Donnerstag, März 02, 2006

Libertarianismus als Perversion der Freiheit

Der wichtigste -und umfangreichste- Beitrag eines Objektivisten zur Bewertung der libertären Bewegung ist sicherlich Peter Schwartz Libertarianism: The Perversion of Liberty, erschienen in der Zeitschrift The Intellectual Activist (Mai, Juni und Dezember 1985). Der Aufsatz wurde später noch einmal in einer verkürzten Version in dem Sammelband The Voice of Reason veröffentlicht und wurde somit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wer zu einem tieferen Verständnis des Libertarianismus kommen möchte, sollte sich diesen faktenreichen und hintergründigen Aufsatz nicht entgehen lassen. Besonders die ausgiebig zitierten Äußerungen der anarcho-libertären Vordenkers Murray Rothbard sollten alle eines Besseren belehren, die immer noch annehmen, die libertäre Bewegung könne wirklich Freiheit bewirken (Rothbard fordert für unberechtigte Inhaftierungen oder Verurteilungen eine Bestrafung der dafür zuständigen Behördenvertreter in dem Ausmaß, wie ihn die unschuldige Person erlitten hat, was in der Konsequenz dazu führen würde, dass das Rechtssystem vollkommen zusammenbrechen würde). Anders als der Objektivismus, der einen intellektuellen Kampf gegen den Etatismus führt, führt der Libertarianismus einen physischen Kampf gegen den Staat. Diese Positionen stehen sich unversöhnlich gegenüber: "Der Objektivismus ist unkompatibel mit dem Libertarianismus. Jene Libertären, die den Objektivismus attackieren, begreifen - wie unscharf und emotional auch immer - diese unüberbrückbare Unversöhnlichkeit. Noch mehr als ihr Anti-Amerikanismus, enthüllt ihre Antipathie gegenüber dem Objektivismus, dass es nicht Hingabe an die Freiheit ist, die sie bewegt, sondern ihr Wunsch, frei von allen Beschränkungen zu sein - von den 'Beschränkungen' wirklicher Freiheit bis zu den 'Bechränkungen' der Vernunft." Der ganze Libertarianismus sei ein gigantischer Schwindel, der eine Version von dem sei, was Ayn Rand als "Fehler des Begriffdiebstahls" bezeichnete. Libertäre fühlten sich oberflächlich von der objektivistischen politischen Konzeption des Laissez faire angezogen, die sie zu einem Amoralismus verzerrten. Schwartz empfiehlt zwar die Trennung vom Libertarianismus, was aber nicht bedeute, sich nun dem Konservativismus als vermeintlich einzig verbleibender Alternative anzuschließen: "Weder der Libertarianimus noch der Konservativismus sind wahre Vertreter der Individualrechte. Tatsächlich sind sie, trotz oberflächlicher Differenzen, zwei Seiten der gleichen Anti-laissez-faire-Medaille." Beide Ansätze könnten nicht zu Freiheit führen, denn beide würden den Absolutismus der Vernunft verwerfen. Der Wert der Freiheit, sagt der Objektivismus, ist nicht ableitbar von dem Diktum "Gott weiß es besser" oder von der Ermahnung "Anything goes". Um am Ziel des Kapitalismus anzukommen, so Schwartz, muss man sowohl den mystischen Intrizismus des Konservatismus verwerfen wie auch den willkürlichen Subjektivismus des Libertarianismus.