Mittwoch, August 31, 2005

Wider die Kannibalenmoral

Die objektivistische Ethik läßt sich auf die Kurzformel "Kein Opfer!" bringen und mit dem Begriff "rationaler Egoismus" beschreiben. Der objektivistischen Ethik steht der Kodex des Opfers gegenüber. Dieser ist allerdings mit dem Altruismus nicht identisch. Andrew Bernstein beschreibt in seinem lesenwerten Aufsatz Villainy: An Analysis of the Nature of Evil insgesamt drei Varianten des Opferkodex. Zu diesem gehört auch der "zynische Egoismus", den Bernstein nicht dem Egoismus zurechnen möchte. Zynischer Egoismus wird von ihm als direkte Konsequenz des Altruismus angesehen, denn irgendjemand muss ja da sein, um die altruistischen Opfer einzusammeln. Die 2. Variante ist das Opfer für Gott, dem wir alle Gehorsam schulden würden und dessen Befehle wir pflichtbewußt ausführen müssen, gleichgültig wie diese im Einzelfall aussehen mögen. Die 3. Variante der Opferethik schließlich ist der Altruismus, der davon ausgeht, dass der Mensch sich für andere aufopfern muss. Die modernen Altruisten wie Marx und seine Anhänger verwerfen die Religion und hüllen sich in ein "wissenschaftliches" Kleid. Für diese Altruisten ist nicht Gott die Quelle der Pflicht des Menschen, sondern die Gesellschaft. Bernstein schreibt, dass dies schlimmere Konsequenzen habe als die Inquisition und die Scheiterhaufen: Konzentrationslager, Gaskammern und Weltkriege. Ayn Rand faßt diese drei Gruppen zusammen und bezeichnet sie als "Kannibalenmoral". Alle drei Versionen beruhen auf dem was Rand den "Primat des Bewußtseins" in der Metaphysik nannte. Der Primat des Bewußtseins behauptet, dass das Bewußtsein in irgendeiner Weise die Realität kontrolliert. In seiner übernatürlichen Variante behauptet er, dass Gott der Schöpfer und der Herr der Welt ist. In seiner gesellschaftlichen Form wird der Gesellschaft insgesamt die Funktion eines Schöpfers und Herrn der Welt zugeordnet. Die Ethik des Opfers folgt als logischer Schritt auf diese Metaphysik.

Dienstag, August 30, 2005

Die Feinde von Christoph Kolumbus und die multikulturalistische Attacke auf die Westliche Zivilisation

Thomas Bowdens neues Buch The Enemies of Christopher Columbus ist eine Verteidigung von Christoph Kolumbus - und der Westlichen Zivilisation im Allgemeinen - gegen den Angriff der Multikulturalisten. Das Buch ist in der Form von Frage-und-Antwort konzipiert. In den Fragen geht es um Kolumbus und die Entdeckung und Besiedlung von Amerika. Es wendet sich Fragen zu, die ein ehrlicher Leser stellen könnte, der indoktriniert wurde mit den Unwahrheiten und den anti-westlichen Verleumdungen, die so weit verbreitet in unseren Schulen sind. Bowdens Ansatz ist es, historische Ereignisse aus der Perspektive der Westlichen Zivilisation zu behandeln. Diese steht für Vernunft, Wissenschaft, Individualismus und Fortschritt, und ist allen anderen bekannten Kulturen, die die Welt bisher gesehen hat, objektiv überlegen. Die entscheidende Frage ist, ob die Besiedlung Amerikas durch die Träger der Westlichen Zivilisation gut oder böse war. Hier ein kurzer Auszug aus dem Buch:

Selbst wenn die Westliche Zivilisation der indianischen Barbarei überlegen ist, bedeutet dies notwendigerweise, dass die Europäer das Recht hatten, die Indianer zu vertreiben?

"Barbarei und Zivilisation können nicht koexistieren innerhalb desselben Gebiets. Zivilisierte Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Nachbarn die Prinzipien der Individualrechte, wie sie niedergelegt sind in geschrieben Gesetzen, die Landgrenzen definieren, Verträge durchsetzen und das persönliche Eigentum schützen, verstehen und ihnen gehorchen. Primitive Völker, die noch nicht zum Konzept eines universellen moralischen Rechts gekommen sind , dem alle Menschen als Individuen unterworfen sind, können nicht nach solchen Prinzipien handeln oder man könnte sich darauf verlassen, dass sie solchen Gesetzen gehorchen. Angesichts des Mangels an Fähigkeit, ihr Leben durch die Vernunft zu beherrschen, sind Primitive unvermeidlich einer breiten Palette von irrationalen Einflüssen unterworfen - wie Furcht, Aberglauben, drogeninduzierte Halluziationen, Hass auf Außenstehende, Rache oder die Lust auf Erorberung -, die sie in unvorhersehbaren Intervallen auf den Kriegspfad treiben. Die Europäer wurden bei der Besiedlung der Neuen Welt genau in diesen Konflikt zwischen Zivilisation und Barbarismus verstrickt. Somit sahen sie sich einer fundamentalen Wahl ausgesetzt: Entweder ihre überlegenen Kräfte zu mobilisieren und die Indianer zu vertreiben, oder umzukehren und nach Hause zu segeln. In diesem Kontext hatten die europäischen Immigranten das absolute Recht, Amerika zu besiedeln und die Indianer zu vertreiben - wenn nötig, durch Gewalt. In dem Maß allerdings, wie individuelle Indianer in der Lage waren, die Prinzipien eines zivilisierten Verhaltens zu begreifen und ihnen zu folgen, hätte es ihnen erlaubt werden sollen, und sie häten dazu ermutigt werden sollen, Bürger mit vollen Rechten zu werden."

Montag, August 29, 2005

Bowden verteidigt Christoph Kolumbus

Im einem Interview mit der Zeitschrift Insight verteidigt Thomas Bowden die Thesen seines Buches The Enemies of Christopher Columbus.

Wie kann man den Westen verteidigen, wie Sie es in Ihrem Buch tun, und behaupten, dass seine Traditionen und seine Zivilisation überlegen sind?

Unser zentrale Wert ist die Vernunft. Die Westliche Zivilisation ist die Kultur, die sich am meisten mit den Naturgesetzen, den Methoden der Wissenschaft, der religiösen Toleranz und der Anwendung der Vernunft auf das Leben beschäftigt. Dies kann nicht oft genug gesagt werden.
Die Westliche Zivilisation zu verteidigen, bedeutet nicht, die 'Überlegenheit' des weißen Mannes zu verteidigen. Dass andere Völker die Anwendung der Vernunft auf das Leben noch nicht entwickelt hatten, bedeutet nicht, dass sie in irgendeiner Weise minderwertig wären. Es bedeutet, dass sie noch nicht erreicht hatten, was die Europäer in Jahrhunderten erreicht hatten. Die Indianer hätten dies auch für sich allein entwickeln können, aber sie taten dies nicht. Es gibt keine rassische Minderwertigkeit, die besagt, dass sie es nicht hätten tun können. Ich weise immer wieder darauf hin, dass es keine Schande ist, 'Wilde' als Vorfahren zu haben, weil jeder, der heute auf der Welt lebt, Vorfahren hat, die in der Tat Wilde waren.

Eines von den vielen Dingen, die die Feinde von Kolumbus ihm verwerfen, ist, dass er ein Paradies vorfand, welches er in eine Hölle verwandelte.

Ein Großteil des Problems besteht daraus, dass der moderne Mensch keine Vorstellung davon hat, wie Amerika in der Zeit vor Kolumbus aussah. Sie neigen dazu, sich die Wildnis der damaligen Zeit so vorzustellen wie die Wildnis auf einem Campingausflug heute - mit dem Geländewagen in die Berge, und da ist sie.
Aber das sogenannte Paradies, was wir verloren haben, gleicht sehr viel mehr der Steinzeit als irgendetwas anderem, was wir uns vorstellen können. Die Männer und Frauen lebten in fortgesetzter Panik, weil sie die Naturgesetze noch nicht verstanden hatten. Sie wußten nicht, wie man mit der Natur umgehen sollte. Sie erfanden zahllose Riten, um die Naturkräfte zu beschwichtigen, die sie nicht verstanden, und exotische Geschichten, um eine Welt zu erklären, die ansonsten für sie unverständlich gewesen wäre.
Es ist schwierig für einen modernen Menschen, zu begreifen, wie unangenehm primitiv der Mensch in der Welt lebte, die er bevölkerte. Der moderne Mensch hat ein Verständnis für die Kräfte der Natur, die ihn umgeben, und er kann Kontrolle über sie ausüben in einem Ausmaße, das primitive Menschen nicht einmal verstehen würden.

Aber was ist mit der Behandlung der Indianer in Amerika durch die Europäer? Beweist dies nicht, dass die Westliche Zivilisation korrupt und brutal war?

Es gab Europäer, die zivilisierte Maßstäbe bei dem Umgang mit den Indianern aufgaben. Das Problem war nicht, dass diese Europäer zuviel Zivilisation hatten. Das Problem war, dass sie zuwenig davon hatten. Es ist wahr, dass viele christliche Europäer die Indianer brutal behandelten. Aber es ist auch wahr, dass die Europäer die Indianer nicht anders behandelten als sie einander behandelten. Denken Sie an die endlosen Kriege der Europäer. Und es ist wahr, dass die Europäer die Indianer auf eine Art behandelten wie die indianischen Stämme es untereinander taten.

Stolyarov über Hoppe

Für mich wenig überraschend hat G. Stolyarov das Buch Demokratie. Der Gott, der keiner ist von Hans-Hermann Hoppe in einem Beitrag für sein Internet-Magazin The Rational Argumentator recht positiv bewertet. Zusammenfassend kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass "Objektivisten, Konservative und Liberale aller Schattierungen" viel von diesem Buch lernen könnten. Ausdrücklich weist der Autor allerdings den Anarchismus Hoppes zurück, wobei man sicherlich die Frage aufwerfen könnte, ob Hoppes Anarchismus nicht weitaus schlimmer ist als die von ihm so heftig kritisierten demokratischen Systeme. Auffällig ist natürlich, dass G. Stolyarov Hoppes Buch viel positiver sieht als viele deutsche Anarcho-Kapitalisten. So schreibt etwa der Anarcho-Kapitalist Stefan Blankertz in der Zeitschrift eigentümlich frei: "Hoppes Fehler besteht in dem, was ich 'totalitäre Inhaltlichkeit' nenne: Man will ein bestimmtes gesellschaftlich-kollektives Ergebnis und tut alles, um dieses Ergebnis herbeizuführen, setzt zur Not auch Gewalt ein. Das ist der Weg der Kommunisten und Faschisten ebenso wie der Demokraten. Die libertäre Gesellschaft ist nicht durch das Ergebnis definiert, sondern durch den Prozess, der zu einem Ergebnis führt: Es ist der Prozess der auf Eigentum basierenden Freiwilligkeit." Während man Hoppe sicherlich positiv anrechnen muss, dass er überhaupt über Werte redet, so muss ein Objektivist doch fragen, ob Hoppes "konservative Werte" überhaupt rational begründet werden können und ob er nicht doch latent autoritäre Vorstellungen hat in Sinne eines "Konservative Werte über alles." Auch stellt sich für mich die Frage, ob eine freie Gesellschaft tatsächlich "automatisch" Hoppes konservativen Wertvorstellungen entspricht, denn schließlich dürfte es doch so sein, dass die USA im 19. Jahrhundert zwar kapitalistischer waren als heute, aber eben auch rassistischer. Auch die puritanische Sexualmoral des 19. Jahrhundert ist für Objektivisten keine Alternative zur hedonistischen Beliebigkeit, die sich im Zuge der Kulturrevolution der sechziger Jahre überall in den westlichen Nationen verbreitet hat. Übrigens fällt auf, dass G. Stolyarov offenbar eine private Rechtschreibreform der englischen Sprache durchgeführt hat: Er schreibt "triumf" statt "triumph".

Donnerstag, August 25, 2005

Wo Atlas und Jesus sich treffen

Im Internet kann man die Seite eines seltsamen Atlas Institute Europe besichtigen. Die Seite, die ohnehin schon merkwürdig unstrukturiert ist, bietet dem Interessierten dennoch einige interessante Einsichten in gewisse Ver(w)irrungen, welche die sog. "Neo-Objektivisten" beizeiten befallen. Unter der Kategorie "CrossPhilo" findet sich - als ein Beispiel für einige weitere Erstaunlichkeiten, die sich auf der Seite so finden lassen - der Artikel Die Zukunft des Objektivismus des Institutsgründers Andreas W. Tauber. Ich zitiere drei - für einen angeblichen Objektivisten - besonders bemerkenswerte Stellen:

Darauf zu bestehen, dass Rechte sich nur auf das Leben, die Freiheit und das Eigentum beziehen ist reaktionär, regressiv, doktrinär und im höchsten Masse einer objektivistischen Orthodoxie verschrieben.

Nachdem man den hysterischen Anfall im zweiten Teil des Satzes verdaut hat, kann man schlicht und ergreifend die Frage stellen: Worauf sollen sich Rechte sonst beziehen? Soziale Gerechtigkeit? Arbeitsplätze? Recht auf Versklavung der Mitmenschen? Herr Tauber bleibt uns leider die Antwort schuldig.
Aber es geht ja noch weiter:

Warum in aller Welt sollte man darauf bestehen, dass der Begriff des Objektivismus sich ausschliesslich durch die Zuhilfenahme von Ayn Rands Werken definieren lässt? Worum sollte Objektivismus nicht das bedeuten, was ein Individuum dem Begriff an Bedeutung zuschreibt?


Weil "Objektivismus" diejenige Bezeichnung ist, die Ayn Rand ihrem spezifischen Beitrag zum Gebiet der Philosophie gegeben hat und weil Begriffe nun einmal nicht arbiträr sind, sondern objektiv. Anscheinend hat Herr Tauber sich nicht ausführlich genug mit der Erkenntnistheorie Ayn Rands befasst, sonst wüsste er, dass man nun mal nicht Kapitalismus sagen kann, wenn man Sozialismus meint.
Und als letzte Zumutung:

Als weitere objektivistische Entwicklungsform gibt es den integrierten Objektivismus, der sich durch seinen Synkretismus auszeichnet. [...] Ein Beispiel hierfür ist der christliche Objektivismus, der versucht, christliche und objektivistische Wertevorstellungen in Einklang zu bringen. [...] Während der Objektivismus die philosophische Basis bildet, wird das christliche Wertesystem diesem untergordnet. Nicht der Widerspruch beider philosophischer Systeme wird betrachtet, sondern die Kompatibilität christlicher Werten auf einem objektivistischen Fundament.

Wie aber soll es Kompatibilität oder gar Einklang zwischen einer Weltanschauung des Mystizismus und Altruismus (und, wenn man die Kirchen betrachtet, auch übelsten Kollektivismus) und einer Philosophie der Vernunft, des rationalen Eigeninteresses und des Individualismus geben? Ein "christlicher Objektivismus" wäre ein gleich dreifacher Verstoß gegen das Identitätsaxiom: Denn erstens sind Christentum und Objektivismus philosophisch inkompatibel, zweitens gibt es keinen Gott, und drittens wird auch der Wunsch Herrn Taubers, es möge doch anders sein, daran nichts ändern.

Fazit: Das sog. "Atlas Institute Europe" und sein Gründer unterliegen einigen schweren philosophischen Irrtümern und sind in keinem Fall als verlässliche oder gar seriöse Quelle in Punkto Objektivismus zu betrachten. Es ist allerdings ausgesprochen ärgerlich, dass sich immer wieder Menschen als "Objektivisten" bezeichnen, die eigentlich gar keine sind und nur dazu beitragen, dass Rands Position sich in verfälschter und verzerrter Weise verbreitet.

Quelle: Heroic Dreams

Samstag, August 20, 2005

Werner Habermehls fundamentale Unkenntnis

Deutschland muss wohl einen akuten Mangel an Ayn-Rand-Experten aufweisen, wenn ein Magazin für ein Interview zum 100. Geburtstag der Philosophin und Schriftstellerin auf einen Komiker wie Werner Habermehl zurückgreifen muss, seines Zeichens Herausgeber der deutschen Übersetzungen der Romane von Ayn Rand. Habermehl erläutert in dem Interview mit der Zeitschrift eigentümlich frei Rands Einstellung zu dem Philosophen Immanuel Kant folgendermaßen: "Ayn Rand hatte etwas gegen den zwergwüchsigen Krüppel aus Königsberg. Und er war ja auch ein komischer Kauz. Schreiben konnte er auch nicht. Aber seine Philosophie unterscheidet sich doch höchstens durch die Wortwahl von der Ayn Rands." Herr Habermehl, für diese Äußerungen wäre Ihnen Frau Rand wohl an die Gurgel gesprungen. Ayn Rand verabscheute den Philosophen aus Königsberg: "Kant ist der böseste Mensch in der Geschichte der Menschheit." Rand erläuterte ausführlich quer durch alle Zweige der Philosophie, was ihre Philosophie von der Kants unterschied, und kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass ihr Objektivismus das "exakte Gegenteil" zu der Philosophie Kants bildet. Werner Habermehls Äußerungen sind somit reine Produkte seiner Phantasie.

Der Objektivismus als atheistische Philosophie

Der Objektivismus ist ohne Zweifel eine atheistische Philosophie, der die Existenz aller übernatürlichen Reiche (Himmel, Hölle, Fegefeuer), Ereignisse (Wunder, Reinkarnationen, Auferstehungen) oder Wesen (Geister, Einhörner, unsichtbar pinkfarbene Elefanten) verwirft. Was ist das Übernatürliche?: Das Übernatürliche ist das, was die Natur transzendiert. Es kann also so etwas wie einen "christlichen Objektivisten" nicht geben, d. h. niemand kann sich Objektivist nennen und gleichzeitig an die oben genannten Phänomene glauben. In diesem Sinne ist der Atheismus des Objektivismus "nicht verhandelbar". Wer sich als religiös definiert und Teile des Objektivismus für richtig hält, kann dies tun, solange er nicht behauptet, er wäre Objektivist. Ein Mystiker kann also an jedes übernatürliche Phänomen glauben, an das er glaubt, glauben zu müssen: kein Objektivist wird ihm das Recht absprechen, dies zu tun, aber kein Objektivist wird sich auf "Verhandlungen" darüber einlassen können, dies in den Objektivismus einzubeziehen.

Donnerstag, August 18, 2005

Die "verlorenen" Teile von Ayn Rands Playboy-Interview

Ayn Rands Interview mit der Zeitschrift Playboy (hier) aus dem März 1964 stellt immer noch eine der besten Zusammenfassungen der Philosophie des Objektivismus bis zum heutigen Tag dar. Der Playboy erschien seinerzeit in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren und konnte damit Rands Thesen einem breiten Publikum zugänglich machen. Einer von denen, der durch dieses Interview Ayn Rand entdeckte, war der damals 16jährige Don Hauptmann: "Wie so viele Objektivisten sagen, mein Leben wurde verändert." Fast vierzig Jahre später war es dieser Don Hauptmann, der bei Christie's die Dokumente um dieses Interview anläßlich der Feiern zum 50jährigen Bestehen der Zeitschrift ersteigern konnte. Er berichtet über diese Hinterlassenschaften in der neuesten Ausgabe des objektivistischen Zeitschrift Navigator. Auf den Originalabschriften des Interviews finden sich zahlreiche handgeschriebene Anmerkungen von Rand, der insgesamt mindestens drei Versionen des Interviews vorgelegt wurden. Rand änderte nicht nur ihre Antworten, sondern zum Teil auch die Fragen ihres Gesprächspartners Alvin Toffler. So gefiel ihr die mehrfach von Toffler verwendete Ausdrucksweise "Do you feel ...?" nicht, da ihr bekanntermaßen eine emotionale Terminologie zur Beschreibung kognitiver Aktivitäten mißfiel. Rand konnte sich allen Änderungwünschen gegenüber der Redaktion durchsetzen und war ausgesprochen zufrieden mit dem schließlich veröffentlichtem Endresultat. Don Hauptmann veröffentlicht in seinem Aufsatz erstmalig Teile der nicht veröffentlichten Passagen des Interview.
Er weist aber darauf hin, dass die gestrichenen Passagen keine Geheimnisse über Rand enthüllen, es gebe keine Bekenntnisse zu Kant oder Kandinsky. Rands Antworten würden aber Ansichten zu Themen zeigen, die sie sonst nirgendwo angesprochen hat.
Zu Beginn des Interviews spricht der Interviewer das Thema einer Antipathie gegenüber Ideologien an sich an, weil sie Intoleranz und Fanatismus ermutigen könnten. Rand kontert mit dem alles entscheidenden Hinweis auf die Art der Philosophie, auf die es ankomme: "Es ist Irrationalität, die zu Fanatismus führt und Inkonsistenz, die zu Destruktion führt. Der Mensch kann der Tatsache nicht entgehen, dass er eine Philosophie braucht. Die einzige Frage ist: Welche Art von Philosophie? Wenn ein Mensch konsistent an Produktion glaubt und ein anderer Mensch glaubt konsistent an Raub, dann wird die Natur dieser Konsistenz und werden ihre Konsequenzen nicht die gleichen sein. Die Gräueltaten, die Sie erwähnten, werden von Philosophie verursacht - von der falschen Art von Philosophie. Sie werden verursacht durch den Einfluss von dem, was ich die platonistische Denkschule nenne."

Toffler provoziert Rand dann mit der Frage, warum eine Mutter ihr Kind lieben solle, das doch noch viel zu jung sei, um diese Liebe verdient zu haben und Rand habe doch in Atlas Shrugged behauptet, dass niemand Unverdientes fordern oder gewähren sollte. Die nachfolgende Antwort wird von Rand allerdings gestrichen, weil sie bemerkt haben könnte, dass ihre Antwort nicht vollständig gewesen ist: "Sie meinen dies nicht wirklich als ernsthafte Frage? Zunächst einmal: Wenn eine Mutter ein verantwortliches, rationales Wesen ist, hat sie kein Kind aus Versehen, sondern durch ihre Entscheidung. Ein Kind hat einen Wert für sie, einfach deshalb, weil es ein menschliches Wesen ist, dass -wenigstens physisch- durch sie geschaffen wurde. Die Eltern des Kindes schulden ihm Unterstützung bis zur Volljährigkeit mit 21, also bis zu dem Zeitpunkt, wo es sich selbst helfen kann. Dies ist eine gewählte Verpflichtung, die rationale Eltern akzeptieren, wenn sie die Entscheidung treffen, ein Kind zu haben. Sie müssen die Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidung akzeptieren. Aber müssen sie das Kind lieben? Nein, nicht notwendigerweise. Dies hängt von der Bewertung seines Charakters ab im Verlauf des Erwachsenwerdens. Es muss ihre Liebe verdienen - wie sie seine verdienen müssen."

In der Diskussion über Sex und Hedonismus fragt Toffler nach der Immoralität von Spielen oder Trinken, worauf Rand so antwortet: "Zunächst einmal gehören Spielen und Trinken nicht in die gleiche Kategorie wie Sex. Trinken an sich ist nicht unmoralisch, es sei denn eine Person ist ein Säufer. Sich nur einen Drink zu genehmigen, ist kaum eine moralische Frage. Es wird nur dann unmoralisch, wenn ein Mensch sich bis zu dem Punkt trinkt, wo er seinen Verstand erstickt und hemmt. Was das Spielen angeht, ich würde nicht sagen, dass eine Person die gelegentlich spielt, unmoralisch ist. Aber wenn das Spielen mehr wird als ein zwangloses Spiel, dann ist es unmoralisch aufgrund der motivierenden Prämisse für das Spielen. Die Leidenschaft für das Spielen ergibt sich aus der Überzeugung eines Menschen, dass er keine Kontrolle über sein Leben hat, dass er kontrolliert wird vom Schicksal, und deshalb möchte er sich vergewissern, dass das Schicksal oder das Glück auf seiner Seite sind."

Rand streicht auch den ursprünglichen Hinweis, dass sie antikommunistisch sei und ersetzt ihn durch die Bemerkung, dass sie ihre Position niemals in negativen Begriffen beschreibe.
Auch eine der Bildunterschriften gefällt ihr nicht und sie wählt folgendes Zitat aus ihrem Interview: "Der Kollektivismus als intellektuelle Kraft und moralische Idee ist tot. Aber Freiheit und Individualismus, und ihr politischer Ausdruck, Kapitalismus, sind noch nicht entdeckt worden." Auch vierzig Jahre nach dem diese Worte gesprochen wurden, noch unverändert aktuell.

Montag, August 08, 2005

Der Staat ist nicht inhärent böse

Anarcho-Kapitalisten sind das Spiegelbild von Pazifisten, die entdecken, dass mit Messern und Schusswaffen schreckliche Dinge getan werden. Sie entwickeln daraus die Überzeugung, dass wir in einer wunderbaren Welt leben würden, wenn nur diese Werkzeuge des Grauens von dieser Welt verbannt werden könnten. Sie übersehen, dass Messer und Schusswaffen nicht nur für schreckliche Dinge eingesetzt werden können, sondern auch dafür, schreckliche Dinge zu verhindern, sie ignorieren somit, dass nicht die Waffen an sich böse sind, sondern die Menschen böse sind, die sie für böse Zwecke einsetzen. Ebenso ist die Institution Staat nur ein Werkzeug zur Erreichung bestimmter Zwecke. Diese Zwecke können moralisch oder unmoralisch sein. Ein Staat, der Mörder nach einem rechtsstaatlichen Verfahren ins Gefängnis wirft, handelt moralisch. Ein Staat, der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion in ein Arbeitslager wirft, handelt unmoralisch. Es sind die Menschen, die über den Staat verfügen, die aus ihm ein Werkzeug des Lebens oder ein Werkzeug des Todes machen. Die Struktur eines begrenzenten Staates führt nicht inhärent in die Katastrophe, ebensowenig wie irgendetwas Inhärentes in Waffen in die Katastrophe führt. Ebensowenig ist das Argument tragfähig, dass der Staat sich unmoralisch mit Steuern finanziert. Er tut es zweifellos, aber dies macht die legitimen Funktionen des Staates nicht unmoralisch. Kein vernünftiger Mensch würde ernsthaft verlangen, dass alle verurteilten Verbrecher freigelassen werden, weil der Staat ihre Unterbringung mit Steuergeldern sicherstellt. Auch die Kriegführung eines Staates beurteilt sich ausschließlich danach, ob er der Verteidigung der Freiheit dient oder nicht. Die Finanzierung der legitimen Staatsfunktionen durch andere Mittel als Steuern ist nur im Rahmen eines vollständig freien Regimes möglich. Dies ist eine langfristige Aufgabe, die aber nicht dazu führen kann, dass wir heute notwendigen Staatsfunktionen eine ausreichende Finanzierung verweigern.

Sonntag, August 07, 2005

Tierquälerei

Diana Mertz Hsieh schreibt derzeit an einer Abhandlung über (genauer gesagt: gegen) "Tierrechte" und und als eine der schwierigsten Fragen bei diesem Thema sieht sie die Frage eines rechtlichen Schutzes durch Gesetze gegen Tierquälerei an. Und das Ergebnis ihres Denkprozesses steht durchaus noch nicht zur Gänze fest, wie sie selbst einräumt. Für Tiere, die zu kommerziellen Zwecken gehalten werden, sieht sie marktwirtschaftliche Mechanismen als ausreichenden Schutz an. Bei Tieren, die aus nicht-kommerziellen Gründen gehalten werden, sei Vernachlässigung dieser Tiere auch kein großes Problem, da die Besitzer der Tiere bereit wären, diese abzugeben, wenn sie von potentiellen Interessenten angesprochen würden. Eine ganz andere Geschichte seien jedoch sadistische Tierquäler, die die Tiere behalten wollen, um sie weiterhin zu quälen: "Vielleicht die einzige zutreffende Begründung für Gesetze gegen Tierquälerei ist, dass solch ein sadistisches Verhalten gegenüber Tieren enthüllt, dass solch eine Person psychisch und moralisch schwer gestört ist, bis zu dem Punkt, wo derjenige eine reale Gefahr für das menschliche Leben darstellt." Die gleiche Motivationslage, fügt sie an, die einen Mensch dazu bringe, einen Hund sinnlos für eine Gehorsamsverweigerung zu schlagen, treibe ihn dazu, schwächere Menschen, besonders Frauen und Kinder, zu verprügeln. Diese Enthüllung einer fundamentalen Gefährlichkeit eines Menschen könnte dazu führen, dass eine weitere Überprüfung dieser Person und "vielleicht sogar eine zwangsweise psychologische Behandlung" gerechtfertigt sei, schreibt die Autorin in ihrer vorläufigen Einschätzung dieses Problems. Dieses Argument sei die einzige potentielle Begründung für Gesetze gegen Tierquälerei, fügt sie an.

Freitag, August 05, 2005

Nathaniel Branden gegen den Objektivismus

Die Zeitschrift Free Radical hat in ihrer Ausgabe Oktober/November 2004 ein längeres Interview mit Nathaniel Branden (Part 1, Part 2, Part 3, Part 4). Branden empfiehlt in dem Interview die Bücher Anti-Americanism von Jean Francois Revel und Liberalism and Terrorism von Paul Berman. Politisch hat er sich auch von Ayn Rand entfernt, denn Branden unterstützt die Auffassung, dass es der "primäre" Zweck der Staates sein sollte, die Individualrechte zu verteidigen, nicht der "ausschließliche". Er möchte die Tür offen lassen für Notfallsituationen, wo Probleme auftreten können, auf die Markt nicht schnell genug reagieren könne. Der Unterschied zu Rands Position sei aber gering. Diana Mertz Hsieh hat auf ihrem Blog Noodle Food einige längere, lesenswerte Bemerkungen zu diesem Interview gemacht.

Mittwoch, August 03, 2005

Wozu Philosophie?

In The Romantic Manifesto macht Rand die Bedeutung einer richtigen Philosophie für das Leben auf der Erde deutlich: "Um zu leben, muss der Mensch handeln. Um zu handeln, muss er Entscheidungen treffen. Um Entscheidungen zu treffen, muss er einen Wertekodex definieren. Um einen Wertekodex zu definieren, muss er wissen, was er ist und wo er ist, d. h. er muss seine eigene Natur kennen (einschließlich der Mittel der Erkenntnis) und die Natur des Universums, in dem er handelt - d. h. er braucht Metaphysik, Epistemologie, Ethik, was bedeutet: Philosophie." Rand sah es als ihre "große Aufgabe" an, die Bedeutung der Vernunft im Denken des Westens wieder zu etablieren. Sie nannte ihre neue, radikale Philosophie "Objektivismus", abgeleitet von ihrer Theorie der Objektivität: "Objektivität ist sowohl ein metaphysischer wie auch ein epistemologischer Begriff. Er gehört zu der Beziehung des Bewusstseins zur Existenz. Metaphysisch ist er die Anerkennung der Tatsache, dass die Realität unabhängig von dem Bewusstsein des Wahrnehmenden existiert. Epistemologisch ist er die Anerkennung der Tatsache, dass das Bewusstsein des Wahrnehmenden (des Menschen) Wissen von der Realität durch bestimmte Mittel (Vernunft) in Übereinstimmung mit bestimmten Regeln (Logik) erwerben muss." Der Objektivismus, erklärte sie in der Los Angeles Times 1962, befürworte Realität, Vernunft, Selbstinteresse und Kapitalismus. Integraler Bestandteil ihrer Philosophie ist auch eine Theorie der Ästhetik, der sie den Namen "romantischer Realismus" gab. Kunst sei eine Konkretisierung "metaphysischer Abstraktionen", schrieb sie. In ihre ästhetische Theorie spiegelt sich auch in ihrer Einschätzung von Atlas Shrugged wider, den sie als ihren "idealen Roman" bezeichnete, weil er "komplett abgetrennt ist von jeder journalistischen Realität." Diese Qualität wies The Fountainhead nicht auf: "Rands ultimatives Ziel als Autorin fiktiver Literatur war es, eine Welt vollständig zu erfinden, unter Aufgabe jeder Anspielung auf tatsächliche Personen oder Ereignisse, und somit war 'The Fountainhead' nicht ihr 'idealer Roman'."

Spekulative Gedanken zu Robbins Power-Prinzip

In manchen Kreisen sind die Bücher von Anthony Robbins ("Das Power-Prinzip" , "Unlimited Power") sehr beliebt. Ich bin noch nicht weit mit dem Lesen gekommen, aber eines ist mir schon aufgefallen: dass die Grundprinzipien, auf denen Robbins Ideen beruhen, wie auch generell die Grundansätze der NLP, fehlerhaft sind, weil sie auf einer kantianischen Epistemologie beruhen. Man liest z.B. Sätze wie: "Keiner kann wissen, wie die Realität wirklich ist." Robbins spricht vom "sich belügen", und meint, dass man sich nur auf die positiven Aspekte konzentrieren soll. Er spricht von "Glaubenssystemen", die man so anpassen soll, dass die Zielerreichung eben am besten funktioniert. Ob das Glaubenssystem mit der Realität übereinstimmt, spielt keine Rolle. Befürwortet wird purer prinzipienloser Pragmatismus. Zusätzlich fällt die Moral völlig unter den Tisch. Es wird weder danach gefragt, ob das Ziel ein rationales Ziel ist, noch danach, ob die Mittel und der Weg dorthin richtig sind.

Aber selbst das Menschenbild, mit dem Robbins arbeitet ist fehlerhaft. Wenn man seine Wirkungskette betrachtet, dann führt das Denken zu [Gefühls-]Zuständen (stimme ich noch zu) und die Zustände dann zum Handeln. Wobei für Robbins die Zustände eindeutig Gefühlszustände sind. Er spricht z.B. vom Zustand der Liebe. Dass das Handeln nur von den Gefühlszuständen abhängt, mag für rein emotionsgetriebene Menschen richtig sein, für den rationalen Menschen, der seine Gefühle seinem Verstand unterordnet, kann das aber nicht das richtige Modell sein. Ein rationaler Mensch kann eine Handlung gegen seine Gefühle vornehmen. Eine Möglichkeit, für die es in Robbins Diagrammen keinen Wirkungspfeil gibt.

Zudem kann Robbins Modell für einen emotional getriebenen Menschen, der sich in einer depressiven Situation befindet zu einem Teufelskreis werden: laut Robbins kann jemand sein Verhalten nur ändern, wenn er seinen [Gefühls-] Zustand ändert. Falls er wartet, bis sich sein Gefühlszustand von alleine ändert, ehe er sein Verhalten ändern will, kann es sein, dass das nie eintritt. Warum sollte sich sein Gefühlszustand von alleine ändern ? Die Wahrscheinlichkeit aber, dass die Beibehaltung des bisherigen Verhaltens den Gefühlszustand eher noch verschlimmert, ist recht hoch. Der einzige Ausweg wäre, das Denken zu ändern, d.h. z.B. die eigenen Werturteile und Einschätzungen zu überprüfen und zu ändern (siehe Julian Simon: "Good Mood", recht nett geschrieben). Das Denken zu ändern, ist auch nach Robbins Modell möglich. Und auf diese Erklärung warte ich noch im Rest des Buches. ( Eine weitere Möglichkeit laut Robbins ist die Änderung des Zustandes durch physiologische Faktoren, die meiner Meinung nach aber überbewertet ist ). Eine weitaus schnellere Möglichkeit besteht meiner Meinung nach im Versuch, das Denken zu ändern, und selbst dann mit einer Änderung des Verhaltens zu beginnen, wenn der depressive Zustand noch nicht verlassen ist, d.h. eine zeitlang explizit gegen die eigenen Emotionen zu handeln ! Das kann dann schneller zu positiven Ergebnissen führen, die dann auch eine Chance zum Entkommen aus dem depressiven Zustand ermöglichen.

Quelle: tomathome.Blogspot

Kontra Anarchismus

Im Jahr 1994 hat Robert Bidinotto eine längere Abhandlung unter dem Titel The Contradiction in Anarchism verfaßt, an der sich an der sich immer wieder Anarcho-Kapitalisten reiben, so auch Prof. Roderick Long in seiner Erwiderung Anarchism as Constitutionalism: A Reply to Bidinotto. Bidinotto sieht den Hang zum Anarchismus in gewissen intellektuellen Kreisen mit Erstaunen: "Es erstaunt mich immer wieder, dass eine kleine Zahl von gebildeten Typen Opfer der theoretischen Verlockungen des Anarchismus werden kann. Diese Tendenz ist unbekannt bei den meisten gewöhnlichen Leuten, die weder die Zeit noch die Neigung haben, in theoretischen Perversionen zu schwelgen."

In einem Brief an Prof. Long beharrt Bidinotto auf seinen damals geäußerten Ansichten und weist besonders auf das Problem eines fehlenden finalen Schiedsrichters hin: "Es gibt einfach keine Möglichkeit für ein freiwilliges Rechtssystem, irgendein Gesetz durchzusetzen (oder eine Interpretation davon), nicht einmal gegenüber einem einzigen einsamen Andersdenkenden, und weiterhin der anarchistischen Prämisse einer unbegrenzten persönlichen Souveränität zu entsprechen." Bidinotto verweist etwa auf das Problem der Abtreibung, wo es Menschen gibt, die dies als Mord ansehen, und manche wünschen sogar die entsprechenden Strafen dafür. Ein anarchistisches System hat keine Möglichkeiten, sich aus diesem Dilemma zu befreien. "Der Markt" kann nicht darüber entscheiden, ob Abtreibung eine Frage der privaten Moral ist oder ob dies mit Gefängnis oder noch schlimmeren Strafen bedroht werden sollte.

In einer Replik erklärt Roderick Long Bidinottos Analyse zu einem Missverständnis: "Bidinotto glaubt offenbar, dass unter einem Markt-Anarchismus niemand einem juristischen Prozedere unterworfen werden darf, der dem nicht zustimmt. Ich stimme der Auffassung zu, dass dies wahrscheinlich ein absurdes und funktionsunfähiges System wäre."
Mit diesem letzten Satz -absurd und funktionsunfähig- hat Long tatsächlich den Nagel auf den Kopf getroffen, denn seine Erwiderung zeigt sehr deutlich, dass er sich dem Dilemma nicht entziehen kann, einerseits für die Durchsetzung von Rechtsnormen einzutreten, andererseits aber einen "finalen Schiedsrichter" abzulehnen. Dieser Schiedsrichter wäre eine Agentur, "die sich weigert, ihre Anwendung von Gewalt einer externen Entscheidung zu unterwerfen", schreibt Long. Laut Long wäre diese Agentur "per Definition gesetzlos ..."

Andererseits geht Long aber davon aus, dass die Agenturen, die auf der Grundlage korrekter Auffassungen handeln, dass moralische Recht haben, ihre Klienten zu verteidigen gegen die Agenturen, die aufgrund falscher Ansichten handeln, wenn nötig mit Gewalt. Da die privaten Rechtsagenturen sich nicht einem finalen Schiedsrichter zu unterwerfen brauchen und jede Agentur die richtige Auffassung natürlich für sich selbst beanspruchen könnte, kann man leicht die explosiven Folgen dieser Rechtsunsicherheit in der Praxis ausmalen.

Konstruieren wir ein gar nicht so seltenes Beispiel aus der Praxis:
Nach einer Körperverletzung rufen beide Parteien unterschiedliche Rechtsagenturen, die die Interessen ihrer jeweiligen Kunden verteidigen wollen und sich ähnlich feindselig gegenüberstehen könnten, wie der Streithähne des Ausgangskonfliktes. Ein objektiver Beobachter könnte zwar relativ leicht den Schuldigen identifizieren, dieser behauptet aber, dass er sich nur gewehrt habe und weigert sich sogar, seine Personalien feststellen zu lassen - mit Hilfe seiner Agenten versteht sich. Laut Prof. Long hat die Agentur mit den richtigen Auffassungen das moralische Recht, die Interessen ihres Klienten auch mit Gewalt zu vertreten. Dieses Unternehmen könnte sich allerdings als problematisch erweisen, wenn die entsprechenden Durchsetzungsmöglichkeiten, d. h. Muskeln oder Waffen, fehlen. Es riecht hier förmlich nach dem Recht des Stärkeren.

Wenn auch Long einen finalen Schiedsrichter ablehnt, so schreibt er doch kurioserweiser, dass die Agenturen mit den richtigen Ansichten das Recht auf ein Monopol gegenüber ihren Konkurrenten mit inkorrekten Auffassung hätten. Wo es ein Monopol gibt, gibt es aber keine Anarchie mehr, sondern einen Staat, d.h. ein Rechtsagentur mit der finalen Autorität, Gesetze durchzusetzen. Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch den gesamten Text. So schreibt Long, dass jede Person das Recht habe, legislative, judikative und exekutive Dienstleistungen anzubieten, allerdings nicht das Recht habe, diese auf eine rechtverletzende Art und Weise auszuüben. Nur muss hier wieder die Frage gestellt werden, wer darüber entscheidet, was "rechtsverletzend" ist, denn in einem anarchistischen System gibt es nicht mehr "das Rechtssystem", sondern mehrere konkurrierende Systeme. Gewalt ist auch nicht ein Gut wie jedes andere, wie die Anarcho-Kapitalisten annehmen, sondern stellt einzigartige Gefahren für das Leben, die Rechte und das Wohlergehen der Unschuldigen dar.

Anarcho-Kapitalismus ist keine Weiterentwicklung des Objektivismus, sondern der Schritt über die Klippe in den Abgrund. Wer eine Vorstellung von dieser anarcho-kapitalistischen Utopie bereits heute erhaschen möchte, sollte sich einmal unsere Strafverteidiger ansehen, die jeden Angeklagten verteidigen und versuchen ihn vor einer Bestrafung zu beschützen, egal wie moralisch verwerflich dieser auch sein möge. Kein Argument ist ihnen zu abgeschmackt, kein Trick zu billig, um selbst die verkommenesten Mörder und Vergewaltiger vor Strafe zu schützen. Heute stehen ihnen Staatsanwälte und objektive Richter gegenüber, im einem anarcho-kapitalistischen System allerdings wäre ihnen dieses Gegengewicht abgenommen und das Problem würde sich potenzieren, weil sie sich nun zu Schutzagenturen formieren könnten.

Dienstag, August 02, 2005

Zum Status von Zivilisten im Krieg

Don Watkins macht auf seinem Blog einige interessante Bemerkungen zum Status von Zivilisten in Kriegen: "Aber ich sehe Zivilisten in einem Feindstaat nicht als Unschuldige an. Ebenso sind sie auch nicht schuldig. Diese Begriffe sind hier nicht anwendbar. Schuld und Unschuld beziehen sich auf den legalen Status einer Person unter der Herrschaft des Rechts, die eines spezifischen Verbrechens beschuldigt wird. Darüber sprechen wir hier nicht. Wir sprechen über den Status von Zivilisten innerhalb eines Feindstaates in Zeiten des Krieges. In diesem Kontext sind die Bürger eines Feindstaates, die die diesen nicht aktiv bekämpfen, um ihn von innen heraus zu stürzen, entweder eine passive oder aktive Stütze des Regimes und somit eine objektive Bedrohung für die unschuldige Nation. In einem Krieg liegt die Verantwortung für jeden vergossenen Tropfen Blut bei dem Aggressor - ihn trifft die moralische Schuld. Das bedrohte Land hat nur eine einzige Verpflichtung - sowenig Tote auf seiner Seite zu verursachen wie möglich, und den Willen und die Fähigkeit zum Kampf bei der feindlichen Nation zu zerstören. Irgendetwas anderes zu fordern, bedeutet Selbstaufopferung der unschuldigen Nation zu fordern. Dies bedeutet faktisch: Ja, im Krieg ist alles erlaubt - anything goes. Es herrscht das Gesetz des Dschungels. Es gibt keine anderen Weg, einen Krieg zu führen, und es gibt keinen anderen Weg, einen Krieg zu gewinnen. Das menschliche Leben ist nicht intrinsisch gut. NICHTS ist intrinsisch gut. Dies ist der primäre Fehler an der Wurzel des modernen Konservativismus (was Sinn macht, da Religion selbst eine Form von Intrinsizismus ist."

Montag, August 01, 2005

Lebwohl TOC!

Die langjährige Unterstützerin des The Objectivist Center (TOC), Diana Mertz Hsieh, hat am 20. Februar 2004 in einer offenen Stellungnahme ihre Trennung von der Organisation mitgeteilt. Sie hatte in einem Brief an David Kelley, dem geschäftsführenden Direktor des TOC, bereits einige Tage vorher das Ende ihrer Unterstützung des TOC angekündigt. Sie nennt als Grund für diese Entscheidung, dass sie "bedeutsame praktische und philosophische Einwände" gegen die grundlegende Herangehensweise des Centers gegenüber dem Objektivismus habe. Hauptgrund ihrer Enttäuschung über das TOC sei dessen Verständnis des Objektivismus als eines "offenen Systems". Sie habe kürzlich noch einmal, nach zehn Jahren, David Kelleys "Truth and Toleration", das Gründungsdokument des TOC gelesen, und sei selbst überrascht gewesen, dass sie beinahe bei jedem Thema (moralisches Urteil, Sanktion, Toleranz, Objektivismus als offenes System) bedeutsame Meinungsunterschiede zu Kelley festgestellt habe. Gemäß Kelley ist der Objektivismus ein offenes System, dass nur begrenzt sei durch Prinzipien, die Kelley als fundamental für das System ansieht. Das Rest kann debattiert, geändert, reorganisert, verfeinert und vollständig zurückgewiesen werden innerhalb der Grenzen des Objektivismus, solange jemand "seine Sichtweise verteidigt unter Bezugnahme auf die Grundprinzipien." Diana Mertz Hsieh sieht die anhaltenden Probleme des TOC nicht begründet in schlechtem Management, fehlenden Spenden oder dürftigem akademischen Potential, sondern sieht sie als "natürliche, praktische Konsequenz" der TOC-Sicht des Objektivismus als eines offenen Systems. Der führende Philosoph der konkurierenden objektivistischen Organisation "Ayn Rand Institute", Leonard Peikoff, bestreitet, dass der Objektivismus -oder irgendeine andere Philosophie - ein offenes System sei. "Jede Philosophie", sagt er, "ist unveränderlich. Neue Implikationen, Anwendungen und Integrationen können immer entdeckt werden, aber die Essenz des Systems - seine fundamentalen Prinzipien und ihren Konsequenzen im jedem Zweig- ist ein für alle Mal niedergelegt worden durch den Autoren der Philosophie." Im Fall des Objektivismus ist der Autor natürlich Ayn Rand und die Philosophie ist definiert in ihren Werken. Peikoff erkennt die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung der Philosophie an, solange dies "logisch vereinbar" mit dem sei, was sie geschrieben habe. Atlas Shrugged und die weiteren Schriften von Rand seien für die Objektivisten das, was die Verfassung für das Rechtssystem der Vereinigten Staaten sei. Ein Richter müsse die gesamte Verfassung akzeptieren und sicherstellen, dass seine Entscheidungen vereinbar mit jedem darin enthaltenen Satz seien.

Medizinische Versorgung ist kein Recht

In einer Rede, die der Philosoph Dr. Leonard Peikoff am 11. Dezember 1993 hielt, wendet er sich der Frage zu, ob die sozialisierten Gesundheitssysteme wie auf Kuba und in Kanada, die zweifellos "unpraktisch" waren, dann aber jedenfalls moralisch und wohlmeinend wären. Peikoff verneint dies kategorisch, weil ein System, das individuelle Rechte verletze, moralisch falsch und böse sei. Ein Recht auf eine medizinische Versorgung gebe es nicht: "Nach unseren Gründervätern werden wir nicht geboren mit dem Recht auf einen Besuch in Disneyland oder auf eine Mahlzeit bei McDonald's oder auf eine Nierendialyse." Das amerikanische System kenne nur das Recht, zu handeln. Sollte es einige Bürger geben, die sich eine medizinische Versorgung nicht leisten könnten, müßten diese auf private, freiwillige Wohltätigkeit zurückgreifen. Sollte die Bevölkerung eines ganzen Landes sich wirklich einen solchen Dienst nicht leisten können, könnte keine Regierung daran etwas ändern.

Tara Smith über die Tugend der Ehrlichkeit

Im Internet steht jetzt der Aufsatz The Metaphysical Case for Honesty der Philosophin Tara Smith zur Verfügung, der im Jahr 2003 in der Zeitschrift The Journal of Value Inquriy veröffentlicht wurde (insgesamt 16 Seiten als PDF-Datei - Issue 4,2003).

Tara Smith entwickelt in dem Aufsatz eine "reichere Konzeption von Ehrlichkeit", da das Anlügen von anderen Personen nur eine Form des breiteren Phänomens der Täuschung ist: "Ehrlichkeit ist die Weigerung, die Realität zu verfälschen. Es ist die Weigerung einer Person, vorzutäuschen, dass die Fakten anders sind als sie sind, ob für ihn selbst oder für andere." Ehrlichkeit ist eine Tugend, weil die Dinge so sind wie sie sind, ungeachtet der Meinung einer Person oder seiner Haltung ihnen gegenüber. Smith sieht Ehrlichkeit begründet in dem Gesetz der Identität. Obwohl ist es wahr ist, dass wir die Fakten nicht verfälschen können, so können wir doch manchmal andere Menschen zum Narren halten. Aber dies zeigt nicht, dass Unehrlichkeit effektiv ist. Unehrlichkeit erscheint nur vorteilhaft, wenn wir den vollen Kontext ignorieren. Auch wenn wir einen Menschen getäuscht haben, so haben sich doch die Fakten, die jemand falsch darstellt, doch nicht geändert: "Einen Arbeitgeber zum Narren zu halten, sodass er mir einen Job gibt, für den ich nicht qualifiziert bin, ist kein Rezept für eine erfolgreiche Karriere." Das Bemühen, eine Täuschung zu vertuschen, führt zur nächsten Täuschung. Die Unehrlichkeit kann nicht begrenzt werden. Je mehr Lügen aber erzählt werden, desto größter die Gefahr der Entdeckung. Der destruktive Charakter der Unehrlichkeit wird immer offensichtlicher: "Eine unehrliche Person untergräbt ihre eigene Fähigkeit, rationale Entscheidung zu treffen. Sie bewegt sich von einem Respekt für die Fakten als Basis ihrer Entscheidungen zu einem Verlassen auf Erfindungen. Ihr Interesse für die Realität konkurriert jetzt mit Besorgnissen über die Aufrechterhaltung des Scheins."