Freitag, Februar 01, 2008

Eine Einführung

Andreas Winterberger hat am 13. März 1987 im Liberalen Institut in Zürich ein Referat gehalten, wo auch er auch auf den Objektivismus eingeht. Der Autor kennt die Materie, auch wenn sich gewisse Ungenauigkeiten eingeschlichen haben: etwa die Begriffe "Rationalismus" oder "rationell", auch möchte ich an dem behaupteten Einfluss von Ludwig von Mises auf Rand meine Zweifel anmelden. Der Begriff "Rationalismus" suggeriert, dass Rand dem philosophischen Rationalismus verpflichtet war. Dies ist unzutreffend. Rand betonte "Rationalität", lehnt aber Rationalismus ab. Rationalität ist im Rahmen der objektivistischen Ethik die höchste Tugend und alle anderen Tugenden sind davon nur abgeleitet, auch die Arbeitsethik (Produktivität). Der Ausdruck "Doktrin", der vom Autor verwendet wird, kann möglicherweise zu Mißverständnissen führen, denn der Objektivismus kennt keine Dogmen und der Begriff "Doktrin" umfaßt eben auch Lehrmeinungen, die glaubensbasiert sind.

Wie kein anderer Repräsentant des ideellen Liberalismus hat wohl Ayn Rand (1905-1982), die sich treffend als «novelist-philosopher» charakterisierende Begründerin des »Objektivismus», einen enormen Einfluss auf die amerikanische Gesellschaft ausgeübt; einen Einfluss, der in den öper-Jahren kulminierte, aber weiterhin bei Individualisten in allen sozialen Schichten fortwirkt.

Das Denken der 1926 aus dem kommunistischen Russland emigrierenden Ayn Rand wurde stark von Aristoteles, von der Naturrechtslehre der amerikanischen Gründungsväter und im wirtschaftlichen Bereich von Ludwig von Mises, einem Hauptvertreter der dritten Generation der Österreichischen Schule der Nationalökonomie, geprägt. Sie erkannte, dass sich eine wirksame Verteidigung der freien Marktwirtschaft nicht bloss auf utilitaristische Argumente wie der grösseren Effizienz des «Kapitalismus» gegenüber der zentralen Planwirtschaft zu beschränken hatte. Die Köpfe und die
Herzen der Menschen konnten nur mit moralischen Argumenten gewonnen werden. Zu diesem Zweck entwickelte sie ein beeindruckend in sich selbst geschlossenes System, «Objektivismus» genannt. Für Rand ist der Wertmassstab der objektivistischen Ethik das Leben des Menschen oder das, was fürs Überleben des Menschen gegenüber dem
anderen Menschen erforderlich ist. Es ist die Vernunft, die das Überleben des
Menschen ermöglicht, weshalb das, was das Leben eines rationellen menschlichen Wesens begünstigt, das Gute ist, während das, was es hindert, negiert oder zerstört, das Schlechte ist.

Entscheidend fürs Überleben des Menschen sind willentliche Denkprozesse und produktive Arbeit. In Ayn Rands Philosophie kommt der Arbeitsethik zentrale Bedeutung im Leben des Menschen zu; dieser wie dem Rationalismus haben sich alle anderen Werte unterzuordnen. Aus produktiver Arbeit schöpft sich der Stolz des
Menschen, sein Selbstwertgefühl.

Dass Rands Individualismus kaum etwas mit Nietzsches Übermenschen gemeinsam hat, obwohl ihr dies wiederholt vorgeworfen wurde, zeigt sich auch darin, dass nach objektivistischer Doktrin die rationellen Interessen der Menschen nicht miteinander
in Konflikt geraten können, da sie nicht das Unverdiente fordern, indem sie weder Opfer auf sich nehmen noch solche von andern akzeptieren, «da sie als Händler erkehren, Wert gegen Wert tauschen». Das Prinzip des Tausches ist laut Rand das einzige rationale ethische Prinzip, das alle menschlichen Beziehungen regelt, persönliche und gesellschaftliche, private und öffentliche, geistige und materielle, «es ist das Prinzip der Gerechtigkeit». Ein Händler «behandelt nicht Menschen als Meister oder Sklaven, sondern als unabhängige Gleiche. Er verkehrt
wirtschaftlich mit Menschen aufgrund eines freiwilligen, unerzwungenen Austausches, an dem beide Seiten gemäss ihrem eigenen Urteil profitieren».

Ayn Rands Staatsideal ist der liberale Nachtwächterstaat, in dem eine klare Trennung zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft herrscht, wo der Kapitalismus in in Reinkultur unreguliert gedeihen kann. Für Ayn Rand ist der Kapitalismus das System der Zukunft, getreu ihrem berühmtesten, 1957 erschienenen Roman «Atlas Shrugged», wo die innovativen und kreativen Individuen, d.h. Unternehmer, Forscher und Künstler weltweit zum wirksamen Mittel des Streiks greifen, um den Motor der Welt zum Stoppen zu bringen, da sie der Ausbeutung durch die herrschenden bürokratischen Kräfte des Kollektivismus und des Altruismus überdrüssig werden.