Donnerstag, Mai 10, 2007

Überleben ist kein Zufall

Eine Leseempfehlung möchte ich aussprechen für die Ausgabe 1/2004 der Zeitschrift Gehirn & Geist. Hier gibt es Aufsätze zum Thema Altruismus ("Das Samariter-Paradox"), Willensfreiheit ("Freiheit, die wir meinen") und Kriminalpsychologie ("Überleben ist kein Zufall"). Der letztgenannte Aufsatz des Kriminalpsychologen Uwe Füllgrabe beschäftigt sich mit der Frage, wie wir eine Konfrontation mit gewaltbereiten Menschen gestalten können. Dabei betont der Autor die Bedeutung der Werte, die ein Mensch vertritt, und klingt dabei fast objektivistisch: "Gewaltorientierte Personen handeln für 'mittelschichtsorientierte' Menschen nach ungewohnten Regeln. Denn Entscheidungen in zwischenmenschlichen Interaktionen werden gemäß dem individuellen Wertesystem gefällt: Die meisten Leute beurteilen andere danach, wie sich diese auf der Achse 'freundlich' bis 'feindselig' verhalten und reagieren entsprechend. Gewaltbereite Personen jedoch passen ihr Handeln daran an, wo sie ihr Gegenüber auf der Skala von 'schwach' bis 'mächtig' vermuten." Ganz ähnlich beschreibt Nathaniel Branden die objektivistische Position in dem Aufsatz "The Objectivist Position on Volition - Part II" aus der Zeitschrift "The Objectivist" (Februar 1966): "Das Verhalten eines Menschen, d. h. seine Aktionen, rührt von seinen Werten und Prämissen her, die wiederum, im Kontext des ihm zur Verfügung stehenden Wissens, von seinem Denken oder Nicht-Denken herrühren." Füllgrabe empfiehlt für den Umgang mit gewaltbereiten Menschen eine Strategie "Tit for Tat" ("Wie du mir, so ich dir."): "Tit for Tat wird häufig zu Unrecht mit 'Auge um Auge, Zahn um Zahn' oder Ähnlichem gleichgesetzt - Definitionen, die das Vergeltungsprinzip überbetonen. Tatsächlich sieht Tit for Tat als Reaktion auf unkooperatives Benehmen keinesfalls eine massive Bestrafung vor, sondern lediglich die merkbare, für den Interaktionspartner unmissverständliche Mitteilung, dass man nicht bereit ist, sein Verhalten hinzunehmen. Bleibt dieses Signal aus, fühlt sich der andere in seinem agressiven Vorgehen bestätigt."