zu verhalten haben. Die Geschäftsmänner vertreten weder das Willkürliche, das Kapriziöse noch das Irrationale, sondern die totale Einschaltung jener Fähigkeit, welche ausschließlich dem menschlichen Hirn gehört: der Verstand. Sie vertreten die praktische Verwirklichung des Menschen in seiner höchsten Tugend: ein rationales Wesen.
Die Unternehmer und deren intellektuelle Stütze, die Neuen Intellektuellen welche die Existenz des Kapitalismus als einzig mögliche menschliche Gesellschaftsform mittels Ayn Rands Philosophie begründen und gerechtfertigten, können die Selbstzerstörung der Menschheit verhindern, wenn noch genügend Zeit für eine völlige Änderung der von den Menschen anerkannten philosophisch-moralischen Grundlagen vorhanden ist. Hier gewährt keine "Mitte-des-Weges" Lösung irgendwelche Hilfe, denn solche sind ein unstabiles, radioaktives Element. Die Gegenüberstellung wird sich zwischen dem Kommunismus, der noch immer intellektuell allgegenwärtig ist, und dem Objektivismus abspielen, also zwischen einem Sklavenlager, in dem die Peitschen der Bestien herrschen, und einer rationellen Gesellschaft für rationelle Menschen. Hier stehen sich die auf den Verstand gründende Moral, eine Moral des Individuums, der Egoismus also, und der Altruismus gegenüber.
"Die gewünschte kapitalistische Welt kann errichtet werden, sie ist wahrhaftig und möglich", sagte Ayn Rand in einem "Playboy"-Interview gegenüber Alvin Toffler. "Doch sie zu gewinnen", schrieb sie in ihrem Meisterwerk "Wer ist John Galt?" (Gewis Verlag), "erfordert totale Hingabe und einen totalen Bruch mit der Welt eurer Vergangenheit, mit der Doktrin, dass der Mensch ein Opfertier ist, das zum Nutzen der anderen lebt. Kämpft für den Wert eurer Persönlichkeit. Kämpft für die Tugend eures Stolzes. Kämpft für das, was der Mensch ist: für seinen souveränen denkenden Verstand. Kämpft mit der klaren Sicherheit und der absoluten Aufrichtigkeit eures Wesens, dass eure Moral die Moral des Lebens ist, und dass euer Kampf der Kampf um die Verwirklichung aller Werte, aller Größe, aller Güte und aller Freude ist, die auf dieser Erde möglich sind."
Und von hier ausgehend wird es den Unternehmern sehr einfach sein zu wissen, entsprechend welcher Moral sie zu agieren haben, welche Ideen sie unterstützen sollten, welche als unnötigen Ballast abwerfen, um somit selbst die Richtlinien der neuen Gesellschaft mitzubestimmen und sich hiermit für das Wohin ihres Weges zu entscheiden!
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Copyright (c) 2004, Manfred F. Schieder. Dieser Artikel erschien ursprünglich in spanischer Sprache in der Ausgabe vom November 1984 der Zeitschrift "A Fondo" in Buenos Aires, Argentinien.Die Urheberrechte dieses Artikels liegen bei Manfred F. Schieder, dem Autor, welcher auch das Recht zu eventuellen Änderungen, Aktualisierungen und Zusätze behält. Er ist Privatbesitz, darf aber vom Leser elektronisch, als Hardcopy oder in irgendwelcher anderen Art zur größtmöglichen Verbreitung weitergeleitet werden, solange der Name des Autors erwähnt und der Inhalt in keiner Weise abgeändert oder verfälscht wird.

Montag, November 01, 2004

Objektivismus in Tschechien und der Slowakei

Im Objectivism Online Forum stellt sich Vavrinec aus der Tschechischen Republik vor und verweist auf die offizielle tschechische Übersetzung von Leonard Peikoffs Standardwerk Objectivism - The Philosphy of Ayn Rand durch Jiri Kinkor. Tschechisch ist somit neben Englisch die einzige Sprache in der dieses wichtige Werke über Ayn Rands Philosophie zur Verfügung steht. Natürlich muss man es als sehr bedauerlich bezeichnen, dass es keine offizielle deutsche Übersetzung gibt, aber ich kann nur empfehlen, sich das englische Original anzuschaffen und nach und nach durchzuarbeiten. Trotz der tschechischen Übersetzung ist der Objektivismus den "normalen Leuten" in der Tschechischen Republik natürlich unbekannt. Manche Leute, schreibt Vavrinec, sehen die Objektivismus allerdings als interessante Kuriosität an, wo sie hin und wieder Argumente ausleihen können. Der jetzige Präsident Vaclav Klaus bezeichnete einmal in einer Diskussion den Objektivismus als "großartiges deduktives System". Auch andere "rechte" Politiker kennen den Objektivismus und nutzen ihn als ein Werkzeug unter vielen zur Verteidigung des Kapitalismus. Tatsächlich benutzen sie auch den Begriff "Kapitalismus", was bei uns in Deutschland selbst bei der FDP unüblich ist. Dort wird nur von "Marktwirtschaft" oder gar "sozialer Marktwirtschaft" gesprochen. Vavrinec schreibt dann noch, dass in Tschechien zumindest eine kleine, aber entschlossene Gruppe, meistens junger Menschen, existiert, die ernsthaft den Objektivismus studiert. Und dann noch sein aktueller Nachsatz: "Es ist schade, dass wir in die EU eingetreten sind - ein Garten Eden für Bürokraten."
Wie mir Jiri Kinkor mitteilte, wurde kürzlich in der Tschechischen Republik von einigen tschechischen Objektivisten das Galtuv Institut gegründet, um die Anstrengungen zur Verbreitung des Objektivismus in Tschechien zu institutionalisieren. Die Idee, auf europäischer Ebene Objektivisten zu vernetzen, hält Kinkor zwar für gut, sieht sich aber aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, persönlich einen Beitrag dazu zu leisten.

In der benachbarten Slowakei können interessierte Leser seit dem letzten Herbst Ayn Rands Erfolgsroman Atlas Shrugged nun auch unter dem Titel Atlas Pokrèil Plecami (Atlas zuckt mit den Schultern) auf Slowakisch lesen. In der slowakischen Ausgabe mutiert die Autorin allerdings zu Ayn Randová, was für den slowakischen Leser natürlich ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass es sich um eine weibliche Autorin handelt. Der Übersetzer Alfred Nicholson schreibt in seinem Vorwort: "Dies ist mein Geschenk an die Slowakei". Im Gegensatz zur deutschen Ausgabe findet sich in der slowakischen sogar eine Übersetzung von Leonard Peikoffs Vorwort zum 35. Jahrestag der Erscheinung von Atlas Shrugged.

Freitag, Oktober 01, 2004

Der Krieg der Ideen und die Aufgabe der objektivistischen Klubs

Alex Epstein wendet sich auf seiner Website einem Thema zu, dass für Deutschland, Österreich oder die Schweiz -leider- nur eine theoretische Bedeutung hat: Wie führe ich einen objektivistischen Klub an einer Universität? Trotzdem scheint mir seine Antwort von Interesse zu sein, nicht nur für zukünftige Strukturen an Universitäten, sondern allgemein für jeden, der sich mit dem Objektivismus beschaftigt und aus dieser Philosophie Nutzen für sein persönliches Leben ziehen möchte. Epstein schreibt, dass die Leitung eines objektivistischen Universitätsklubs eine enorme Herausforderung darstellt, weil man Studenten dazu bewegen muss, sich in ihrer freien Zeit mit Philosophie zu beschäftigen, was die meisten Studenten auf den ersten Blick als wenig attraktiv ansehen dürften. Aber diesen skeptischen Studenten kann ein fantastisches Angebot gemacht werden: "Die Philosophie, die Sie verkaufen, ist alles andere als sinnlos - sie ist der Schlüssel zu einem fantastischen Leben. Wenn jemand den Objektivismus konsequent praktiziert, kann er eine aufregende Karriere erreichen, eine leidenschaftliche romatische Liebe, enge Freundschaften und eine tiefe Bewunderung für die Kunst. Studenten sollten den Klub als ein Mittel zu einem glücklicheren, erfüllten Leben ansehen - nicht als Ort, wo Ideen in einem Vakuum diskutiert werden, aus irgendeiner intellektuellen Pflicht heraus." Epstein warnt davor, im Klub abseitige politische Themen zu diskutieren, wie Liberalismus, Anarchismus, die Finanzierung des Staates ohne Steuern, Rechte von geistig behinderten Menschen etc. Dies sei der beste Weg, gute Studenten zu vergraulen. Er empfiehlt, zumindest zu Beginn, eine Diskussion der objektivistischen Ethik, des zentalen Zweiges der Philosophie, aus dem die Studenten den größten Nutzen ziehen können, um ein erfolgreiches Leben zu führen. Nach jedem Treffen sollten die Studenten ein größeres Verständnis für den Objektivismus haben und seiner Bedeutung für ihr eigenes Leben. Aber es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor für einen objektivistischen Klub, den Epstein anspricht, nämlich die Person des Leiters: "Für einen Klubleiter ist es notwendig, dass dieser den Objektivismus selbst praktiziert. Dies bedeutet, ein lebendes Beispiel zu werden, für den Lohn, den man erhält, wenn man nach einer rationalen Philosophie lebt."

Eine Tatsache, mit der Leiter und Mitglieder objektivistischer Klubs auch konfrontiert werden dürften, ist die Existenz mindestens zweier Organisationen, die vorgeben, für den Objektivismus zu sprechen: das Ayn Rand Institute und The Objectivist Center. In einer E-Mail-Aktion versuchte kürzlich sogar das TOC Mitglieder von universitären objektivistischen Klubs, die vom ARI unterstützt werden, auf ihre Seite zu ziehen und geizte dabei nicht mit Angriffen gegen das ARI: "Während das ARI Ayn Rand praktisch vergöttert und den Studenten beibringt, ihre Schriften und Ideen nachzuplappern, hat sich das TOC ein engagiertes, respektvolles und unabhängiges Studium ihres reichen Gedankensystems zur Aufgabe gemacht. Kritik und Fragen werden akzeptiert und offen diskutiert, und nicht unterdrückt."
Don Watkins nennt diese Vorwürfe gegen das ARI auf seinem Blog "so weit von der Wirklichkeit entfernt, dass sie mich nicht einmal mehr ärgern."

In Deutschland, Österreich oder der Schweiz gibt es meines Wissens nach an keiner Universität einen objektivistischen Klubs, und, ehrlich gesagt, ich rechne eigentlich auch nicht damit, dass sich dies in den nächsten Jahren ändern wird, aber Leser für meinen Objektivist.blogspot gibt es immerhin an folgenden deutschen Universitäten:Uni Regensburg, Fachhochschule Hof, Uni Jena, Uni Magdeburg, Uni Stuttgart, Uni Tübingen, Uni Leipzig, Uni Ulm, Uni Kassel, Uni Münster, Uni Mainz, Uni Weimar, Uni Marbung, Uni Frankfurt, Uni München und MH Hannover. Nicht zu vergessen: Auch an der Uni Wien gibt es mindestens einen Stammleser

Neues vom Ayn Rand Institute

Wer immer außerhalb der USA eine objektivistische Organisation gründen möchte oder die Ideen des Objektivismus fördern möchte, sollte sich keine Unterstützung vom amerikanischen Ayn Rand Institute (ARI) erwarten, denn das Institut bleibt auf die USA fokussiert und unternimmt keine "substanziellen Anstrengungen" zur Unterstützung des Objektivismus außerhalb Nord-Amerikas. Der primäre Grund dafür, so Dr. Yaron Brook, der Executive Director des ARI, in einer Online-Diskussion, seien die fehlenden Ressourcen. Es spielen aber auch fehlende Kontrollmöglichkeiten bei Organisationen außerhalb Amerikas eine Rolle, so Brook in Beantwortung einer anderen Frage. Angesichts der Bedeutung der "Reinheit der philosophischen Botschaft" sei eine Kontrolle der Botschaft einer verbundenen Organisation unerläßlich. In dieser Fragerunde fällt allerdings auch auf, dass Brook Dogmatismus bei der Propagierung von Ideen für fehlerhaft hält, wo doch dem ARI genau dies immer nachgesagt wird. Das Budget des ARI beläuft sich derzeit auf ungefähr 4,5 Mill. Dollar, was im Vergleich zu früheren Jahren erheblich ist, aber angesichts der Größe der Mission doch eher gering, wie Yaron Brook bedauernd feststellt. Bei dem Einsatz der Mittel des ARI spielen Aufsatzwettbewerbe eine wichtige Rolle zur Förderung der Ideen des Objektivismus. In diesem Jahr hat das Institut 14 000 Aufsätze von Schülern im Rahmen des Wettbewerbs erhalten. Insgesamt wurden 50 000 Exemplare von The Fountainhead und Anthem an insgesamt über 1 000 Lehrer ausgeliefert. Und dies soll noch keineswegs das Ende der Fahnenstange darstellen. Für Personen die schon etwas intensiver mit dem Objektivismus und Ayn Rand beschäftigt haben, sind die Kurse des Objectivist Academic Center (OAC) gedacht. Hier sollen zukünftige objektivistische Intellektuelle mit der Philosophie des Objektivismus durch ein vierjähriges Studium näher vertraut gemacht werden. Bewerber müssen allerdings unter anderem ein Aufnahmeexamen bestehen. Dort werden Kenntnisse aus folgenden Büchern erwartet: The Fountainhead, Atlas Shrugged, The Virtue of Selfishness und Capitalism: The Unknown Ideal. Ausländische Studenten können sich selbstverständlich auch für das OAC bewerben. (Nähere Informationen siehe hier) "Formale Programme" zum Studium des Objektivimus werden mittlerweile an der University of Texas, an der University of Pittsburgh und an der Ashland University angeboten. Rands Werke werden auch kontinuierlich in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt. Allerdings weist Yaron Brook daraufhin, dass die meisten dieser Übersetzungen sich nicht gut verkaufen. Dies ganz im Gegensatz zu den USA, wo der Verkauf der Bücher immer noch immens ist. In den kommenden Monaten wird auch das Internetangebot des ARI überarbeitet werden (Mittlerweile ist der Umbau der Website erfolgt). Insgesamt 1 000 Seiten stehen hier mittlerweile dem interessierten Leser zur Verfügung.