Der Philosoph Harry Binswanger vom Ayn Rand Institute bespricht in einem Beitrag für das capitalismmagazine.com das Buch "Lies and the Lying Liars: Who Tell Them" von Al Franken - und verreißt es. Auf die Begründung dieses Verrisses möchte ich aber nicht weiter eingehen, sondern auf eine Bemerkung von Binswanger, die ein mit dem Objektivismus wenig vertrauter Leser vielleicht überlesen könnte. Binswanger hat sich Frankens Buch nicht einfach gekauft und dannn gelesen, sondern ist lediglich in eine Buchhandlung gegangen und hat dort nur ungefähr zehn Minuten in dem Buch geschmökert. Er begründet dies damit, dass er Franken durch den Kauf des Buches nicht "sanktionieren" wolle.
Hinter dem von Objektivisten verwendeten Begriff "moralische Sanktion" verbirgt sich die Idee, seinen Feinden keinerlei Unterstützung oder Hilfe zukommen zu lassen. Rand ging davon aus, dass das Böse nur dadurch existieren könne, weil es sich in irgendeiner Weise vom Guten nährt. Bei ihrer letzten öffentlichen Rede vor Geschäftsleuten forderte Rand diese auf, antikapitalistische Institutionen nicht mehr zu unterstützen: "Es ist ein moralisches Verbrechen, Geld zur Unterstützung von Ideen auszugeben, mit denen man nicht übereinstimmt. Es ist ein moralisches Verbrechen, Geld auszugeben, um seine eigene Zerstörung zu unterstützen." Die bösen Figuren brauchen die Sanktion der guten Menschen, um sich gerechtfertigt zu fühlen in ihrem bösartigen Tun. Rand sah sogar ein Schweigen in bestimmten Situationen, wo dieses objektiv als Zustimmung oder Sanktion des Böse gewertet werden könnte, als moralisch verwerflich an. Mindestens solle man dann feststellen, dass man nicht übereinstimmt. Konsequenterweise verwarf Rand auch den Kompromiss als dumme und destruktive Idee. Die Frage stellt sich allerdings, und ist unter Objektivisten umstritten, wer oder was böse ist und wann eine Sanktion überhaupt vorliegt. Dass kommunistische oder faschistische Organisationen oder Ideen nicht unterstützt werden sollten, ist eindeutig und klar, aber wie verhält es sich mit libertären Organisationen, die sich nicht als objektivistisch verstehen. Ist bereits die Rede eines Objektivisten bei einer Veranstaltung von Libertären eine Sanktion des Bösen? Das Ayn Rand Institute sieht den libertarianism als inhärent böse an. Im Jahr 1989 wurde David Kelley nach einem Vortrag vor Libertären formell von Leonard Peikoff verurteilt. Später verließ Kelley dann das Ayn Rand Institute und gründete eine eigene Organisation, die heute The Objectivist Center heißt. In seinem Buch Objectivism: The Philosophy of Ayn Rand scheint Leonard Peikoff auf die libertarians anzuspielen, wenn er schreibt: "In der Regel sind die Verteidiger des Kapitalismus schlimmer gewesen -mit größerer offener Irrationalität- als seine Gegner."
Für Ayn Rand war die Notwendigkeit, das Böse zu verurteilen, ein moralisches Prinzip. Welche Bedeutung moralische Prinzipien für Objektivisten haben, macht Peter Schwartz in seinem Aufsatz On Moral Sanctions deutlich: "Die moralischen Prinzipien des Objektivismus identifizieren die Art von Handlung - die einzige Art von Handlung -, die sich in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Realität befindet und die deshalb nützlich für das Leben des Menschen ist." Dass Libertarismus etwas Böses verkörpert, daran läßt Peter Schwartz in seinem Aufsatz keinen Zweifel: "Ist der Libertarismus eine bösartige Doktrin? Ja, wenn das Böse das Irrationale und Destruktive ist. (...) Subjektivismus, Amoralismus und Anarchismus sind nicht nur in gewissen 'Flügeln' der libertären Bewegung präsent; sie sind ihr integraler Bestandteil." Daraus folgt für Schwartz natürlich zwingend, dass der Libertarismus, wie andere vergleichbare Bedrohungen auch, boykottiert und verurteilt werden müssen, was eben David Kelley unterlassen hatte. Eine Kosten-Nutzen-Analyse könne nur dann durchgeführt werden, wenn eine Handlung als übereinstimmend mit moralischen Prinzipien beurteilt worden sei, so Schwartz weiter.
Logan Feys weist in seinem Aufsatz Libertarianism - An Objective Evaluation allerdings daraufhin, dass bei Peter Schwartz Worte und Taten nicht übereinstimmen. Schwartz hatte früher selbst für das libertäre Magazin Reason geschrieben, was Schwartz später als Fehler bezeichnete. Selbst das Ayn Rand Bookstore (ARB) bietet immer wieder Werke von Autoren an, die als libertär bezeichnet werden können, so zum Beispiel Henry Hazlitt und Ludwig von Mises, die sich bis zum heutigen Tag im Programm des Ayn Rand Bookstore befinden. Vor kurzem -im Frühjahrskatalog 2001 des ARB sogar auf der Titelseite - bot das Ayn Rand Bookstore auch ein Buch von Larry Elder an, der sich selbst ausdrücklich als Libertärer bezeichnet. Persönlichkeiten wie Hazlitt oder von Mises werden allerdings vom Ayn Rand Institute und dem Ayn Rand Bookstore in das Lager des Konservatismus eingeordnet, um den Problem auszuweichen, Libertäre "sanktionieren" zu müssen. Wer sich allerdings das Lexikon des Konservatismus ansieht, entdeckt zwar einen recht umfangreichen (und wohlwollenden) Beitrag über Ludwig von Mises, der Autor läßt allerdings keinen Zweifel daran aufkommen, dass von Mises als ein Vertreter des Klassischen Liberalismus angesehen werden muss, auch wenn der Autor von Mises' Inspiration auf den amerikanischen Konservatismus anerkennt. Henry Hazlitt wird im genannten Lexikon als "Libertärer" bezeichnet. Auch der liberale Autor Gerd Habermann bezeichnet von Mises in seinem Buch Der Wohlfahrtsstaat als "Erzvater des wiedererstarkten Liberalismus."
Ayn Rand selbst hatte in einem Interview im Jahr 1964, anders als Schwartz, durchaus differenziert das libertäre Lager betrachtet, wenn auch ihre späteren Äußerungen zunehmend negativer wurden. Auf die Frage, ob es "Konservative" gebe, die eine rationale Rechtfertigung für die Kapitalismus lieferten, sagte sie: "Oh ja, die gibt es. Gewöhnlich nennt man sie Liberale ("libertarians"). Dies ist eine Gruppe, welche zum Beispiel Ludwig von Mises und Henry Hazlitt als ihre besten Exponenten einschließt. Sie sind Verteidiger des Kapitalismus auf einer nicht-mystischen, wissenschaftlichen Basis."
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