Donnerstag, August 25, 2005

Wo Atlas und Jesus sich treffen

Im Internet kann man die Seite eines seltsamen Atlas Institute Europe besichtigen. Die Seite, die ohnehin schon merkwürdig unstrukturiert ist, bietet dem Interessierten dennoch einige interessante Einsichten in gewisse Ver(w)irrungen, welche die sog. "Neo-Objektivisten" beizeiten befallen. Unter der Kategorie "CrossPhilo" findet sich - als ein Beispiel für einige weitere Erstaunlichkeiten, die sich auf der Seite so finden lassen - der Artikel Die Zukunft des Objektivismus des Institutsgründers Andreas W. Tauber. Ich zitiere drei - für einen angeblichen Objektivisten - besonders bemerkenswerte Stellen:

Darauf zu bestehen, dass Rechte sich nur auf das Leben, die Freiheit und das Eigentum beziehen ist reaktionär, regressiv, doktrinär und im höchsten Masse einer objektivistischen Orthodoxie verschrieben.

Nachdem man den hysterischen Anfall im zweiten Teil des Satzes verdaut hat, kann man schlicht und ergreifend die Frage stellen: Worauf sollen sich Rechte sonst beziehen? Soziale Gerechtigkeit? Arbeitsplätze? Recht auf Versklavung der Mitmenschen? Herr Tauber bleibt uns leider die Antwort schuldig.
Aber es geht ja noch weiter:

Warum in aller Welt sollte man darauf bestehen, dass der Begriff des Objektivismus sich ausschliesslich durch die Zuhilfenahme von Ayn Rands Werken definieren lässt? Worum sollte Objektivismus nicht das bedeuten, was ein Individuum dem Begriff an Bedeutung zuschreibt?


Weil "Objektivismus" diejenige Bezeichnung ist, die Ayn Rand ihrem spezifischen Beitrag zum Gebiet der Philosophie gegeben hat und weil Begriffe nun einmal nicht arbiträr sind, sondern objektiv. Anscheinend hat Herr Tauber sich nicht ausführlich genug mit der Erkenntnistheorie Ayn Rands befasst, sonst wüsste er, dass man nun mal nicht Kapitalismus sagen kann, wenn man Sozialismus meint.
Und als letzte Zumutung:

Als weitere objektivistische Entwicklungsform gibt es den integrierten Objektivismus, der sich durch seinen Synkretismus auszeichnet. [...] Ein Beispiel hierfür ist der christliche Objektivismus, der versucht, christliche und objektivistische Wertevorstellungen in Einklang zu bringen. [...] Während der Objektivismus die philosophische Basis bildet, wird das christliche Wertesystem diesem untergordnet. Nicht der Widerspruch beider philosophischer Systeme wird betrachtet, sondern die Kompatibilität christlicher Werten auf einem objektivistischen Fundament.

Wie aber soll es Kompatibilität oder gar Einklang zwischen einer Weltanschauung des Mystizismus und Altruismus (und, wenn man die Kirchen betrachtet, auch übelsten Kollektivismus) und einer Philosophie der Vernunft, des rationalen Eigeninteresses und des Individualismus geben? Ein "christlicher Objektivismus" wäre ein gleich dreifacher Verstoß gegen das Identitätsaxiom: Denn erstens sind Christentum und Objektivismus philosophisch inkompatibel, zweitens gibt es keinen Gott, und drittens wird auch der Wunsch Herrn Taubers, es möge doch anders sein, daran nichts ändern.

Fazit: Das sog. "Atlas Institute Europe" und sein Gründer unterliegen einigen schweren philosophischen Irrtümern und sind in keinem Fall als verlässliche oder gar seriöse Quelle in Punkto Objektivismus zu betrachten. Es ist allerdings ausgesprochen ärgerlich, dass sich immer wieder Menschen als "Objektivisten" bezeichnen, die eigentlich gar keine sind und nur dazu beitragen, dass Rands Position sich in verfälschter und verzerrter Weise verbreitet.

Quelle: Heroic Dreams