Wenn man auf der Straße jemanden fragt, was er unter Kausalität versteht, dann bekommt man in der Regel etwas zurück wie "Jede Wirkung hat eine Ursache" bzw. "Jedem Ereignis geht ein anderes Ereignis voraus". Diese Theorie ist allerdings nicht wirklich zufriedenstellend. Betrachten wir das anhand von drei kleinen Beispielen:
Erstens: Nehmen wir an, ein Buch liegt oben auf dem Rand eines Regals. Wir stoßen nun das Buch mit einem bestimmten Kraft p an. Was geschieht? Das Buch fällt. Soweit so gut. Hier scheint die Theorie also zu funktionieren: Das Ereignis "Anstoßen" hat das Ereignis "Fallen" ausgelöst. Aber wir sind ja noch nicht fertig ...
Zweitens: Nehmen wir nun an, das Buch liegt nicht auf dem Regal, sondern auf dem Fußboden. Wir stoßen es erneut an mit der bereits verwendeten Kraft p. Was passiert? Das Buch rutscht! Es fällt nicht, sondern es rutscht. Auf das Ereignis "Anstoßen" folgt also das Ereignis "Rutschen". Wie aber kann das sein? Wie kann eine Ursache zwei verschiedene Wirkungen, nämlich Fallen und Rutschen, haben? Und wie entscheidet sich, wann welche der beiden Wirkungen eintritt? Doch nicht etwa rein zufällig...? Aber dann wäre es ja nicht mehr streng kausal determiniert! ... Aber sehen wir weiter.
Drittens: Ersetzen wir das Buch durch einen 100 kg schweren Metallblock. Diesen Stoßen wir wieder mit der bereits genannten Kraft p an; und was passiert nun? Der Block zeigt keine Reaktion. Wir haben jetzt also das Problem, dass unsere bisherige Kausalitätstheorie anscheinend völlig unzutreffend ist, denn wie wir gesehen haben, ist es nicht so, dass eine Ursache eine Wirkung hat oder jedem Ereignis ein bestimmtes anderes vorausgeht; es ist durchaus auch möglich, dass auf eine Ursache gar keine Wirkung eintritt (Metallblock) oder ganz verschieden (Fallen und Rutschen). Wie erklären wir das also?
Nun, die bisherige Kausalitätstheorie ist offenkundig zu oberflächlich. Sie macht einen entscheidenden Fehler: Sie sieht Kausalitäten nur als Beziehung zwischen Ereignissen. Tatsächlich aber ist Kausalität eine Beziehung zwischen Entitäten. Diese haben bestimmte Eigenschaften und stehen in bestimmten Relationen zu allem anderen. Wir reformulieren also die Kausalitätstheorie: "Eine Entität kann sich nur so verhalten, wie es ihr ihre Eigenschaften und ihre Relationen zu anderen Entitäten gestatten."
Auf diese Weise werden dann auch unsere Beispiele besser verständlich und kausal erklärbar: Wenn wir das Buch mit der Kraft p anstoßen fällt es einmal und rutscht ein anderes mal, nicht aus purem Zufall, sondern schlicht und ergreifend, weil das Buch jeweils in einer anderen Relation zu anderen Entitäten, insbesondere zum Boden steht: Einmal befindet es sich hoch über dem Boden auf dem Regal; einmal liegt es direkt auf dem Boden. Wenn wir den Metallblock mit der Kraft p anstoßen und er sich nicht bewegt, dann ist das eben keine Widerlegung der Kausalität, sondern in unserer neuen Formulierung so inbegriffen, denn der Metallblock hat eine bestimmte Masse, d.h. eine Eigenschaft, die es verunmöglicht, dass er mit der Kraft p bewegt werden kann.
Und noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Interessant ist diese Formulierung des Kausalitätsgesetzes insbesondere deshalb, weil sie es ermöglicht, den sog. freien Willen des Menschen nahtlos in eine kausale Ordnung einzubinden, indem man sagt, der freie Wille sei eine Eigenschaft des Menschen bzw. seines Bewusstseins. Auf diese Art wird es möglich, den Willen als gleichsam frei wie verursacht zu betrachten.
Quelle: Heroic Dreams |
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