Donnerstag, August 17, 2006

Was ist Kapitalismus?

Objektivistischer Sachliteratur in deutscher Sprache ist äußerst spärlich vorhanden, aber es gibt sie immerhin. Ayn Rands Aufsatz "What is Capitalism?" (erschienen in: Ayn Rand: Capitalism: The Unknown Ideal) gibt es in einer deutschen Übersetzung in dem Sammelband "Kapitalismus - Nutzen und Moral" herausgegeben von Gerd-Klaus Kaltenbrunner. Das Buch aus dem Jahr 1982 ist antiquarisch erhältlich.
In der Einleitung zu dem Aufsatz von Rand schreibt der Herausgeber Kaltenbrunner (der offenbar nicht begriffen hat, dass Rand jedes altruistisches Handeln als unmoralisch ansah, da es aus einem Akt der Aufopferung besteht):

"Niemand hat in unserer Zeit den Sozialismus, den Wohlfahrtsstaat und darüber hinaus die Moral des Altruismus, soweit sie das Gute auf Kosten anderer bewirken will, so schonungslos angeprangert wie diese leidenschaftliche Verfechterin eines als Verwirklichung des Ideals höchstmöglicher Freiheit verstandenen Kapitalismus.
Der folgende Beitrag, der zum ersten Mal in deutscher Sprache erscheint, ist eine Provokation. Er wird bei Liberalen, Christen und Sozialisten auf Widerspruch stoßen. Vielleicht werden aber auch einige Leser den Scharfsinn, die Kühnheit und Brillanz der Aussage bewundern. Obwohl es seit bald siebzig Jahren einen 'real existierenden Sozialismus' in großen Teilen der Welt gibt, werden immer noch sozialistische Utopien entworfen. Sollte man nicht auch zur Abwechslung das intellektuelle Experiment wagen, dem unvollkommenen, inkonsequenten und oft wenig selbstbewußten Kapitalismus die eigene Utopie aufzeigen?
Der Leser möge selbst entscheiden - sein Widerspruch wird nicht nur erwartet, sondern sogar erwünscht. Wie immer seine Entscheidung ausfallen möge: gleichgültig läßt Ayn Rand niemanden, und ihre Thesen verdienen, endlich auch im deutschen Sprachraum diskutiert zu werden."


In ihrem Aufsatz betont Rand die moralische Bedeutung des Kapitalismus, da es das einzige Gesellschaftssystems ist, das der Natur des Menschen angemessen ist:

Der Kapitalismus ist ein soziales System, das auf der Anerkennung von Individualrechten unter Einschluss der Eigentumsrechte beruht und in dem alles Eigentum in privater Hand liegt. (...)
Die moralische Rechtfertigung des Kapitalismus liegt nicht in der altruistischen Behauptung, er sei der beste Weg zur Erzielung des "Allgemeinwohls". Es stimmt zwar, dass er es ist, sofern man diesem Schlagwort überhaupt eine Bedeutung beimisst, doch es handelt sich dabei um einen sekundären Effekt. Die moralische Rechtfertigung des Kapitalismus liegt in der Tatsache, dass er das einzige mit der rationalen Natur des Menschen zu vereinbarende System ist, dass er ein Überleben des Menschen als Mensch garantiert und dass sein Lenkungsprinzip die Gerechtigkeit ist.