Dienstag, Januar 02, 2007

Todesstrafe

Gegenwärtig wird in der Bloggosphäre wieder einmal hitzig um die Todesstrafe debattiert. Dabei herrschen zumeist ablehnende Einstellungen vor, welche die Todesstrafe als einen illegitimen, barbarischen Akt verteufeln. So titelt beispielsweise jo@chim vom Antibürokratietum: "Mord mit Mord vergolten". Das ist so aber nicht korrekt. Mord ist die Bezeichnung für die absichtsvolle Tötung eines anderen Menschen, und somit für einen Rechtsbruch. Die Todesstrafe aber ist kein Rechtsbruch.

Um das zu verstehen, sollten wir uns klar machen, was Recht bzw. Rechte eigentlich sind und wann sie gelten. Nehmen wir beispielsweise den Fall Robinson Crusoes, der einsam auf einer Insel lebt. Es wäre recht absurd darüber nachzudenken oder zu diskutieren, welche Rechte er hat. Er bedarf ihrer nicht, denn es besteht keine Gefahr, dass er in seinem Handeln mit anderen Menschen in Konflikt gerät. Rechte sind nur dort nötig und relevant, wo das Handeln mehrerer Menschen potenziell in Konflikt geraten kann.

Deshalb ist auch die einzig sinnvolle Definition von Rechten die folgende: Rechte sind sind moralische Prinzipien, welche den Handlungsspielraum eines Menschen in einem gesellschaftlichen Kontext regeln. Sie sind nicht intrinsisch, sondern objektiv; d.h. sie gelten nicht immer und überall, als seien sie dem Menschen innewohnend, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen, in einem bestimmten Kontext. Hierbei schließen diese Rechte aus, dass ein Mensch in dem durch sie geschützten Bereich die Erlaubnis anderer zum Handeln bedarf und diese ihn nicht durch Zwang oder Gewalt am Handeln hindern dürfen.

Wie sieht das nun konkret im Fall der Todesstrafe respektive allgemein bei Strafen überhaupt aus? Denn der Akt des Strafens besteht dezidiert in einer Anwendung von Zwang und Gewalt: Wer einen Menschen einsperrt, der schränkt seine Handlungsmöglichkeiten ein; wer ihm eine Geldstrafe auferlegt, der zwingt ihn einen Teil seines Eigentums abzuliefern. Wer die Todesstrafe an einem Menschen vollzieht, der beraubt ihn überhaupt jedweder Möglichkeit, jemals wieder zu handeln. Wer Rechte als intrinsisch setzt, in ihrer Gültigkeit also keinerlei Ausnahmen zulässt, für den wird es zu einer Unmöglichkeit Akte der Bestrafung zu legitimieren.

Wie aber kann man nun den vergeltenden Einsatz von Zwang und Gewalt zwecks Bestrafung rechtfertigen?

Wie wir gesehen haben, sind Rechte nicht intrinsisch, sondern objektiv, d.h. nur unter bestimmten Voraussetzungen gültig, der Begriff des Rechtes nur in bestimmten Kontexten anwendbar. Der Bereich, in dem die Konzeption der Bestrafung ihren Platz hat, ist solch ein Kontext, in dem der Schutz, den Rechte bieten, für den Bestraften nicht einforderbar ist. Wie das?

Machen wir uns folgendes klar: Das Universum ist in sich widerspruchsfrei aufgebaut. A ist A. Und ein Mensch darf sich durch sein Handeln nicht in einen Selbstwiderspruch verwickeln. Dies tut aber ein Mensch, der durch sein Handeln die Rechte anderer negiert, den Schutz des Rechts aber für sich selbst einfordert. Indem er gegenüber anderen Menschen Zwang und Gewalt initiiert, verleiht er durch sein Handeln der Ansicht Ausdruck, dass es soetwas wie Rechte, die ein derartiges Handeln unterbinden würden, nicht gibt. Er negiert den Begriff des Rechtes und verlässt damit den Kontext, in dem Rechte gültig sind, in dem der Rechtsbegriff überhaupt anwendbar ist. Wenn er die Existenz von Rechten bei anderen leugnet, kann er sie nicht für sich selbst einfordern. Wenn er andere durch Zwang und Gewalt bedroht, dann muss er notgedrungen akzeptieren, dass auch er nicht vor dem Einsatz von Zwang und Gewalt durch andere gefeit ist.

Dies ist sowohl die philosophische Legitimation für Akte der Notwehr, als auch für Akte der Bestrafung durch den Staat. Die Verletzung eines Rechtes durch einen Menschen muss vergolten werden, indem man ihm durch Bestrafung seiner selbst aufzeigt, was die Negation des betreffenden Rechtes bedeutet.

Und hier ist auch die Todesstrafe einzuordnen: Wer das grundlegendste aller Rechte --nämlich das Recht, zu leben -- eines anderen Menschen negiert und dessen Leben absichtsvoll auslöscht, der begibt sich vollkommen ausserhalb jedweden Rechtes; der verwirkt sein eigenes Recht, zu leben. Der Tod ist die einzig angemessene, einzig gerechte Strafe für eine derartige Tat.

Nachtrag: In meinem gestrigen Beitrag zur philosophischen Legitimation der Todesstrafe im Besonderen und des Strafens überhaupt im Allgemeinen schrieb ich: Die Verletzung eines Rechtes durch einen Menschen muss vergolten werden, indem man ihm durch Bestrafung seiner selbst aufzeigt, was die Negation des betreffenden Rechtes bedeutet.

Dieser Satz impliziert das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, d.h. das eine Strafe im Verhältnis zur begangenen Tat stehen soll. Ich möchte versuchen, diesen Satz etwas weiter auszuführen und dabei gleich zu erläutern, warum die Todesstrafe im Fall eines Mordes die einzige verhältnismäßige Strafe ist.

Der grundsätzliche Gedanke des verhältnismäßigen Strafens besteht darin, dass die Tat eines Menschen, durch die er das Recht eines anderen Menschen verletzt, auf diesen zurückgeworfen werden soll. Auf diese Art soll dem Täter, anhand des Rückwurfs der Konsequenzen seiner Tat auf ihn selbst, aufgezeigt werden, was seine Tat und die damit verbundene Negation eines Rechtes eigentlich bedeutet. Möglich gemacht wird das verhältnismäßige Strafen dadurch, dass nicht jede Rechtsverletzung von gleicher Schwere ist; dass es unterschiedliche Ausmaße gibt, in denen eine Tat Rechte verletzt. Eine Vergewaltigung ist beispielsweise eine weitaus schwerere Verletzung von Rechten als ein Taschendiebstahl.

Prinzipiell handelt es sich bei der Idee des verhältnismäßigen Strafens um die alttestamentarische Konzeption des "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Diese wird heutzutage oft als barbarisch bezeichnet, da sie vorgeblich nur auf Rache aus sei. Dies ist aber nicht der Fall: Rache ist unmäßig und kennt keine Grenzen; sie kennt kein Maß und Verhältnis. Ein gerechtes Strafen ist aber ein solches, welches die Strafe ins Verhältnis zur Schwere der begangenen Tat setzt. Dies ist beim "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Prinzip der Fall.

Dennoch ist diese Konzeption, zumindest so man sie wortwörtlich nimmt, in anderer Hinsicht etwas veraltet. Denn es erweist sich für ein modernes, formalisieres Justizwesen als recht impraktikabel und aufwendig, teilweise sogar als regelrecht unmöglich, dem Täter exakt das Gleiche zuzufügen, wie er seinem Opfer angetan hat. Deshalb muss dieser Grundsatz in übertragenem Sinne verstanden werden: Eine Strafe soll in ihrer Härte für den Täter der Schwere des begangenen Verbrechens entsprechend. Auf diese Art wird es dann möglich, eine Vergewaltung auch mit Freiheitsentzug zu bestrafen, anstatt mit einer Gegenvergewaltigung.

Wenn dem aber so ist, dass man in der Regel Substitutivstrafen verhängen kann und in der Praxis auch tatsächlich verhängt, weshalb sollte man dann ausgerechnet Mord mit der Tötung des Täters vergelten, und nicht auch mit einer solchen Substitutivstrafe, wie beispielsweise lebenslanger Freiheitsentzug mit Sicherheitsverwahrung?

Dazu sollten wir uns überlegen, was Mord bedeutet und welche Schwere diesem Verbrechen beizumessen ist. Mord bedeutet die absichtsvolle Tötung eines anderen Menschen. Er bedeutet für den getöteten Menschen die Negation seines Rechtes, zu leben. Dieses Recht ist das grundlegenste aller Rechte, ohne dessen Beachtung auch die Wahrnehmung anderer Rechte (wie Eigentum oder Streben nach Glück) nicht mehr möglich ist. Wer das Recht, zu leben, durch seine Tat negiert, der negiert ausnahmslos sämtliche Rechte, die ein Mensch überhaupt haben kann. Er beendet ein Menschenleben; eine Tat, für die keine Wiedergutmachung am Opfer möglich ist.

Die absichtsvolle Negation des Rechtes, zu leben, ist das von der Schwere her schlimmste Verbrechen, das ein Mensch begehen kann. Mord ist das ultimative Verbrechen. Und ebenso wie Mord das ultimative Verbrechen ist, so ist auch die Todesstrafe die ultimative Strafe.

Mord ist ein Verbrechen von solcher Abscheulichkeit und Monstrosität, dass keine Substitutivstrafe dem gerecht werden könnte. Das ultimative Verbrechen verdient nichts weniger als die ultimative Strafe. Im Fall der absichtsvollen Tötung eines Menschen kann nur die vergeltende Tötung des Mörders eine gerechte Strafe sein.



Quelle: Heroic Dreams (Erstveröffentlichung 18.12.2005, Nachtrag vom 19.12.2005)

3 comments:

F.M.R. hat gesagt…

Ein sehr guter Beitrag, danke dafür. Sie ahnen sicher nicht, wie nah sie damit an der Argumentation (Haltung ohnehin) eines gewissen Philosophen sind, den Sie ansonsten so gern anzugreifen pflegen.

Beste Grüße
Bodo Wünsch

Anonym hat gesagt…

Selten so einen Dreck gelesen. Wie verhält es sich denn, wenn ein Unschuldiger (wie es sich z.B. nach einem späteren Geständnis oder DNS Beweis herausgestellt hat) hingerichet wurde? Wie wird dann dieser Raub des Lebens vergolten? Aber Objektivisten verurteilen wahrscheinlich niemand unschuldig zu Tode, was? Vielleicht möchten Sie sich aber auch zur Verfügung stellen, um z.B. einen Vergewaltiger zu vergewaltigen. Auge um Auge... Das sind alles kleine, kümmerliche Allmachtsphantasien, die Sie hier ausleben.

Wolfgang hat gesagt…

Lieber Patrick, bitte etwas weniger Emotionalismus in der Sprache, gerade weil dieses Thema so "heiss" ist. Tatsächlich ist die Frage die Exekution eines Unschuldigen so schwerwiegend, dass man tatsächlich von der Todesstrafe absehen könnte. Bei den tatsächlich rechtsstaatlich überführten Mördern (!) sehe ich moralisch kein Problem mit der Todesstrafe. Objektivisten bejahen darüber hinaus eine Proportionalität der Strafe, und keine Gleichartigkeit.