Sonntag, September 28, 2008

Mittelalter: Zwischen Pest und Pogrom

Wer heutzutage nicht gerade in Nordkorea oder an ähnlich ungemütlichen Orten sein Dasein fristet, wird wohl kaum auf den Gedanken kommen, sich mittels eines Zeitsprunges in das Mittelalter zu katapultieren, um dort sein Leben genießen zu können. Den Alltag in einer mittelalterlichen Stadt –Augsburg- zeigt der Historiker Kay Peter Jankrift in seinem Buch „Henker, Huren, Handelsherren“ , und wer Jacques Schusters Rezension „Zwischen Pest und Pogrom“ gelesen hat, sollte sich einen Moment tiefer Dankbarkeit gönnen, dass er das 21. Jahrhundert in Ländern wie den USA, Deutschland oder Österreich erleben darf. Schuster empfiehlt das Werk von Jankrift durchaus, wenn er schreibt, dass es dem Autor tatsächlich gelingt, „das Leben der Stadt mit ihren wenigen Licht- und vielen Schattenseiten anhand der Quellen darzustellen, also wissenschaftlich zu bleiben und doch farbig zu zeigen, wie der Städter des Mittelalters lebte, wie er liebte, wie er starb.“ Farbig und anschaulich dürften die Darstellungen der barbarischen Hinrichtungspraktiken , der Prostitution in den „Frauenhäusern“ oder das Wüten der Pest, für das die Juden verantwortlich gemacht wurden, in der Tat ausgefallen sein. Man fragt sich allerdings schon, ob Jankrift sich auch dem Ideengebäude jener Zeit zuwendet, das den gewaltigen Irrationalismus erst möglich werden ließ. Das Wort „Religion“ taucht jedenfalls in dem Artikel von Schuster nicht auf. Dieser repetiert allerdings eine Interpretation jenes dunklen Zeitalters von Norbert Elias, und es bleibt die Hoffnung, dass Kay Peter Jankrift doch ein wenig von der These „Ideen haben Konsequenzen“ in sein Buch mitgenommen hat:


In seinem „Prozess der Zivilisation“ beschreibt er den Gang der menschlichen
Entwicklung vom Mittelalter bis in die Gegenwart als einen Prozess der
Triebeindämmung. Im Mittelalter habe mehr Unsicherheit und Freiheit geherrscht,
es gleichzeitig aber auch mehr Möglichkeiten gegeben, die eigenen Triebe
auszuleben. Je zivilisierter der Mensch wurde, desto gesitteter wurde
er. Ob er damit glücklich geworden ist, lässt Elias offen.

1 comments:

Anonym hat gesagt…

Norbert Elias ist der vrmtl einflussreichste Zivilisationstheoretiker. Und gleichzeitig ist seine Theorie, in der er stark auf das Freud'sche Über-Ich Konstrukt zurückgreift, m.E. eher unbefriedigen, zumal der ganze Zivilisationsprozess mehr als der Produkt einer Entwicklungslogik von Strukturen betrachtet wird (ganz neomarxistisch eben), denn als das Ergebnis kulturell dominanter Überzeugungen, die Mentalität und Handeln formen.

Da liegt noch ein ganzer Brocken Arbeit vor mir. *g*