Sonntag, Mai 21, 2006

Ayn Rand und "das Kollektiv"

Nun ist es sicherlich sehr erfreulich, wenn in einem Buch auf Deutsch ein ganzes Kapitel der Philosophin und Schriftstellerin Ayn Rand gewidmet ist, wie dies in Justin Martins "Alan Greenspan - Eine Biographie" der Fall ist. Das Problem ist allerdings, dass sich Martin in seinem Kapitel "Ayn Rand und das Kollektiv" vorwiegend auf die beiden Bücher "My Years with Ayn Rand" von Nathaniel Branden und Barbara Brandens "The Passion of Ayn Rand" stützt. Er verschlimmert die Tendenz beider Bücher noch dadurch, dass er sich einseitig auf die besonders negativen Äußerungen der beiden Brandens gegenüber Rand und anderen Personen konzentriert und diese für sein Buch ausschlachtet. So schreibt er etwa über Rands musikalischen Vorlieben: "Rand hatte einen ausgesprochen idiosynkratischen Musikgeschmack. Sie liebte die Komponisten Rachmaninoff und Lehar und begeisterte sich besonders für das Volkslied 'My Irish Milly-O'. Beethoven, Wagner und Elvis Presley konnte sie nicht ausstehen." Über Beethoven hat Rand sich durchaus auch öffentlich geäußert, nämlich 1981 im Ford Hall Forum. Dort sagte sie: "Er ist ein großartiger Komponist, aber ich kann ihn nicht ausstehen. Beethoven ist großartig, weil er seine Botschaft so klar macht durch das Mittel der Musik; aber seine Botschaft ist ein übelwollendes Universum: der heroische Kampf des Menschen gegen das Schicksal, und die Niederlage des Menschen." Hier wird sehr deutlich, dass Rand Beethoven aus philosophischen Gründen ablehnte, an seinen technischen Fähigkeiten als Komponist aber keineswegs zweifelte. Und was die Behauptung angeht, dass Rand "selbst in ihren besten Zeiten nicht sonderlich umgänglich" gewesen sein soll, wie Martin schreibt, kann Beethoven durchaus als Maßstab herangezogen werden: "Im Vergleich zu Beethovens sozialem Verhalten war Rand eine Schmusekatze." Dieses Zitat stammt aus dem Buch "The Passion of Ayn Rand Critics" von James V. Valliant, der durch seine Veröffentlichung erheblich an dem Ruf der Bücher der Brandens gekratzt hat, die Martin als Quelle für sein Buch so ausgiebig heranzieht. Hier die Eröffnungspassagen aus dem Kapitel "Ayn Rand und das Kollektiv" von Justin Martin:

"Es hat etwas durchaus Ironisches, dass Greenspan während seiner Ehe mit Joan Mitchell die Objektivisten eher verachtete, und dann, kaum hatten die beiden ihre Ehe gelöst, eine vollkommene Kehrtwendung machte. Nun ließ er diese philosophische Richtung an sich heran. Er begann, Ayn Rand zu bewundern, die Frau hinter dieser Philosophie. Für die nächsten fünfzehn Jahre - von Greenspans Endzwanzigern bis er Anfang vierzig war - spielte der Objektivismus eine große Rolle in seinem Leben. Unzählige Stunden verbrachte er in der Gesellschaft von Ayn Rand und ihrem Kreis. Die viel diskutierte Autorin sollte großen Einfluss auf Greenspan ausüben, in ihrer Bedeutung für sein Leben lag sie irgendwo zwischen Arthur Burns und Greenspans Mutter.
Ayn Rand war eine Frau, an der man nicht vorbeikam. Brilliant, charismatisch, bilderstürmerisch - sie war logisch bis zur Unerbittlichkeit, konnte aber auch verblüffende Temperamentsausbrüche an den Tag legen. Mit großen Werken, die wie Der ewige Quell (The Fountainhead) und Wer ist John Galt? (Atlas Shrugged) zu Klassikern wurden, schuf sich die Schriftstellerin und Philosophin einen weiten Raum für ihre ehrgeizigen Ideen. Sie hatte sich eine der größten Fragen der Geschichte zum Thema gemacht - ob die Autorität letztendlich bei der Gesellschaft oder beim Individuum liegt."