Dienstag, Dezember 27, 2005

Die dunkle Seite des Konservatismus

Die konservative Zeitschrift National Review druckte im Dezember 1957 eine Besprechung von Ayn Rands Roman Atlas Shrugged von Whittaker Chambers ab. Der Titel Big Sister Is Watching You läßt schon erahnen, dass diese nicht besonders freundlich ausfiel. Nationalreview.com hat den Aufsatz von Chambers jetzt veröffentlicht als Erinnerung an den 50. Jahrestag der Zeitschrift. Robert Tracinski beschäftigt sich in einem Kommentar für das capitalismmagazine.com mit dieser Kritik an Rands Magnus Opus . Tracinski spricht von einer bösartigen "Pseudo-Rezension" und die Tatsache, dass sie überhaupt veröffentlicht -und nach 48 Jahre noch einmal im Internet veröffentlicht wurde- sage eine Menge über den intellektuellen Zustand des Konservatismus aus. Tracinski spricht von einer "Pseudo-Rezension", weil Chambers dem, was Rand tatsächlich schrieb, sehr wenig Aufmerksamkeit schenkte. Er schreibt Namen falsch, verzichtet auf Zitate aus dem Roman und stellt unhaltbare Behauptungen auf. So sollen die Figuren in dem Roman entweder total gut oder total böse sein, was völlig ignoriert, dass Rand sehr wohl Personen präsentierte, die "gemischte Prämissen" vertraten. Tracinski geht davon aus, dass Chambers den Roman überhaupt nicht gelesen hat. Tatsächlich benutzt, so Tracinski, der Autor Rand nur als Sprungbrett gegen die atheistischen Überzeugung, dass es eine natürliche Welt ("Materialismus") gibt, gegen Sicherheit auf dem Gebiet des Epistemologie ("Arroganz"), gegen ein Schwarz-Weiss-Denken bei moralischen Fragen ("unflexible Selbstgerechtigkeit") , gegen Idealismus in der Politik usw. "Das Thema des Artikels", schreibt Tracinski, "ist Anti-Intellektualismus." Chambers will eine religiöse Philosophie propagieren, dadurch, dass er auf Ayn Rand einprügelt.

Weihnachten - worum es gehen sollte

* (Fast) die ganze Welt feiert Weihnachten und gedenkt dabei der Geburt Jesu. Der Ursprung dieses Fests jedoch ist gänzlich weltlicher Natur und in der modernen Form eine amerikanische Erfindung des 19. Jahrhunderts.

In der Essenz geht das Fest auf die archaischen Sonnwendfeiern zurück, die Menschen schon immer begangen haben, als die Tage wieder länger wurden. Die Römer kannten die Saturnalien. Die Christen hatten für diese Feiern nur Verachtung übrig. Sie waren zu jeder Jahreswende damit beschäftigt, an das Ende der Welt zu denken und verurteilten jede Form "weltlicher" Vergnügungen. Mit der Zeit kamen die Christen jedoch zu der Erkenntnis, dass gegen diese weltlichen Untriebe nicht anzukommen sei und entschieden sich, das Fest zu stehlen, wie Leonard Peikoff treffend formuliert: "If you can't stop them, join them". Im Gegensatz zu den bereits damals bekannten Tatsachen datierten sie die Geburt Jesu auf den 25. Dezember und usurpierten die weltlichen Sonnwendfeiern. Dennoch blieben religiöse Zweifel, wie der Weihnachtsfeiertag, in dessen Mittelpunkt Lebensfreude und Bejahung zum Leben steht, mit den christlichen Anspruchsdogmen der Entsagung, des Verzichts, der Selbstaufopferung und des Jenseitsdenkens zu vereinbaren sei.

Das 19. Jahrhundert sollte den Charakter des Festes dann entscheidend verändern. Die Entfaltung des menschlichen Potentials in Wissenschaft und Wirtschaft bewirkte einen nachhaltigen Modernisierungs- und Zivilisierungsschub. Durch den Prozess der Industrialisierung wurden Menschen erstmals in der Geschichte in die Lage versetzt, aus ihrem determinierten sozialen Status auszubrechen und sich selbst aus eigener Kraft nach oben zu arbeiten. Der endgültige Triumph rational-logischen Denkens über religiös-mystischen Aberglauben führte zu unglaublicher Wohlstandsvermehrung. Letzeres hatte zur Folge, dass das gegenseitige Beschenken zum zentralen Inhalt des Weihnachtsfests wurde. Als Personifizierung dessen gilt Santa Claus, der von Christen als Antichrist denunziert wurde, weil er den Charakter von Weihnachten als religiöses Fest schnell unterlief. Die Amerikaner ließen sich jedoch nicht beirren. Santa Claus steht in fundamentalem Gegensatz zur christlichen Ethik. Er verlangt nicht von den Reichen, dass sie sich ihres Reichtums schämen und durch Sühne Abhilfe leisten müssen. Er behandelt vielmehr reiche und arme Kinder gleich. Geleitet von Gerechtigkeit gibt Santa lediglich den guten Kindern und nicht den bösen - unabhängig von deren sozialen Status.

All das, was wir heute mit Weihnachten assoziieren - Weihnachtslieder, Dekorationen -, basiert auf weltlichen Bräuchen, die geleitet sind von der Freude am Leben und dem Verfolgen des Glücks - nicht von Entsagung, Selbstaufopferung und Verachtung sämtlichen weltlichen Glücksstrebens, wie die Christen es postulieren. Never accept an unearned guilt; so take the Christ out of Christmas.

* (Basierend auf dem Essay "Why Christmas Should Be More Commercial" von Leonard Peikoff.)

Quelle: Freiheit, Isonomie, Privatrechtsgesellschaft

Freitag, Dezember 23, 2005

Die Philosophie von BB&T: Objektivismus

Luke Setzer macht in einem Beitrag für die Organisation Rebirth of Reason darauf aufmerksam, dass die offizielle Philosophie des amerikanischen Finanzdienstleisters BB&T Corp. der Objektivismus ist. Auf der Website des Unternehmens wird die firmeneigene Philosophie auch erläutert, und sicherlich hat Ayn Rand Pate bei den Formulierungen gestanden, wenn auch kein Hinweis auf Rand erfolgt oder der Begriff "Objektivismus" verwendet wird. Zur Rolle der Emotionen heißt es zum Beispiel, dass diese wichtig seien, die entscheidene Frage sei jedoch, "wie rational unsere Emotionen sind." Punkt 1 der "Werte" des Unternehmens ist "Realität": "Was ist, ist. Wenn wir besser sein wollen, müssen wir innerhalb des Kontext der Realität handeln (den Fakten). Unternehmen und Personen machen oft ernsthafte Fehler dadurch, dass sie Entscheidungen treffen, die auf reinem Wunschdenken basieren, oder auf Theorien, die von der Realität abgekoppelt sind."

Siehe auch einen aktuellen Artikel über BB&T, wo die Firma mitteilt, dass sie keine Kredite an Personen vergeben wird, die Privateigentum durch staatliche Zwangsmaßnahmen ("Eminent Domain") bekommen haben.

Siehe auch den Rule of Reason Weblog zum Thema

Was schützen die sogenannten Lebensschützer?

Ihre Argumentation beruht auf einer Vermengung von Potenzialität und Aktualität. Die Blastozyten, die im Prozess des Klonens gewonnen werden, sind eine Ansammlung von undifferenzierten Zellen mit menschlicher DNA. Sie besitzen die Potenz, sich unter bestimmten günstigen Umständen in einen Menschen zu verwandeln. Sie sind aber kein Mensch mit individuellen Rechten, sondern Eigentum ihrer Erzeuger, was beinhaltet, dass diese das Recht haben, über ihr Eigentum nach ihrer Wahl zu verfügen. Der Philosoph Leonard Peikoff stellt hierzu fest: "Wenn wir es als das betrachten, was es ist, und nicht als das, was es sein könnte, müssen wir feststellen, dass ein Embryo unter drei Monaten etwas weit Primitiveres ist als ein Frosch oder ein Fisch. Es ist mit einem Säugling zu vergleichen, ist lächerlich."

Donnerstag, Dezember 08, 2005

Kausalität

Wenn man auf der Straße jemanden fragt, was er unter Kausalität versteht, dann bekommt man in der Regel etwas zurück wie "Jede Wirkung hat eine Ursache" bzw. "Jedem Ereignis geht ein anderes Ereignis voraus". Diese Theorie ist allerdings nicht wirklich zufriedenstellend. Betrachten wir das anhand von drei kleinen Beispielen:

Erstens: Nehmen wir an, ein Buch liegt oben auf dem Rand eines Regals. Wir stoßen nun das Buch mit einem bestimmten Kraft p an. Was geschieht? Das Buch fällt. Soweit so gut. Hier scheint die Theorie also zu funktionieren: Das Ereignis "Anstoßen" hat das Ereignis "Fallen" ausgelöst. Aber wir sind ja noch nicht fertig ...

Zweitens: Nehmen wir nun an, das Buch liegt nicht auf dem Regal, sondern auf dem Fußboden. Wir stoßen es erneut an mit der bereits verwendeten Kraft p. Was passiert? Das Buch rutscht! Es fällt nicht, sondern es rutscht. Auf das Ereignis "Anstoßen" folgt also das Ereignis "Rutschen". Wie aber kann das sein? Wie kann eine Ursache zwei verschiedene Wirkungen, nämlich Fallen und Rutschen, haben? Und wie entscheidet sich, wann welche der beiden Wirkungen eintritt? Doch nicht etwa rein zufällig...? Aber dann wäre es ja nicht mehr streng kausal determiniert! ... Aber sehen wir weiter.

Drittens: Ersetzen wir das Buch durch einen 100 kg schweren Metallblock. Diesen Stoßen wir wieder mit der bereits genannten Kraft p an; und was passiert nun? Der Block zeigt keine Reaktion. Wir haben jetzt also das Problem, dass unsere bisherige Kausalitätstheorie anscheinend völlig unzutreffend ist, denn wie wir gesehen haben, ist es nicht so, dass eine Ursache eine Wirkung hat oder jedem Ereignis ein bestimmtes anderes vorausgeht; es ist durchaus auch möglich, dass auf eine Ursache gar keine Wirkung eintritt (Metallblock) oder ganz verschieden (Fallen und Rutschen). Wie erklären wir das also?

Nun, die bisherige Kausalitätstheorie ist offenkundig zu oberflächlich. Sie macht einen entscheidenden Fehler: Sie sieht Kausalitäten nur als Beziehung zwischen Ereignissen. Tatsächlich aber ist Kausalität eine Beziehung zwischen Entitäten. Diese haben bestimmte Eigenschaften und stehen in bestimmten Relationen zu allem anderen. Wir reformulieren also die Kausalitätstheorie: "Eine Entität kann sich nur so verhalten, wie es ihr ihre Eigenschaften und ihre Relationen zu anderen Entitäten gestatten."

Auf diese Weise werden dann auch unsere Beispiele besser verständlich und kausal erklärbar: Wenn wir das Buch mit der Kraft p anstoßen fällt es einmal und rutscht ein anderes mal, nicht aus purem Zufall, sondern schlicht und ergreifend, weil das Buch jeweils in einer anderen Relation zu anderen Entitäten, insbesondere zum Boden steht: Einmal befindet es sich hoch über dem Boden auf dem Regal; einmal liegt es direkt auf dem Boden. Wenn wir den Metallblock mit der Kraft p anstoßen und er sich nicht bewegt, dann ist das eben keine Widerlegung der Kausalität, sondern in unserer neuen Formulierung so inbegriffen, denn der Metallblock hat eine bestimmte Masse, d.h. eine Eigenschaft, die es verunmöglicht, dass er mit der Kraft p bewegt werden kann.

Und noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Interessant ist diese Formulierung des Kausalitätsgesetzes insbesondere deshalb, weil sie es ermöglicht, den sog. freien Willen des Menschen nahtlos in eine kausale Ordnung einzubinden, indem man sagt, der freie Wille sei eine Eigenschaft des Menschen bzw. seines Bewusstseins. Auf diese Art wird es möglich, den Willen als gleichsam frei wie verursacht zu betrachten.

Quelle: Heroic Dreams

Montag, Dezember 05, 2005

Israel braucht einen Howard Roark

Orit Arfa von The Jewish Journal of Greater Los Angeles äußert sich in einem Artikel vom 10. Mai 2002 über die Aktivitäten des Ayn Rand Institute zur Unterstützung von Israel: "Das Institut, welches seinen Sitz in Marina del Rey hat, wurde 1985 -drei Jahre nach dem Tod von Ayn Rand- kreiert, um ihre Philosophie der Vernunft, des Individualismus und Kapitalismus, verkörpert durch die Helden ihrer Romane, zu fördern. 'Israel verkörpert die zentralen Werte, für die das Institut kämpft," sagt Dr. Yaron Brook, Direktor des Ayn Rand Institute. Brook glaubt, dass das anti-israelische Gefühl auf der ganzen Welt nicht notwendigerweise einem puren Anti-Semitismus entspringt oder der Furcht vor dem Zorn der Araber, sondern auf die Ideen der heutigen Intelligenz zurückgeht, die propagiert, was Rand gerne als den ethischen Kodex des 'Altruismus' bezeichnete.' Heute kommt 'Altruismus' in solchen Begriffen wie 'Multikulturalismus', der allen Kulturen, einschließlich totalitären Regimen, Legitimität verleiht, und 'moralischer Pragmatismus', der einem Kompromiss zwischen völlig unterschiedlichen Wertesystemen applaudiert, zum Ausdruck. 'Wenn man über keine moralischen Absolutheiten verfügt, wird das, was Israel tut als ebenso schlimm angesehen wie irgendein terroritischer Akt,' sagt Brook. 'Ein Akt des Terrors wird als 'Freiheitskampf" bezeichnet, weil Freiheit überhaupt nichts mehr bedeutet.'

Peikoff über den Irak-Krieg: Falscher Krieg, falsche Gründe, falsche Art

Anfang April 2003 berichtete Paul Blair auf seiner inzwischen eingestellten Website "...interesting" über den Besuch eines Vortrags bei Dr. Leonard Peikoff vom Ayn Rand Institute. Blair bezeichnet den Vortrag als "unglaublich provokativ" und erwähnt, dass ihm Peikoff zeige, wie radikal doch der Objektivismus sei. Blair hatte sich keine Notizen gemacht und gibt aus dem Gedächtnis folgende Zusammenfassung des Vortrags von Peikoff:
"Wir kämpfen die falschen Kriege, aus den falschen Gründen, auf die falsche Art. Während Peikoff die amerikanischen Truppen unterstützt -er glaubt, dass ein Angriff auf den Irak besser sei als keinen Finger krumm zu machen-, argumentierte er, dass wir uns den Irak vorgenommen hätten, weil George W. Bush der moralische Mut fehle, den wahren Feind zu identifizieren und anzugreifen, den Islam. ( An einem Punkt sagt er "Islamische Militanz", aber da er ebenso behauptet, dass die Militanten die konsequenten Anwender des Glauben sind, glaube ich, dass ich seine Meinung richtig wiedergebe.) Er vertritt die Auffassung, dass unsere einzige Sorge im Krieg der Sieg und die Zerstörung der Bedrohung sein sollte - und dass wir dann den Irak und die Irakis sich selbst überlassen sollten. Unser ultimatives Ziel sollte es, eine überwältigende Furcht in diesem Teil der Welt zu schaffen - eine Furcht darüber, was passieren würde, falls irgendein teroristischer Akt noch einmal versucht werden sollte. Dieses Ziel rechtfertige einen völligen Mangel an Sorge für zivile Opfer, einschließlich des gezielten Angriffs auf Zivilisten, wenn nötig. (Er illustrierte diesen Punkt mit einer Beschreibung der allierten Bombardements auf Tokio - und im allgemeinen kontrastierte er unser Verhalten im gegenwärtigen Krieg mit unseren Aktionen im 2. Weltkrieg). Überflüssig zu erwähnen, dass er glaubt, dass Katzbuckeln vor den Vereinten Nationen, die humanitäre Hilfe an den Feind, die Sorge um zivile Opfer und der Wunsch, als Befreier angesehen zu werden, nur die Fucht reflektiere, als jemand angesehen zu werden, der aus eigenen selbstsüchtigen Gründen den Krieg führe. (In der Frageperiode beantwortete er die Frage nach der Parole "Kein Blut für Öl" folgendermaßen: 'Wenn wir einen Krieg führen wollen, wäre Öl ein verdammt guter Grund' - obwohl er weiterhin ausführte, dass dies nicht Bush's Grund sei.) Das überwölbende Thema seines Vortrages war jedoch, dass das amerikanische Volk George W. Bush unterwürfig folge bei all dem, weil der Altruismus vollständig die Überreste des ursprünglichen amerikanischen Lebengefühls weggeschwemmt habe. Es wären nicht nur die Intellektuellen mehr, es wären alle. Der Vortrag verursachte einen entrüsteten Ausbruch - als Peikoff für bewußte Angriffe auf Zivilisten plädierte, schrie ein Mann: 'Das ist abscheulich' und verließ dann wütend das Publikum. Abgesehen davon verhielt sich das Publikum höflich." Soweit die Wiedergabe des Vortrags durch Blair. Er beschreibt dann sein Unbehagen über die Äußerungen von Peikoff.

Siehe auch Leonard Peikoffs Aufsatz Iraq: The Wrong War aus dem Jahr 1997, wo er den Iran als die Hauptbedrohung der amerikanischen Interessen im Mittleren Osten bezeichnet

Sonntag, Dezember 04, 2005

Unternehmer als Sündenböcke

In ihrem Buch Capitalism: The Unknown Ideal schrieb die Philosophin Ayn Rand 1966: "Jede Bewegung, die ein Land zu verklaven versucht, jede Diktatur oder potenzielle Diktatur, braucht eine Minderheit als Sündenbock, die für die Probleme der Nation zur Verantwortung gezogen werden kann und die als Rechtfertigung für die eigenen Forderungen nach diktatorischen Vollmachten dient. In Sowjet-Russland war dies die Bourgeoisie, in Nazi-Deutschland die jüdischen Menschen, in Amerika sind es die Geschäftsleute." Außerdem sei sie legale Behandlung von Kriminellen weitaus besser als die der Geschäftsleute, denn jene seien immerhin einem objektiven Recht unterworfen, während die Geschäftsleute den Launen und der Willkür von Politikern und Etatisten unterworfen seien. An diese Worte erinnert ein Leserbrief in der Financial Times Deutschland vom 17.03.2003. Dort schreibt Henning G. aus Landsberg: "Es ist an der Zeit, dass endlich einmal anerkannt wird, wie wir Geschäftsleute ständig - in Film, Buch und populären Medien - als raffgierige Halb-Kriminelle dargestellt werden. Nicht Politiker oder Nichtregierungsorganisationen halten die Welt am Laufen, sondern die profane Gewinnsucht der Kapitalisten. Es wäre mehr als angebracht, wenn dies von den Menschen anerkannt würde. Und die Tatsache, dass dem nicht so ist, ja dass man sogar beschimpft und verhöhnt wird, trägt sicher dazu bei, dass unsere Wirtschaft den Bach runter geht."

Sonntag, November 13, 2005

Nach Gummersbach

Im vergangenen Jahr fand zwischen dem 30.4 und 2.5 ein Seminar der Theodor-Heuss-Akademie zum Thema "Ayn Rand" statt. Ich war einer der Teilnehmer dieses Seminars und verfaßte kurz nach dem Ende des Seminars einen kurzen Text über die Eindrücke dieser Tage von Gummersbach:

Gerade bin ich vom Seminar der Friedrich-Naumann-Stiftung zu Ayn Rand zurückgekehrt und mir schwirrt noch der Kopf von den Eindrücken dieser zweieinhalb Tage. Zunächst einmal möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal meinen Dank an die Verantwortlichen der Stiftung aussprechen, dass es überhaupt zu einer solchen Veranstaltung gekommen ist. Vermutlich die erste deutschsprachige Veranstaltung dieser Art. Dies war natürlich kein Seminar von Objektivisten für Objektivisten. Das Publikum war heterogen, irgendwie liberal sicherlich, aber das Wissen über den Objektivismus und die Sympathie gegenüber dem Objektivismus differierten doch erheblich unter den Teilnehmern. Zum Abschluß des Seminar brachte ein Teilnehmer noch einmal seine anti-objektivistische Weltsicht auf den Punkt. Irgendeinen Lerneffekt schien dieses Seminar bei ihm nicht hinterlassen zu haben. Mir wurde bei seinen Worten allerdings deutlich, dass ich nach seiner Philosophie nicht leben möchte. Dies wäre so, als wollte ich mir selbst den Boden unter den Füßen wegreißen. Was er dort äußerte, war ein Frontalangriff auf die Vernunft. Wie sagte doch Aristoteles so schön: "Die Vernunft geht immer den rechten Weg, Trieb und Phantasie bald den rechten, bald den falschen." Ich wollte diesen Teilnehmer fragen: "Was wissen Sie überhaupt. Wessen sind Sie sicher. Sind Sie überhaupt sicher, dass Sie leben?" Keine polemische Frage, denn Alan Greenspan war der Ansicht, dass man nicht wissen könne, ob man überhaupt lebe, als er zu dem Zirkel von Objektivisten um Rand stieß. Er ließ sich dann allerdings davon überzeugen, dass man dies durchaus wissen könne. Natürlich fehlte auch nicht der Hinweis, dass die Masse der Philosophen die objektivistische Sichtweise nicht teilen, was für Objektivisten allerdings unerheblich ist, denn philosophische Fragen werden nicht durch Mehrheitsentscheidungen gelöst. Die Pausengespräche drehten sich intensiv um die Frage, wie das Jahr 2005 -der 100. Geburtstag von Rand- zur Propagierung ihrer Ideen genutzt werden könnten. Die Verkaufszahlen ihrer Bücher im deutschsprachigen Raum sind bislang nicht berauschend und das nächste Jahr bietet mit dem runden Geburtstag von Rand ein ideales Vehikel, um Presse und Buchhandel zu mobiliseren. Nur dazu müßten die Romane im nächsten Jahr überhaupt verfügbar sein. Auch wurden bestimmte Projekte angekündigt, etwas die Herausgabe eines Sammelbandes zur objektivistischen Philosophie oder die Gründung eines Objectivist Center Europe. Aber die Konkretisierung dieser Projekte steht noch aus und somit kann auch noch kein abschließendes Urteil abgegeben werden. Ein Objectivist Center unter Einschluss von Anarcho-Kapitalisten wäre für mich ein Grund, eine solche Organisation zu meiden. Selbst das relative tolerante Objectivist Center (TOC) besteht auf der Unvereinbarkeit von Anarchismus und Objektivismus. Mein Lebensziel besteht auch nicht primär in der Gründung oder Beteiligung an irgendeiner objektivistischen Organisation. Ich möchte aus dem Objektivismus für mein persönliches Leben so viel wie möglich herausziehen und wenn ich Schüler oder Studenten sehe, die den Objektivismus bereits für sich entdeckt haben oder dabei sind, dies zu tun, tut es mir nur Leid, dass ich so spät Rand und den Objektivismus entdeckt habe. Aber besser spät als nie.

Samstag, November 05, 2005

Ayn Rand antwortet

Nachdem Ayn Rand ihr Hauptwerk "Atlas Shrugged" abgeschlossen hatte, widmete sie sich der Sachliteratur, und in einem geringeren Umfang auch einer Vortragstätigkeit, um ihre Philosophie bekannter zu machen. Häufig wurden nach diesen Vorträgen auch Fragen von Zuhörern zugelassen. Robert Mayhew hat durch sein gerade erschienenes Buch "Ayn Rand Answers: The Best of Her Q & A" Ayn Rands Antworten auf diese Fragen erstmalig auch in gedruckter Form dem interessierten Leser zugänglich gemacht. Sein Buch umfaßt ein breites Spektrum an Fragen und Antworten aus den Bereichen Politik und Ökonomie, Ethik, Metaphysik und Epistemologie, sowie Ästhetik und Kunst. Allerdings weist der Autor ausdrücklich daraufhin, dass Rands Antworten von ihm redigiert wurden und somit nicht als Teil des Objektivismus angesehen werden können. Hier vier ausgewählte Fragen und Ayn Rands Antworten:


Was denken Sie, wird passieren, wenn Sie gestorben sind? (1969)

Ich nehme an, dass man mich beerdigen wird. Ich glaube nicht an Mystizismus oder ein Leben nach dem Tod. Das bedeutet nicht, dass ich glaube, dass der menschliche Geist notwendigerweise materialistisch ist; aber er ist auch nicht mystisch. Wir wissen, dass wir einen Geist und einen Körper haben, und dass der eine nicht ohne den anderen existieren kann. Deshalb, wenn ich sterbe, wird dies das Ende für mich sein. Ich denke aber nicht, dass dies das Ende meiner Philosophie sein wird.

Gibt es einen Platz in Ihrer Philosophie für Gott? (1969)

Nein. Meine Philosophie schließt nur das mit ein, was man wahrnehmen, identifizieren und demonstrieren kann - durch die Mittel der Vernunft. Sie erlaubt nicht die Erfindung von 'Fakten', oder die Akzeptanz von irgendetwas aufgrund eines Glaubens - d. h. ohne rationale Demonstration. Aber es gibt keine Beweise für irgendeine Art von Gott, einem Leben nach dem Tod oder eine mystischen Dimension.

Wie ist Ihre Meinung von der Idee konkurrierender Regierungen? (1970)

Die ist ein unverantwortlicher Haufen Unsinn. Dies ist die einzige Antwort, die die Frage verdient.


Welche Meinung haben Sie von Henry Kissinger? (1976)

Ich denke, Herr Kissinger ist einer der schändlichsten und katastrophalsten Außenminister, die wir je hatten - hauptsächlich aufgrund seiner philosophischen Ansichten. Er ist ein Bewunderer und Anhänger von Metternich, der das schlimmste repräsentiert, was die europäische Sichtweise der Außenpolitik und der Macht zu bieten hat.

Haben Sie Milton Friedmans Film "Free to Choose" im öffentlichen Fernsehen gesehen? 1980)

Ich habe fünf Minuten davon gesehen. Das war genug für mich, weil ich Friedmans Ideen kenne. Er ist nicht für den Kapitalismus; er ist ein elender Eklektiker. Er ist ein Feind des Objektivismus, und sein Einwand ist, dass ich die Moral in die Ökonomie einbringe, die seiner Meinung nach amoralisch sein sollte. Ich mag nicht immer, was das öffentliche Fernsehen bringt, aber ich denke, dass sie bessere Sendungen haben als "Free to Choose" - den Zirkus, zum Beispiel.

Was halten Sie von der Österreichischen Schule der Nationalökonomie? (1977)

Ich denke, dass dies eine Schule ist, die eine Menge an Wahrheit und an richtigen Argumente über den Kapitalismus zu bieten hat - besonders von Mises-, aber ich stimme sicherlich nicht mit jedem Detail überein, und besonders nicht mit ihren angeblichen philosophischen Prämissen. Sie hat in der Tat gar keine. Sie versucht -von Mises vor allem- die Philosophie durch die Ökonomie zu ersetzen. Dies funktioniert nicht.


Könnten Sie einen Kommentar abgeben zu Robert Nozicks "Anarchy, State and Utopia"? 1977)

Ich mag diesen Autor nicht, weil ich keine schlechten Eklektiker mag - nicht in der Architektur, und sicherlich nicht in der Politik und Philosophie -, besonders wenn ich zu den Stücken gehöre, die verarbeitet wurden.

Donnerstag, September 08, 2005

Vernunft gegen Rassismus

Rassismus ist eine Form des Kollektivismus, die davon ausgeht, dass die intellektuellen Ideen und der Charakter eines Menschen durch seine Rasse geformt werden d. h. seine Physiologie und seine Abstammung, und nicht durch den Inhalt seines Charakters, d. h. seine Entscheidungen und Handlungen. Politisch ist Rassismus eine Folge von Kollektivismus und Etatismus. Psychologisch ist sie eine Folge der Minderwertigkeitsgefühle des Rassisten, der über kein oder wenig Selbstwertgefühl verfügt und versucht, sich dieses über seine Identifikation mit seiner Rasse oder seiner Abstammung zu beschaffen. Epistemologisch ist er ein Produkt des Determinismus, der Vorstellung also, dass der Mensch ein Opfer von Kräften jenseits seiner Kontrolle ist (z. B. Gott, Schicksal, Abstammung oder ökonomische Bedingungen). Der Objektivismus verwirft jede Form des Determinismus. Rassistisch sind allerdings nicht nur diejenigen, die offen ihre rassische Überlegenheit gegenüber Menschen anderer Hautfarbe äußern oder sie sogar durch Gewalt ausdrücken, sondern auch sog. "Bürgerrechtler", die nicht gleiche Rechte für alle Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe fordern, sondern die durch Quoten und Privilegien heute lebende Menschen besser stellen wollen, nur weil diese Menschen die gleiche Hautfarbe besitzen wie Opfer von Rassismus aus längst vergangenen Zeiten. Die in den USA weit verbreitete "Affirmative Action" ist purer Rassismus. "Wie jede Form von Kollektivismus ist Rassismus das Streben nach dem Unverdienten", schrieb Ayn Rand 1963 in ihrem Essay "Racism". Die einzige Lösung für das Problem des Rassismus ist die Doktrin des Individualismus und die Ethik der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit bedeutet, dass jemand das bekommen sollte, was er sich durch seine eigenen Handlungen und durch seinen eigenen Charakter verdient hat.

Mittwoch, September 07, 2005

Das Genie von Ayn Rand

In der neuseeländischen Zeitschrift The Free Radical (Nr. 65 Februar-März 2005) weist Cameron Pritchard auf einige Aspekte im Denken der Philosophin und Schriftstellerin Ayn Rand hin, die es wert sind, an dieser Stelle referiert zu werden. Rands Denken weist durchaus einen utopischen Aspekt auf, weil sie ein politisches System befürwortete, das es in dieser Form noch nie gegeben hatte: "Rands Kapitalismus existiert nicht und hat nie existiert." Das Potential für ein derartiges System wäre aber da, schreibt Pritchard, wenn es nur von den Verzerrungen und Widersprüchen der gemischten Wirtschaft befreit werden könnte. Rand wies auch das Konzept des homo oeconomicus als zu deterministisch zurück. Menschen seien keine wandelnden Taschenrechner: "Ihre Ideen erzählen uns, warum die Annahme eines homo oeconomicus nicht ädaquat erklären kann, warum islamische Terroristen mit Flugzeugen in das World Trade Center stürzen." Nicht nur gegen Rand, sondern gegen den Liberalismus überhaupt wird häufig der Vorwurf erhoben, dieser basiere auf einem "atomistischen Individualismus". Für Rand waren Menschen aber weder Atome noch Rädchen einer Maschine: "Ich glaube, sie verstand, dass Menschen soziale Wesen waren, und dass es nie im Selbstinteresse einer Person wäre, gegen diesen Aspekt der menschlichen Natur zu handeln."

Freitag, September 02, 2005

Firehammer kontra Perigo

Reginald Firehammer hat in dem Internet-Magazin The Rational Argumentator scharfe Angriffe gegen den Gründer der Sense of Life Objectivists (SOLO), Lindsay Perigo, gerichtet. Neben dem Vorwurf, Promiskuität zu propagieren, geht es vor allem um Firehammers Behauptung, Perigos Wandel vom Marxisten zum Objektivisten -Perigo kommt es einer marxistischen Familie aus dem Norden Neuseelands- sei "nur ideologisch" gewesen: "Seine Methoden und sein Stil, sogar seine Motive blieben die des gelernten Kommunisten, und sie passen nicht zum Objektivismus." Insbesondere leide Perigo an einem "Rettet-die-Welt-Syndrom": "Der Zweck der Philosophie ist es nicht, die Welt zu ändern. Der Zweck der Philosophie ist es, die Wahrheiten zu entdecken, die notwendig sind, ein erfolgreiches Leben in dieser Welt zu führen. Wenn genug Menschen dies tun, wird die Welt verändert werden. Dies ist die Art von Veränderung, wie sie die Amerikanische Revolution verkörpert." Die Art von "Weltveränderung", die Perigo repräsentiere, sei eine andere, schreibt Firehammer zum Schluss seines Artikels, und kündigt einen weiteren Artikel an, der zeigen soll, dass Perigo notfalls auch Gewalt anwenden möchte.

Firehammer ist Autor des Buches The Hijacking of Philosophy: Homosexuals vs. Ayn Rand's Objectivism: Das Buch beginnt mit dem Bekenntnis Firehammers, dass er kein Objektivist sei, obwohl er anschließend erläutert, dass er mit jedem Prinzip des Objektivismus übereinstimmt: "Er ist bis heute die kompletteste und korrekteste Philosophie, die je entwickelt wurde."

Donnerstag, September 01, 2005

Perigo: Den Objektivismus nicht umschreiben

Lindsay Perigo, der Gründer der Sense of Life Objectivists (SOLO) hat sich in einem Beitrag für das Portal solohq.com dagegen ausgesprochen, den Objektivismus umzuschreiben. Perigo räumt ein, dass es unehrlich wäre, wenn sich SOLO im Geschäft des Umschreibens des Objektivismus tummeln würde und gleichzeitig das Attribut "objektivistisch" weiterhin verwenden würde. Dies sei aber nicht der Fall. Perigo stimmt auch Leonard Peikoff zu, dass der Objektivismus ein "geschlossenes System" sei. Wie Peikoff aber in seinem Aufsatz Fact and Value geschrieben habe, seien "neue Implikation, Anwendungen und Integrationen" in Übereinstimmung mit den Prinzipien möglich. Das Problem sei allerdings, so Perigo, dass dies nicht die Politik des Ayn Rand Institute in der Praxis sei. Was Peikoff tatsächlich meine, sei: "Der ganze Plunder oder gar nichts". Objektivismus sei einfach alles, was Ayn Rand geschrieben habe - nichts mehr, nichts weniger. Allerdings muss Perigo auch zugeben, dass Anhänger des Ayn Rand Institue zumindest auf Nachfrage "widerwillig" zugeben würden, dass Rands Bemerkung, dass Homosexualität "widerwärtig" sei, nicht "Teil des Objektivismus" sei, ebensowenig wie ihre Bemerkungen über einen weiblichen Präsidenten der USA. Es gebe aber keine einzige neue "Implikation, Anwendung oder Integration" durch die Peikovianer. Eine neue Anwendung sei aber Chris Matthew Sciabarras Homosexuality and Objectivism. Wenn allerdings die Unterstützer des Ayn Rand Institute, wenn auch "widerwillig", bestimmte Positionen von Rand als nicht zum Objektivismus gehörig bezeichnen, ist allerdings schwer, ihnen vorzuwerfen, dass sie eigentlich nicht von einem "geschlossenen System" im Sinne der Worte von Peikoff ausgehen, sondern den "ganzen Plunder" verteidigen wollen. Es gibt keine Äußerung aus dem Ayn Rand Institute, die diese Meinung stützt. Sciabarras Untersuchungen über "Homosexualität und Objektivismus" könnten wirklich eine neue Anwendung im Rahmen dessen sein, was Rands Philosophie ausmacht. Das Problem ist aber, ob Sciabarra mit seinen sonstigen Thesen sich nicht außerhalb des Objektivismus stellt, also den Objektivismus umschreibt, was Perigo eben nicht will. David Kelley, den Perigo als "Titanen" bezeichnet, wurde vom Ayn Rand Institute ausgeschlossen, weil er "die fundamentalen Prinzipien des Objektivismus nicht anerkennt." Sehr oberflächlich schiebt Perigo zu diesem Punkt die Kritik beseite. Sciabarra sehe Rand als "Dialektikerin", "Dialektik"= Hegel und Marx, Ende des Diskussion. So einfach soll sich das Ayn Rand Institute die Auseinandersetzung mit Sciabarra gemacht haben. Leider nennt Perigo auch keine Quelle für diese Diskussion. Auf der Website des Ayn Rand Institute findet sich jedenfalls der Name von Chris Matthew Sciabarra überhaupt nicht. Lindsay Perigo sieht folgende fundamentale Prinzipien des Objektivismus als unverzichtbar an:

Die Realität der Realität-
Der Primat der Existenz-
Der axiomatische Status von Existenz, Identität und Bewußtsein-
Die Gesetze der Identität und Kausalität-
Die Zuverlässigkeit der Sinne-
Die Wirksamkeit der Vernunft, einschließlich Logik und Begriffsbildung-
Objektivität als Alternative zu Intrinsizismus, Subjektivismus, Rationalismus und Empirismus- Die Realität des freien Willens-
Die Freiheit als ein Imperativ der menschlichen Natur. Das Verbot der Einleitung von Gewalt- Individualismus und rationales Selbstinteresse als die geeignete Ethik für den Menschen(einschließlich der Zurückweisung der traditionellen Ethik der Selbstaufopferung)- Kapitalismus/verfassungsmäßig begrenzter Staat als das geeignete ökonomische-politischeSystem-
Kunst als eine Erfordernis der menschlichen Existenz und Romantischer Realismus als die geeignet Art der Kunst

Im Diskussionsforum bedankt sich Sciabarra dann brav bei Perigo, bezeichnet ihn als Freund, obwohl beide bei der Diskussion um den Irak-Krieg -den Perigo begrüßt hatte, Sciabarra aber abgelehnt hatte- gewaltig aneinander geraten waren.

Mittwoch, August 31, 2005

Wider die Kannibalenmoral

Die objektivistische Ethik läßt sich auf die Kurzformel "Kein Opfer!" bringen und mit dem Begriff "rationaler Egoismus" beschreiben. Der objektivistischen Ethik steht der Kodex des Opfers gegenüber. Dieser ist allerdings mit dem Altruismus nicht identisch. Andrew Bernstein beschreibt in seinem lesenwerten Aufsatz Villainy: An Analysis of the Nature of Evil insgesamt drei Varianten des Opferkodex. Zu diesem gehört auch der "zynische Egoismus", den Bernstein nicht dem Egoismus zurechnen möchte. Zynischer Egoismus wird von ihm als direkte Konsequenz des Altruismus angesehen, denn irgendjemand muss ja da sein, um die altruistischen Opfer einzusammeln. Die 2. Variante ist das Opfer für Gott, dem wir alle Gehorsam schulden würden und dessen Befehle wir pflichtbewußt ausführen müssen, gleichgültig wie diese im Einzelfall aussehen mögen. Die 3. Variante der Opferethik schließlich ist der Altruismus, der davon ausgeht, dass der Mensch sich für andere aufopfern muss. Die modernen Altruisten wie Marx und seine Anhänger verwerfen die Religion und hüllen sich in ein "wissenschaftliches" Kleid. Für diese Altruisten ist nicht Gott die Quelle der Pflicht des Menschen, sondern die Gesellschaft. Bernstein schreibt, dass dies schlimmere Konsequenzen habe als die Inquisition und die Scheiterhaufen: Konzentrationslager, Gaskammern und Weltkriege. Ayn Rand faßt diese drei Gruppen zusammen und bezeichnet sie als "Kannibalenmoral". Alle drei Versionen beruhen auf dem was Rand den "Primat des Bewußtseins" in der Metaphysik nannte. Der Primat des Bewußtseins behauptet, dass das Bewußtsein in irgendeiner Weise die Realität kontrolliert. In seiner übernatürlichen Variante behauptet er, dass Gott der Schöpfer und der Herr der Welt ist. In seiner gesellschaftlichen Form wird der Gesellschaft insgesamt die Funktion eines Schöpfers und Herrn der Welt zugeordnet. Die Ethik des Opfers folgt als logischer Schritt auf diese Metaphysik.

Dienstag, August 30, 2005

Die Feinde von Christoph Kolumbus und die multikulturalistische Attacke auf die Westliche Zivilisation

Thomas Bowdens neues Buch The Enemies of Christopher Columbus ist eine Verteidigung von Christoph Kolumbus - und der Westlichen Zivilisation im Allgemeinen - gegen den Angriff der Multikulturalisten. Das Buch ist in der Form von Frage-und-Antwort konzipiert. In den Fragen geht es um Kolumbus und die Entdeckung und Besiedlung von Amerika. Es wendet sich Fragen zu, die ein ehrlicher Leser stellen könnte, der indoktriniert wurde mit den Unwahrheiten und den anti-westlichen Verleumdungen, die so weit verbreitet in unseren Schulen sind. Bowdens Ansatz ist es, historische Ereignisse aus der Perspektive der Westlichen Zivilisation zu behandeln. Diese steht für Vernunft, Wissenschaft, Individualismus und Fortschritt, und ist allen anderen bekannten Kulturen, die die Welt bisher gesehen hat, objektiv überlegen. Die entscheidende Frage ist, ob die Besiedlung Amerikas durch die Träger der Westlichen Zivilisation gut oder böse war. Hier ein kurzer Auszug aus dem Buch:

Selbst wenn die Westliche Zivilisation der indianischen Barbarei überlegen ist, bedeutet dies notwendigerweise, dass die Europäer das Recht hatten, die Indianer zu vertreiben?

"Barbarei und Zivilisation können nicht koexistieren innerhalb desselben Gebiets. Zivilisierte Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Nachbarn die Prinzipien der Individualrechte, wie sie niedergelegt sind in geschrieben Gesetzen, die Landgrenzen definieren, Verträge durchsetzen und das persönliche Eigentum schützen, verstehen und ihnen gehorchen. Primitive Völker, die noch nicht zum Konzept eines universellen moralischen Rechts gekommen sind , dem alle Menschen als Individuen unterworfen sind, können nicht nach solchen Prinzipien handeln oder man könnte sich darauf verlassen, dass sie solchen Gesetzen gehorchen. Angesichts des Mangels an Fähigkeit, ihr Leben durch die Vernunft zu beherrschen, sind Primitive unvermeidlich einer breiten Palette von irrationalen Einflüssen unterworfen - wie Furcht, Aberglauben, drogeninduzierte Halluziationen, Hass auf Außenstehende, Rache oder die Lust auf Erorberung -, die sie in unvorhersehbaren Intervallen auf den Kriegspfad treiben. Die Europäer wurden bei der Besiedlung der Neuen Welt genau in diesen Konflikt zwischen Zivilisation und Barbarismus verstrickt. Somit sahen sie sich einer fundamentalen Wahl ausgesetzt: Entweder ihre überlegenen Kräfte zu mobilisieren und die Indianer zu vertreiben, oder umzukehren und nach Hause zu segeln. In diesem Kontext hatten die europäischen Immigranten das absolute Recht, Amerika zu besiedeln und die Indianer zu vertreiben - wenn nötig, durch Gewalt. In dem Maß allerdings, wie individuelle Indianer in der Lage waren, die Prinzipien eines zivilisierten Verhaltens zu begreifen und ihnen zu folgen, hätte es ihnen erlaubt werden sollen, und sie häten dazu ermutigt werden sollen, Bürger mit vollen Rechten zu werden."

Montag, August 29, 2005

Bowden verteidigt Christoph Kolumbus

Im einem Interview mit der Zeitschrift Insight verteidigt Thomas Bowden die Thesen seines Buches The Enemies of Christopher Columbus.

Wie kann man den Westen verteidigen, wie Sie es in Ihrem Buch tun, und behaupten, dass seine Traditionen und seine Zivilisation überlegen sind?

Unser zentrale Wert ist die Vernunft. Die Westliche Zivilisation ist die Kultur, die sich am meisten mit den Naturgesetzen, den Methoden der Wissenschaft, der religiösen Toleranz und der Anwendung der Vernunft auf das Leben beschäftigt. Dies kann nicht oft genug gesagt werden.
Die Westliche Zivilisation zu verteidigen, bedeutet nicht, die 'Überlegenheit' des weißen Mannes zu verteidigen. Dass andere Völker die Anwendung der Vernunft auf das Leben noch nicht entwickelt hatten, bedeutet nicht, dass sie in irgendeiner Weise minderwertig wären. Es bedeutet, dass sie noch nicht erreicht hatten, was die Europäer in Jahrhunderten erreicht hatten. Die Indianer hätten dies auch für sich allein entwickeln können, aber sie taten dies nicht. Es gibt keine rassische Minderwertigkeit, die besagt, dass sie es nicht hätten tun können. Ich weise immer wieder darauf hin, dass es keine Schande ist, 'Wilde' als Vorfahren zu haben, weil jeder, der heute auf der Welt lebt, Vorfahren hat, die in der Tat Wilde waren.

Eines von den vielen Dingen, die die Feinde von Kolumbus ihm verwerfen, ist, dass er ein Paradies vorfand, welches er in eine Hölle verwandelte.

Ein Großteil des Problems besteht daraus, dass der moderne Mensch keine Vorstellung davon hat, wie Amerika in der Zeit vor Kolumbus aussah. Sie neigen dazu, sich die Wildnis der damaligen Zeit so vorzustellen wie die Wildnis auf einem Campingausflug heute - mit dem Geländewagen in die Berge, und da ist sie.
Aber das sogenannte Paradies, was wir verloren haben, gleicht sehr viel mehr der Steinzeit als irgendetwas anderem, was wir uns vorstellen können. Die Männer und Frauen lebten in fortgesetzter Panik, weil sie die Naturgesetze noch nicht verstanden hatten. Sie wußten nicht, wie man mit der Natur umgehen sollte. Sie erfanden zahllose Riten, um die Naturkräfte zu beschwichtigen, die sie nicht verstanden, und exotische Geschichten, um eine Welt zu erklären, die ansonsten für sie unverständlich gewesen wäre.
Es ist schwierig für einen modernen Menschen, zu begreifen, wie unangenehm primitiv der Mensch in der Welt lebte, die er bevölkerte. Der moderne Mensch hat ein Verständnis für die Kräfte der Natur, die ihn umgeben, und er kann Kontrolle über sie ausüben in einem Ausmaße, das primitive Menschen nicht einmal verstehen würden.

Aber was ist mit der Behandlung der Indianer in Amerika durch die Europäer? Beweist dies nicht, dass die Westliche Zivilisation korrupt und brutal war?

Es gab Europäer, die zivilisierte Maßstäbe bei dem Umgang mit den Indianern aufgaben. Das Problem war nicht, dass diese Europäer zuviel Zivilisation hatten. Das Problem war, dass sie zuwenig davon hatten. Es ist wahr, dass viele christliche Europäer die Indianer brutal behandelten. Aber es ist auch wahr, dass die Europäer die Indianer nicht anders behandelten als sie einander behandelten. Denken Sie an die endlosen Kriege der Europäer. Und es ist wahr, dass die Europäer die Indianer auf eine Art behandelten wie die indianischen Stämme es untereinander taten.

Stolyarov über Hoppe

Für mich wenig überraschend hat G. Stolyarov das Buch Demokratie. Der Gott, der keiner ist von Hans-Hermann Hoppe in einem Beitrag für sein Internet-Magazin The Rational Argumentator recht positiv bewertet. Zusammenfassend kommt der Autor zu dem Ergebnis, dass "Objektivisten, Konservative und Liberale aller Schattierungen" viel von diesem Buch lernen könnten. Ausdrücklich weist der Autor allerdings den Anarchismus Hoppes zurück, wobei man sicherlich die Frage aufwerfen könnte, ob Hoppes Anarchismus nicht weitaus schlimmer ist als die von ihm so heftig kritisierten demokratischen Systeme. Auffällig ist natürlich, dass G. Stolyarov Hoppes Buch viel positiver sieht als viele deutsche Anarcho-Kapitalisten. So schreibt etwa der Anarcho-Kapitalist Stefan Blankertz in der Zeitschrift eigentümlich frei: "Hoppes Fehler besteht in dem, was ich 'totalitäre Inhaltlichkeit' nenne: Man will ein bestimmtes gesellschaftlich-kollektives Ergebnis und tut alles, um dieses Ergebnis herbeizuführen, setzt zur Not auch Gewalt ein. Das ist der Weg der Kommunisten und Faschisten ebenso wie der Demokraten. Die libertäre Gesellschaft ist nicht durch das Ergebnis definiert, sondern durch den Prozess, der zu einem Ergebnis führt: Es ist der Prozess der auf Eigentum basierenden Freiwilligkeit." Während man Hoppe sicherlich positiv anrechnen muss, dass er überhaupt über Werte redet, so muss ein Objektivist doch fragen, ob Hoppes "konservative Werte" überhaupt rational begründet werden können und ob er nicht doch latent autoritäre Vorstellungen hat in Sinne eines "Konservative Werte über alles." Auch stellt sich für mich die Frage, ob eine freie Gesellschaft tatsächlich "automatisch" Hoppes konservativen Wertvorstellungen entspricht, denn schließlich dürfte es doch so sein, dass die USA im 19. Jahrhundert zwar kapitalistischer waren als heute, aber eben auch rassistischer. Auch die puritanische Sexualmoral des 19. Jahrhundert ist für Objektivisten keine Alternative zur hedonistischen Beliebigkeit, die sich im Zuge der Kulturrevolution der sechziger Jahre überall in den westlichen Nationen verbreitet hat. Übrigens fällt auf, dass G. Stolyarov offenbar eine private Rechtschreibreform der englischen Sprache durchgeführt hat: Er schreibt "triumf" statt "triumph".

Donnerstag, August 25, 2005

Wo Atlas und Jesus sich treffen

Im Internet kann man die Seite eines seltsamen Atlas Institute Europe besichtigen. Die Seite, die ohnehin schon merkwürdig unstrukturiert ist, bietet dem Interessierten dennoch einige interessante Einsichten in gewisse Ver(w)irrungen, welche die sog. "Neo-Objektivisten" beizeiten befallen. Unter der Kategorie "CrossPhilo" findet sich - als ein Beispiel für einige weitere Erstaunlichkeiten, die sich auf der Seite so finden lassen - der Artikel Die Zukunft des Objektivismus des Institutsgründers Andreas W. Tauber. Ich zitiere drei - für einen angeblichen Objektivisten - besonders bemerkenswerte Stellen:

Darauf zu bestehen, dass Rechte sich nur auf das Leben, die Freiheit und das Eigentum beziehen ist reaktionär, regressiv, doktrinär und im höchsten Masse einer objektivistischen Orthodoxie verschrieben.

Nachdem man den hysterischen Anfall im zweiten Teil des Satzes verdaut hat, kann man schlicht und ergreifend die Frage stellen: Worauf sollen sich Rechte sonst beziehen? Soziale Gerechtigkeit? Arbeitsplätze? Recht auf Versklavung der Mitmenschen? Herr Tauber bleibt uns leider die Antwort schuldig.
Aber es geht ja noch weiter:

Warum in aller Welt sollte man darauf bestehen, dass der Begriff des Objektivismus sich ausschliesslich durch die Zuhilfenahme von Ayn Rands Werken definieren lässt? Worum sollte Objektivismus nicht das bedeuten, was ein Individuum dem Begriff an Bedeutung zuschreibt?


Weil "Objektivismus" diejenige Bezeichnung ist, die Ayn Rand ihrem spezifischen Beitrag zum Gebiet der Philosophie gegeben hat und weil Begriffe nun einmal nicht arbiträr sind, sondern objektiv. Anscheinend hat Herr Tauber sich nicht ausführlich genug mit der Erkenntnistheorie Ayn Rands befasst, sonst wüsste er, dass man nun mal nicht Kapitalismus sagen kann, wenn man Sozialismus meint.
Und als letzte Zumutung:

Als weitere objektivistische Entwicklungsform gibt es den integrierten Objektivismus, der sich durch seinen Synkretismus auszeichnet. [...] Ein Beispiel hierfür ist der christliche Objektivismus, der versucht, christliche und objektivistische Wertevorstellungen in Einklang zu bringen. [...] Während der Objektivismus die philosophische Basis bildet, wird das christliche Wertesystem diesem untergordnet. Nicht der Widerspruch beider philosophischer Systeme wird betrachtet, sondern die Kompatibilität christlicher Werten auf einem objektivistischen Fundament.

Wie aber soll es Kompatibilität oder gar Einklang zwischen einer Weltanschauung des Mystizismus und Altruismus (und, wenn man die Kirchen betrachtet, auch übelsten Kollektivismus) und einer Philosophie der Vernunft, des rationalen Eigeninteresses und des Individualismus geben? Ein "christlicher Objektivismus" wäre ein gleich dreifacher Verstoß gegen das Identitätsaxiom: Denn erstens sind Christentum und Objektivismus philosophisch inkompatibel, zweitens gibt es keinen Gott, und drittens wird auch der Wunsch Herrn Taubers, es möge doch anders sein, daran nichts ändern.

Fazit: Das sog. "Atlas Institute Europe" und sein Gründer unterliegen einigen schweren philosophischen Irrtümern und sind in keinem Fall als verlässliche oder gar seriöse Quelle in Punkto Objektivismus zu betrachten. Es ist allerdings ausgesprochen ärgerlich, dass sich immer wieder Menschen als "Objektivisten" bezeichnen, die eigentlich gar keine sind und nur dazu beitragen, dass Rands Position sich in verfälschter und verzerrter Weise verbreitet.

Quelle: Heroic Dreams

Samstag, August 20, 2005

Werner Habermehls fundamentale Unkenntnis

Deutschland muss wohl einen akuten Mangel an Ayn-Rand-Experten aufweisen, wenn ein Magazin für ein Interview zum 100. Geburtstag der Philosophin und Schriftstellerin auf einen Komiker wie Werner Habermehl zurückgreifen muss, seines Zeichens Herausgeber der deutschen Übersetzungen der Romane von Ayn Rand. Habermehl erläutert in dem Interview mit der Zeitschrift eigentümlich frei Rands Einstellung zu dem Philosophen Immanuel Kant folgendermaßen: "Ayn Rand hatte etwas gegen den zwergwüchsigen Krüppel aus Königsberg. Und er war ja auch ein komischer Kauz. Schreiben konnte er auch nicht. Aber seine Philosophie unterscheidet sich doch höchstens durch die Wortwahl von der Ayn Rands." Herr Habermehl, für diese Äußerungen wäre Ihnen Frau Rand wohl an die Gurgel gesprungen. Ayn Rand verabscheute den Philosophen aus Königsberg: "Kant ist der böseste Mensch in der Geschichte der Menschheit." Rand erläuterte ausführlich quer durch alle Zweige der Philosophie, was ihre Philosophie von der Kants unterschied, und kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass ihr Objektivismus das "exakte Gegenteil" zu der Philosophie Kants bildet. Werner Habermehls Äußerungen sind somit reine Produkte seiner Phantasie.

Der Objektivismus als atheistische Philosophie

Der Objektivismus ist ohne Zweifel eine atheistische Philosophie, der die Existenz aller übernatürlichen Reiche (Himmel, Hölle, Fegefeuer), Ereignisse (Wunder, Reinkarnationen, Auferstehungen) oder Wesen (Geister, Einhörner, unsichtbar pinkfarbene Elefanten) verwirft. Was ist das Übernatürliche?: Das Übernatürliche ist das, was die Natur transzendiert. Es kann also so etwas wie einen "christlichen Objektivisten" nicht geben, d. h. niemand kann sich Objektivist nennen und gleichzeitig an die oben genannten Phänomene glauben. In diesem Sinne ist der Atheismus des Objektivismus "nicht verhandelbar". Wer sich als religiös definiert und Teile des Objektivismus für richtig hält, kann dies tun, solange er nicht behauptet, er wäre Objektivist. Ein Mystiker kann also an jedes übernatürliche Phänomen glauben, an das er glaubt, glauben zu müssen: kein Objektivist wird ihm das Recht absprechen, dies zu tun, aber kein Objektivist wird sich auf "Verhandlungen" darüber einlassen können, dies in den Objektivismus einzubeziehen.

Donnerstag, August 18, 2005

Die "verlorenen" Teile von Ayn Rands Playboy-Interview

Ayn Rands Interview mit der Zeitschrift Playboy (hier) aus dem März 1964 stellt immer noch eine der besten Zusammenfassungen der Philosophie des Objektivismus bis zum heutigen Tag dar. Der Playboy erschien seinerzeit in einer Auflage von 2,5 Millionen Exemplaren und konnte damit Rands Thesen einem breiten Publikum zugänglich machen. Einer von denen, der durch dieses Interview Ayn Rand entdeckte, war der damals 16jährige Don Hauptmann: "Wie so viele Objektivisten sagen, mein Leben wurde verändert." Fast vierzig Jahre später war es dieser Don Hauptmann, der bei Christie's die Dokumente um dieses Interview anläßlich der Feiern zum 50jährigen Bestehen der Zeitschrift ersteigern konnte. Er berichtet über diese Hinterlassenschaften in der neuesten Ausgabe des objektivistischen Zeitschrift Navigator. Auf den Originalabschriften des Interviews finden sich zahlreiche handgeschriebene Anmerkungen von Rand, der insgesamt mindestens drei Versionen des Interviews vorgelegt wurden. Rand änderte nicht nur ihre Antworten, sondern zum Teil auch die Fragen ihres Gesprächspartners Alvin Toffler. So gefiel ihr die mehrfach von Toffler verwendete Ausdrucksweise "Do you feel ...?" nicht, da ihr bekanntermaßen eine emotionale Terminologie zur Beschreibung kognitiver Aktivitäten mißfiel. Rand konnte sich allen Änderungwünschen gegenüber der Redaktion durchsetzen und war ausgesprochen zufrieden mit dem schließlich veröffentlichtem Endresultat. Don Hauptmann veröffentlicht in seinem Aufsatz erstmalig Teile der nicht veröffentlichten Passagen des Interview.
Er weist aber darauf hin, dass die gestrichenen Passagen keine Geheimnisse über Rand enthüllen, es gebe keine Bekenntnisse zu Kant oder Kandinsky. Rands Antworten würden aber Ansichten zu Themen zeigen, die sie sonst nirgendwo angesprochen hat.
Zu Beginn des Interviews spricht der Interviewer das Thema einer Antipathie gegenüber Ideologien an sich an, weil sie Intoleranz und Fanatismus ermutigen könnten. Rand kontert mit dem alles entscheidenden Hinweis auf die Art der Philosophie, auf die es ankomme: "Es ist Irrationalität, die zu Fanatismus führt und Inkonsistenz, die zu Destruktion führt. Der Mensch kann der Tatsache nicht entgehen, dass er eine Philosophie braucht. Die einzige Frage ist: Welche Art von Philosophie? Wenn ein Mensch konsistent an Produktion glaubt und ein anderer Mensch glaubt konsistent an Raub, dann wird die Natur dieser Konsistenz und werden ihre Konsequenzen nicht die gleichen sein. Die Gräueltaten, die Sie erwähnten, werden von Philosophie verursacht - von der falschen Art von Philosophie. Sie werden verursacht durch den Einfluss von dem, was ich die platonistische Denkschule nenne."

Toffler provoziert Rand dann mit der Frage, warum eine Mutter ihr Kind lieben solle, das doch noch viel zu jung sei, um diese Liebe verdient zu haben und Rand habe doch in Atlas Shrugged behauptet, dass niemand Unverdientes fordern oder gewähren sollte. Die nachfolgende Antwort wird von Rand allerdings gestrichen, weil sie bemerkt haben könnte, dass ihre Antwort nicht vollständig gewesen ist: "Sie meinen dies nicht wirklich als ernsthafte Frage? Zunächst einmal: Wenn eine Mutter ein verantwortliches, rationales Wesen ist, hat sie kein Kind aus Versehen, sondern durch ihre Entscheidung. Ein Kind hat einen Wert für sie, einfach deshalb, weil es ein menschliches Wesen ist, dass -wenigstens physisch- durch sie geschaffen wurde. Die Eltern des Kindes schulden ihm Unterstützung bis zur Volljährigkeit mit 21, also bis zu dem Zeitpunkt, wo es sich selbst helfen kann. Dies ist eine gewählte Verpflichtung, die rationale Eltern akzeptieren, wenn sie die Entscheidung treffen, ein Kind zu haben. Sie müssen die Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidung akzeptieren. Aber müssen sie das Kind lieben? Nein, nicht notwendigerweise. Dies hängt von der Bewertung seines Charakters ab im Verlauf des Erwachsenwerdens. Es muss ihre Liebe verdienen - wie sie seine verdienen müssen."

In der Diskussion über Sex und Hedonismus fragt Toffler nach der Immoralität von Spielen oder Trinken, worauf Rand so antwortet: "Zunächst einmal gehören Spielen und Trinken nicht in die gleiche Kategorie wie Sex. Trinken an sich ist nicht unmoralisch, es sei denn eine Person ist ein Säufer. Sich nur einen Drink zu genehmigen, ist kaum eine moralische Frage. Es wird nur dann unmoralisch, wenn ein Mensch sich bis zu dem Punkt trinkt, wo er seinen Verstand erstickt und hemmt. Was das Spielen angeht, ich würde nicht sagen, dass eine Person die gelegentlich spielt, unmoralisch ist. Aber wenn das Spielen mehr wird als ein zwangloses Spiel, dann ist es unmoralisch aufgrund der motivierenden Prämisse für das Spielen. Die Leidenschaft für das Spielen ergibt sich aus der Überzeugung eines Menschen, dass er keine Kontrolle über sein Leben hat, dass er kontrolliert wird vom Schicksal, und deshalb möchte er sich vergewissern, dass das Schicksal oder das Glück auf seiner Seite sind."

Rand streicht auch den ursprünglichen Hinweis, dass sie antikommunistisch sei und ersetzt ihn durch die Bemerkung, dass sie ihre Position niemals in negativen Begriffen beschreibe.
Auch eine der Bildunterschriften gefällt ihr nicht und sie wählt folgendes Zitat aus ihrem Interview: "Der Kollektivismus als intellektuelle Kraft und moralische Idee ist tot. Aber Freiheit und Individualismus, und ihr politischer Ausdruck, Kapitalismus, sind noch nicht entdeckt worden." Auch vierzig Jahre nach dem diese Worte gesprochen wurden, noch unverändert aktuell.

Montag, August 08, 2005

Der Staat ist nicht inhärent böse

Anarcho-Kapitalisten sind das Spiegelbild von Pazifisten, die entdecken, dass mit Messern und Schusswaffen schreckliche Dinge getan werden. Sie entwickeln daraus die Überzeugung, dass wir in einer wunderbaren Welt leben würden, wenn nur diese Werkzeuge des Grauens von dieser Welt verbannt werden könnten. Sie übersehen, dass Messer und Schusswaffen nicht nur für schreckliche Dinge eingesetzt werden können, sondern auch dafür, schreckliche Dinge zu verhindern, sie ignorieren somit, dass nicht die Waffen an sich böse sind, sondern die Menschen böse sind, die sie für böse Zwecke einsetzen. Ebenso ist die Institution Staat nur ein Werkzeug zur Erreichung bestimmter Zwecke. Diese Zwecke können moralisch oder unmoralisch sein. Ein Staat, der Mörder nach einem rechtsstaatlichen Verfahren ins Gefängnis wirft, handelt moralisch. Ein Staat, der Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Religion in ein Arbeitslager wirft, handelt unmoralisch. Es sind die Menschen, die über den Staat verfügen, die aus ihm ein Werkzeug des Lebens oder ein Werkzeug des Todes machen. Die Struktur eines begrenzenten Staates führt nicht inhärent in die Katastrophe, ebensowenig wie irgendetwas Inhärentes in Waffen in die Katastrophe führt. Ebensowenig ist das Argument tragfähig, dass der Staat sich unmoralisch mit Steuern finanziert. Er tut es zweifellos, aber dies macht die legitimen Funktionen des Staates nicht unmoralisch. Kein vernünftiger Mensch würde ernsthaft verlangen, dass alle verurteilten Verbrecher freigelassen werden, weil der Staat ihre Unterbringung mit Steuergeldern sicherstellt. Auch die Kriegführung eines Staates beurteilt sich ausschließlich danach, ob er der Verteidigung der Freiheit dient oder nicht. Die Finanzierung der legitimen Staatsfunktionen durch andere Mittel als Steuern ist nur im Rahmen eines vollständig freien Regimes möglich. Dies ist eine langfristige Aufgabe, die aber nicht dazu führen kann, dass wir heute notwendigen Staatsfunktionen eine ausreichende Finanzierung verweigern.

Sonntag, August 07, 2005

Tierquälerei

Diana Mertz Hsieh schreibt derzeit an einer Abhandlung über (genauer gesagt: gegen) "Tierrechte" und und als eine der schwierigsten Fragen bei diesem Thema sieht sie die Frage eines rechtlichen Schutzes durch Gesetze gegen Tierquälerei an. Und das Ergebnis ihres Denkprozesses steht durchaus noch nicht zur Gänze fest, wie sie selbst einräumt. Für Tiere, die zu kommerziellen Zwecken gehalten werden, sieht sie marktwirtschaftliche Mechanismen als ausreichenden Schutz an. Bei Tieren, die aus nicht-kommerziellen Gründen gehalten werden, sei Vernachlässigung dieser Tiere auch kein großes Problem, da die Besitzer der Tiere bereit wären, diese abzugeben, wenn sie von potentiellen Interessenten angesprochen würden. Eine ganz andere Geschichte seien jedoch sadistische Tierquäler, die die Tiere behalten wollen, um sie weiterhin zu quälen: "Vielleicht die einzige zutreffende Begründung für Gesetze gegen Tierquälerei ist, dass solch ein sadistisches Verhalten gegenüber Tieren enthüllt, dass solch eine Person psychisch und moralisch schwer gestört ist, bis zu dem Punkt, wo derjenige eine reale Gefahr für das menschliche Leben darstellt." Die gleiche Motivationslage, fügt sie an, die einen Mensch dazu bringe, einen Hund sinnlos für eine Gehorsamsverweigerung zu schlagen, treibe ihn dazu, schwächere Menschen, besonders Frauen und Kinder, zu verprügeln. Diese Enthüllung einer fundamentalen Gefährlichkeit eines Menschen könnte dazu führen, dass eine weitere Überprüfung dieser Person und "vielleicht sogar eine zwangsweise psychologische Behandlung" gerechtfertigt sei, schreibt die Autorin in ihrer vorläufigen Einschätzung dieses Problems. Dieses Argument sei die einzige potentielle Begründung für Gesetze gegen Tierquälerei, fügt sie an.

Freitag, August 05, 2005

Nathaniel Branden gegen den Objektivismus

Die Zeitschrift Free Radical hat in ihrer Ausgabe Oktober/November 2004 ein längeres Interview mit Nathaniel Branden (Part 1, Part 2, Part 3, Part 4). Branden empfiehlt in dem Interview die Bücher Anti-Americanism von Jean Francois Revel und Liberalism and Terrorism von Paul Berman. Politisch hat er sich auch von Ayn Rand entfernt, denn Branden unterstützt die Auffassung, dass es der "primäre" Zweck der Staates sein sollte, die Individualrechte zu verteidigen, nicht der "ausschließliche". Er möchte die Tür offen lassen für Notfallsituationen, wo Probleme auftreten können, auf die Markt nicht schnell genug reagieren könne. Der Unterschied zu Rands Position sei aber gering. Diana Mertz Hsieh hat auf ihrem Blog Noodle Food einige längere, lesenswerte Bemerkungen zu diesem Interview gemacht.

Mittwoch, August 03, 2005

Wozu Philosophie?

In The Romantic Manifesto macht Rand die Bedeutung einer richtigen Philosophie für das Leben auf der Erde deutlich: "Um zu leben, muss der Mensch handeln. Um zu handeln, muss er Entscheidungen treffen. Um Entscheidungen zu treffen, muss er einen Wertekodex definieren. Um einen Wertekodex zu definieren, muss er wissen, was er ist und wo er ist, d. h. er muss seine eigene Natur kennen (einschließlich der Mittel der Erkenntnis) und die Natur des Universums, in dem er handelt - d. h. er braucht Metaphysik, Epistemologie, Ethik, was bedeutet: Philosophie." Rand sah es als ihre "große Aufgabe" an, die Bedeutung der Vernunft im Denken des Westens wieder zu etablieren. Sie nannte ihre neue, radikale Philosophie "Objektivismus", abgeleitet von ihrer Theorie der Objektivität: "Objektivität ist sowohl ein metaphysischer wie auch ein epistemologischer Begriff. Er gehört zu der Beziehung des Bewusstseins zur Existenz. Metaphysisch ist er die Anerkennung der Tatsache, dass die Realität unabhängig von dem Bewusstsein des Wahrnehmenden existiert. Epistemologisch ist er die Anerkennung der Tatsache, dass das Bewusstsein des Wahrnehmenden (des Menschen) Wissen von der Realität durch bestimmte Mittel (Vernunft) in Übereinstimmung mit bestimmten Regeln (Logik) erwerben muss." Der Objektivismus, erklärte sie in der Los Angeles Times 1962, befürworte Realität, Vernunft, Selbstinteresse und Kapitalismus. Integraler Bestandteil ihrer Philosophie ist auch eine Theorie der Ästhetik, der sie den Namen "romantischer Realismus" gab. Kunst sei eine Konkretisierung "metaphysischer Abstraktionen", schrieb sie. In ihre ästhetische Theorie spiegelt sich auch in ihrer Einschätzung von Atlas Shrugged wider, den sie als ihren "idealen Roman" bezeichnete, weil er "komplett abgetrennt ist von jeder journalistischen Realität." Diese Qualität wies The Fountainhead nicht auf: "Rands ultimatives Ziel als Autorin fiktiver Literatur war es, eine Welt vollständig zu erfinden, unter Aufgabe jeder Anspielung auf tatsächliche Personen oder Ereignisse, und somit war 'The Fountainhead' nicht ihr 'idealer Roman'."

Spekulative Gedanken zu Robbins Power-Prinzip

In manchen Kreisen sind die Bücher von Anthony Robbins ("Das Power-Prinzip" , "Unlimited Power") sehr beliebt. Ich bin noch nicht weit mit dem Lesen gekommen, aber eines ist mir schon aufgefallen: dass die Grundprinzipien, auf denen Robbins Ideen beruhen, wie auch generell die Grundansätze der NLP, fehlerhaft sind, weil sie auf einer kantianischen Epistemologie beruhen. Man liest z.B. Sätze wie: "Keiner kann wissen, wie die Realität wirklich ist." Robbins spricht vom "sich belügen", und meint, dass man sich nur auf die positiven Aspekte konzentrieren soll. Er spricht von "Glaubenssystemen", die man so anpassen soll, dass die Zielerreichung eben am besten funktioniert. Ob das Glaubenssystem mit der Realität übereinstimmt, spielt keine Rolle. Befürwortet wird purer prinzipienloser Pragmatismus. Zusätzlich fällt die Moral völlig unter den Tisch. Es wird weder danach gefragt, ob das Ziel ein rationales Ziel ist, noch danach, ob die Mittel und der Weg dorthin richtig sind.

Aber selbst das Menschenbild, mit dem Robbins arbeitet ist fehlerhaft. Wenn man seine Wirkungskette betrachtet, dann führt das Denken zu [Gefühls-]Zuständen (stimme ich noch zu) und die Zustände dann zum Handeln. Wobei für Robbins die Zustände eindeutig Gefühlszustände sind. Er spricht z.B. vom Zustand der Liebe. Dass das Handeln nur von den Gefühlszuständen abhängt, mag für rein emotionsgetriebene Menschen richtig sein, für den rationalen Menschen, der seine Gefühle seinem Verstand unterordnet, kann das aber nicht das richtige Modell sein. Ein rationaler Mensch kann eine Handlung gegen seine Gefühle vornehmen. Eine Möglichkeit, für die es in Robbins Diagrammen keinen Wirkungspfeil gibt.

Zudem kann Robbins Modell für einen emotional getriebenen Menschen, der sich in einer depressiven Situation befindet zu einem Teufelskreis werden: laut Robbins kann jemand sein Verhalten nur ändern, wenn er seinen [Gefühls-] Zustand ändert. Falls er wartet, bis sich sein Gefühlszustand von alleine ändert, ehe er sein Verhalten ändern will, kann es sein, dass das nie eintritt. Warum sollte sich sein Gefühlszustand von alleine ändern ? Die Wahrscheinlichkeit aber, dass die Beibehaltung des bisherigen Verhaltens den Gefühlszustand eher noch verschlimmert, ist recht hoch. Der einzige Ausweg wäre, das Denken zu ändern, d.h. z.B. die eigenen Werturteile und Einschätzungen zu überprüfen und zu ändern (siehe Julian Simon: "Good Mood", recht nett geschrieben). Das Denken zu ändern, ist auch nach Robbins Modell möglich. Und auf diese Erklärung warte ich noch im Rest des Buches. ( Eine weitere Möglichkeit laut Robbins ist die Änderung des Zustandes durch physiologische Faktoren, die meiner Meinung nach aber überbewertet ist ). Eine weitaus schnellere Möglichkeit besteht meiner Meinung nach im Versuch, das Denken zu ändern, und selbst dann mit einer Änderung des Verhaltens zu beginnen, wenn der depressive Zustand noch nicht verlassen ist, d.h. eine zeitlang explizit gegen die eigenen Emotionen zu handeln ! Das kann dann schneller zu positiven Ergebnissen führen, die dann auch eine Chance zum Entkommen aus dem depressiven Zustand ermöglichen.

Quelle: tomathome.Blogspot

Kontra Anarchismus

Im Jahr 1994 hat Robert Bidinotto eine längere Abhandlung unter dem Titel The Contradiction in Anarchism verfaßt, an der sich an der sich immer wieder Anarcho-Kapitalisten reiben, so auch Prof. Roderick Long in seiner Erwiderung Anarchism as Constitutionalism: A Reply to Bidinotto. Bidinotto sieht den Hang zum Anarchismus in gewissen intellektuellen Kreisen mit Erstaunen: "Es erstaunt mich immer wieder, dass eine kleine Zahl von gebildeten Typen Opfer der theoretischen Verlockungen des Anarchismus werden kann. Diese Tendenz ist unbekannt bei den meisten gewöhnlichen Leuten, die weder die Zeit noch die Neigung haben, in theoretischen Perversionen zu schwelgen."

In einem Brief an Prof. Long beharrt Bidinotto auf seinen damals geäußerten Ansichten und weist besonders auf das Problem eines fehlenden finalen Schiedsrichters hin: "Es gibt einfach keine Möglichkeit für ein freiwilliges Rechtssystem, irgendein Gesetz durchzusetzen (oder eine Interpretation davon), nicht einmal gegenüber einem einzigen einsamen Andersdenkenden, und weiterhin der anarchistischen Prämisse einer unbegrenzten persönlichen Souveränität zu entsprechen." Bidinotto verweist etwa auf das Problem der Abtreibung, wo es Menschen gibt, die dies als Mord ansehen, und manche wünschen sogar die entsprechenden Strafen dafür. Ein anarchistisches System hat keine Möglichkeiten, sich aus diesem Dilemma zu befreien. "Der Markt" kann nicht darüber entscheiden, ob Abtreibung eine Frage der privaten Moral ist oder ob dies mit Gefängnis oder noch schlimmeren Strafen bedroht werden sollte.

In einer Replik erklärt Roderick Long Bidinottos Analyse zu einem Missverständnis: "Bidinotto glaubt offenbar, dass unter einem Markt-Anarchismus niemand einem juristischen Prozedere unterworfen werden darf, der dem nicht zustimmt. Ich stimme der Auffassung zu, dass dies wahrscheinlich ein absurdes und funktionsunfähiges System wäre."
Mit diesem letzten Satz -absurd und funktionsunfähig- hat Long tatsächlich den Nagel auf den Kopf getroffen, denn seine Erwiderung zeigt sehr deutlich, dass er sich dem Dilemma nicht entziehen kann, einerseits für die Durchsetzung von Rechtsnormen einzutreten, andererseits aber einen "finalen Schiedsrichter" abzulehnen. Dieser Schiedsrichter wäre eine Agentur, "die sich weigert, ihre Anwendung von Gewalt einer externen Entscheidung zu unterwerfen", schreibt Long. Laut Long wäre diese Agentur "per Definition gesetzlos ..."

Andererseits geht Long aber davon aus, dass die Agenturen, die auf der Grundlage korrekter Auffassungen handeln, dass moralische Recht haben, ihre Klienten zu verteidigen gegen die Agenturen, die aufgrund falscher Ansichten handeln, wenn nötig mit Gewalt. Da die privaten Rechtsagenturen sich nicht einem finalen Schiedsrichter zu unterwerfen brauchen und jede Agentur die richtige Auffassung natürlich für sich selbst beanspruchen könnte, kann man leicht die explosiven Folgen dieser Rechtsunsicherheit in der Praxis ausmalen.

Konstruieren wir ein gar nicht so seltenes Beispiel aus der Praxis:
Nach einer Körperverletzung rufen beide Parteien unterschiedliche Rechtsagenturen, die die Interessen ihrer jeweiligen Kunden verteidigen wollen und sich ähnlich feindselig gegenüberstehen könnten, wie der Streithähne des Ausgangskonfliktes. Ein objektiver Beobachter könnte zwar relativ leicht den Schuldigen identifizieren, dieser behauptet aber, dass er sich nur gewehrt habe und weigert sich sogar, seine Personalien feststellen zu lassen - mit Hilfe seiner Agenten versteht sich. Laut Prof. Long hat die Agentur mit den richtigen Auffassungen das moralische Recht, die Interessen ihres Klienten auch mit Gewalt zu vertreten. Dieses Unternehmen könnte sich allerdings als problematisch erweisen, wenn die entsprechenden Durchsetzungsmöglichkeiten, d. h. Muskeln oder Waffen, fehlen. Es riecht hier förmlich nach dem Recht des Stärkeren.

Wenn auch Long einen finalen Schiedsrichter ablehnt, so schreibt er doch kurioserweiser, dass die Agenturen mit den richtigen Ansichten das Recht auf ein Monopol gegenüber ihren Konkurrenten mit inkorrekten Auffassung hätten. Wo es ein Monopol gibt, gibt es aber keine Anarchie mehr, sondern einen Staat, d.h. ein Rechtsagentur mit der finalen Autorität, Gesetze durchzusetzen. Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch den gesamten Text. So schreibt Long, dass jede Person das Recht habe, legislative, judikative und exekutive Dienstleistungen anzubieten, allerdings nicht das Recht habe, diese auf eine rechtverletzende Art und Weise auszuüben. Nur muss hier wieder die Frage gestellt werden, wer darüber entscheidet, was "rechtsverletzend" ist, denn in einem anarchistischen System gibt es nicht mehr "das Rechtssystem", sondern mehrere konkurrierende Systeme. Gewalt ist auch nicht ein Gut wie jedes andere, wie die Anarcho-Kapitalisten annehmen, sondern stellt einzigartige Gefahren für das Leben, die Rechte und das Wohlergehen der Unschuldigen dar.

Anarcho-Kapitalismus ist keine Weiterentwicklung des Objektivismus, sondern der Schritt über die Klippe in den Abgrund. Wer eine Vorstellung von dieser anarcho-kapitalistischen Utopie bereits heute erhaschen möchte, sollte sich einmal unsere Strafverteidiger ansehen, die jeden Angeklagten verteidigen und versuchen ihn vor einer Bestrafung zu beschützen, egal wie moralisch verwerflich dieser auch sein möge. Kein Argument ist ihnen zu abgeschmackt, kein Trick zu billig, um selbst die verkommenesten Mörder und Vergewaltiger vor Strafe zu schützen. Heute stehen ihnen Staatsanwälte und objektive Richter gegenüber, im einem anarcho-kapitalistischen System allerdings wäre ihnen dieses Gegengewicht abgenommen und das Problem würde sich potenzieren, weil sie sich nun zu Schutzagenturen formieren könnten.

Dienstag, August 02, 2005

Zum Status von Zivilisten im Krieg

Don Watkins macht auf seinem Blog einige interessante Bemerkungen zum Status von Zivilisten in Kriegen: "Aber ich sehe Zivilisten in einem Feindstaat nicht als Unschuldige an. Ebenso sind sie auch nicht schuldig. Diese Begriffe sind hier nicht anwendbar. Schuld und Unschuld beziehen sich auf den legalen Status einer Person unter der Herrschaft des Rechts, die eines spezifischen Verbrechens beschuldigt wird. Darüber sprechen wir hier nicht. Wir sprechen über den Status von Zivilisten innerhalb eines Feindstaates in Zeiten des Krieges. In diesem Kontext sind die Bürger eines Feindstaates, die die diesen nicht aktiv bekämpfen, um ihn von innen heraus zu stürzen, entweder eine passive oder aktive Stütze des Regimes und somit eine objektive Bedrohung für die unschuldige Nation. In einem Krieg liegt die Verantwortung für jeden vergossenen Tropfen Blut bei dem Aggressor - ihn trifft die moralische Schuld. Das bedrohte Land hat nur eine einzige Verpflichtung - sowenig Tote auf seiner Seite zu verursachen wie möglich, und den Willen und die Fähigkeit zum Kampf bei der feindlichen Nation zu zerstören. Irgendetwas anderes zu fordern, bedeutet Selbstaufopferung der unschuldigen Nation zu fordern. Dies bedeutet faktisch: Ja, im Krieg ist alles erlaubt - anything goes. Es herrscht das Gesetz des Dschungels. Es gibt keine anderen Weg, einen Krieg zu führen, und es gibt keinen anderen Weg, einen Krieg zu gewinnen. Das menschliche Leben ist nicht intrinsisch gut. NICHTS ist intrinsisch gut. Dies ist der primäre Fehler an der Wurzel des modernen Konservativismus (was Sinn macht, da Religion selbst eine Form von Intrinsizismus ist."

Montag, August 01, 2005

Lebwohl TOC!

Die langjährige Unterstützerin des The Objectivist Center (TOC), Diana Mertz Hsieh, hat am 20. Februar 2004 in einer offenen Stellungnahme ihre Trennung von der Organisation mitgeteilt. Sie hatte in einem Brief an David Kelley, dem geschäftsführenden Direktor des TOC, bereits einige Tage vorher das Ende ihrer Unterstützung des TOC angekündigt. Sie nennt als Grund für diese Entscheidung, dass sie "bedeutsame praktische und philosophische Einwände" gegen die grundlegende Herangehensweise des Centers gegenüber dem Objektivismus habe. Hauptgrund ihrer Enttäuschung über das TOC sei dessen Verständnis des Objektivismus als eines "offenen Systems". Sie habe kürzlich noch einmal, nach zehn Jahren, David Kelleys "Truth and Toleration", das Gründungsdokument des TOC gelesen, und sei selbst überrascht gewesen, dass sie beinahe bei jedem Thema (moralisches Urteil, Sanktion, Toleranz, Objektivismus als offenes System) bedeutsame Meinungsunterschiede zu Kelley festgestellt habe. Gemäß Kelley ist der Objektivismus ein offenes System, dass nur begrenzt sei durch Prinzipien, die Kelley als fundamental für das System ansieht. Das Rest kann debattiert, geändert, reorganisert, verfeinert und vollständig zurückgewiesen werden innerhalb der Grenzen des Objektivismus, solange jemand "seine Sichtweise verteidigt unter Bezugnahme auf die Grundprinzipien." Diana Mertz Hsieh sieht die anhaltenden Probleme des TOC nicht begründet in schlechtem Management, fehlenden Spenden oder dürftigem akademischen Potential, sondern sieht sie als "natürliche, praktische Konsequenz" der TOC-Sicht des Objektivismus als eines offenen Systems. Der führende Philosoph der konkurierenden objektivistischen Organisation "Ayn Rand Institute", Leonard Peikoff, bestreitet, dass der Objektivismus -oder irgendeine andere Philosophie - ein offenes System sei. "Jede Philosophie", sagt er, "ist unveränderlich. Neue Implikationen, Anwendungen und Integrationen können immer entdeckt werden, aber die Essenz des Systems - seine fundamentalen Prinzipien und ihren Konsequenzen im jedem Zweig- ist ein für alle Mal niedergelegt worden durch den Autoren der Philosophie." Im Fall des Objektivismus ist der Autor natürlich Ayn Rand und die Philosophie ist definiert in ihren Werken. Peikoff erkennt die Möglichkeit einer weiteren Entwicklung der Philosophie an, solange dies "logisch vereinbar" mit dem sei, was sie geschrieben habe. Atlas Shrugged und die weiteren Schriften von Rand seien für die Objektivisten das, was die Verfassung für das Rechtssystem der Vereinigten Staaten sei. Ein Richter müsse die gesamte Verfassung akzeptieren und sicherstellen, dass seine Entscheidungen vereinbar mit jedem darin enthaltenen Satz seien.

Medizinische Versorgung ist kein Recht

In einer Rede, die der Philosoph Dr. Leonard Peikoff am 11. Dezember 1993 hielt, wendet er sich der Frage zu, ob die sozialisierten Gesundheitssysteme wie auf Kuba und in Kanada, die zweifellos "unpraktisch" waren, dann aber jedenfalls moralisch und wohlmeinend wären. Peikoff verneint dies kategorisch, weil ein System, das individuelle Rechte verletze, moralisch falsch und böse sei. Ein Recht auf eine medizinische Versorgung gebe es nicht: "Nach unseren Gründervätern werden wir nicht geboren mit dem Recht auf einen Besuch in Disneyland oder auf eine Mahlzeit bei McDonald's oder auf eine Nierendialyse." Das amerikanische System kenne nur das Recht, zu handeln. Sollte es einige Bürger geben, die sich eine medizinische Versorgung nicht leisten könnten, müßten diese auf private, freiwillige Wohltätigkeit zurückgreifen. Sollte die Bevölkerung eines ganzen Landes sich wirklich einen solchen Dienst nicht leisten können, könnte keine Regierung daran etwas ändern.

Tara Smith über die Tugend der Ehrlichkeit

Im Internet steht jetzt der Aufsatz The Metaphysical Case for Honesty der Philosophin Tara Smith zur Verfügung, der im Jahr 2003 in der Zeitschrift The Journal of Value Inquriy veröffentlicht wurde (insgesamt 16 Seiten als PDF-Datei - Issue 4,2003).

Tara Smith entwickelt in dem Aufsatz eine "reichere Konzeption von Ehrlichkeit", da das Anlügen von anderen Personen nur eine Form des breiteren Phänomens der Täuschung ist: "Ehrlichkeit ist die Weigerung, die Realität zu verfälschen. Es ist die Weigerung einer Person, vorzutäuschen, dass die Fakten anders sind als sie sind, ob für ihn selbst oder für andere." Ehrlichkeit ist eine Tugend, weil die Dinge so sind wie sie sind, ungeachtet der Meinung einer Person oder seiner Haltung ihnen gegenüber. Smith sieht Ehrlichkeit begründet in dem Gesetz der Identität. Obwohl ist es wahr ist, dass wir die Fakten nicht verfälschen können, so können wir doch manchmal andere Menschen zum Narren halten. Aber dies zeigt nicht, dass Unehrlichkeit effektiv ist. Unehrlichkeit erscheint nur vorteilhaft, wenn wir den vollen Kontext ignorieren. Auch wenn wir einen Menschen getäuscht haben, so haben sich doch die Fakten, die jemand falsch darstellt, doch nicht geändert: "Einen Arbeitgeber zum Narren zu halten, sodass er mir einen Job gibt, für den ich nicht qualifiziert bin, ist kein Rezept für eine erfolgreiche Karriere." Das Bemühen, eine Täuschung zu vertuschen, führt zur nächsten Täuschung. Die Unehrlichkeit kann nicht begrenzt werden. Je mehr Lügen aber erzählt werden, desto größter die Gefahr der Entdeckung. Der destruktive Charakter der Unehrlichkeit wird immer offensichtlicher: "Eine unehrliche Person untergräbt ihre eigene Fähigkeit, rationale Entscheidung zu treffen. Sie bewegt sich von einem Respekt für die Fakten als Basis ihrer Entscheidungen zu einem Verlassen auf Erfindungen. Ihr Interesse für die Realität konkurriert jetzt mit Besorgnissen über die Aufrechterhaltung des Scheins."

Samstag, Mai 28, 2005

Die Passion der Ayn Rand

Im Diskussionsforum von solohq.com schreibt Robert Bidinotto, dass Barbara Brandens Biographie "The Passion of Ayn Rand" "ausgesprochen freundlich" formuliert sei. Wie "freundlich" Barbara Branden allerdings wirklich in ihrer Biographie gegenüber Ayn Rand ist, läßt sich erahnen, wenn man sich folgende Worte aus der Einleitung ihres Buches über Ayn Rand vergegenwärtigt: "Ihre Tugenden waren größer als das Leben, ebenso wie ihre Fehler." Rands Fehler in einer Bewertung gleichwertig neben ihre Leistungen zu stellen, ist nicht nur unfreundlich, sondern vor allem absolut falsch. Eine solche Formulierung ließe sich rechtfertigen im Hinblick auf einen Schriftsteller wie Ernest Hemingway - einem notorischen Lügner und Alkoholiker, der schließlich seinem Leben mit einem Schrottgewehr ein Ende setzte. Dies aber einer Frau wie Ayn Rand nachzuwerfen, die ein großartiges Leben führte und keineswegs die Prinzipien ihrer eigenen Philosophie verraten hat, ist ausgesprochen bösartig. Ayn Rand war die Verkörperung des amerikanischen Traums. Im Alter von 21 Jahren verließ sie das Land ihrer Geburt, um in das Land auszuwandern, das sie verehrte, aber dessen Sprache sie kaum beherrschte und wo sie nur wenig Hilfe von der dort lebenden Verwandtschaft ihre Familie zu erwarten hatte. Sie war bereit, zu arbeiten und zu kämpfen, und dies tat auch sie auch während der gesamten Zeitspanne ihres Lebens. Die Rechten attackierten sie für ihren Atheismus, die Linken für ihre Verteidigung des Kapitalismus, und alle zusammen lehnten ihren Egoismus ab. Trotz all dieser Ablehnung hielt Ayn Rand an ihren Überzeugen fest, verwarf Kompromisse und versuchte nicht, ihren Kritikern zu gefallen. Wer etwas mehr über das Leben der Ayn Rand erfahren möchte -jenseits der Übertreibungen und Unwahrheiten von Nathaniel und Barbara Branden - ist gut bedient mit dem Buch Ayn Rand von Jeff Britting. Dieses Buch ist eine reich bebilderte Kurzbiographie, und der Hinweis auf die Fotos ist durchaus angebracht, denn auch ohne sich in den Text zu vertiefen, lädt das Werk zum Schmökern ein, etwa wenn man sich Rands Lieblingsbild ansehen kann: Salvador Dalis Corpus Hypercubus. Der Begriff "Kurzbiographie" soll Erwartungen dämpfen, die das Werk nicht erfüllen kann und auch nicht erfüllen will. Britting erwähnt zum Beispiel auch die Affäre, die Rand mit Nathaniel Branden hatte - er schreibt, dass sie eine Zeitspanne von mehreren Jahren in den Fünfzigern umfaßte und "wahrscheinlich" zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Atlas Shrugged im Jahr 1957 endete -, und die endgültige - nicht nur romantische - Trennung von Branden im Jahr 1968, aber dies sind nur einige Sätze, wo Einzelheiten keine Rolle spielen. Auch könnte sich der Leser wünschen, mehr zu erfahren über Rands Haltung zum 2. Weltkrieg, was allerdings fast überhaupt nicht thematisiert wurde. Lediglich eine Bildunterschrift weist darauf hin, dass Rand die Internierung von amerikanischen Staatsbürgern während des 2. Weltkrieges als Ungerechtigkeit ansah, die sich aus der kollektivistischen New-Deal-Politik ergab. Wer die Kinderzeit der 1905 in Petrograd geborenen Ayn Rand - damals natürlich noch Alisa Rosenbaum - vor seinem geistigen Auge Revue passieren läßt, dem kommt das Wort "Wunderkind" in den Sinn, obwohl Jeff Britting diesen Ausdruck nicht verwendet. In der gebildeten Familie der Mittelklasse fand die junge Ayn ein intellektuelles Klima vor, dass ihrer weiteren Entwicklung durchaus förderlich sein sollte. Ihre Eltern legten großen Wert auf eine gute Ausbildung und verteidigten die individualistische Attitüde, dass jeder Mensch seines eignen Glückes Schmied sei. Ayn brachte sich mit sechs Jahren selbst das Lesen bei und betrachtete als "Leitmotiv" ihres Lebens die Konzentration aus das "Ungewöhnliche". Die Mutter Anna Borisovna Rosenbaum hielt das hochbegabte Kind für "anti-sozial", wie sie es nannte, weil sie keine Freundinnen hatte und sich wenig für andere Kinder interessierte.

Freitag, April 08, 2005

Jetzt EGO!

EGO, die Europäische Gesellschaft für Objektivismus, ist Zukunftsmusik, deshalb findet sich auf unserer neuen Website auch keine Funktion, die einen Antrag auf die Mitgliedschaft bei EGO ermöglichen würde. Objektivismus, die von Ayn Rand entwickelte Philosophie, ist in den deutschsprachigen Ländern eine Sache von einigen engagierten Personen, ohne irgendeine Organisation, ohne Spendengelder, nur von dem Bewusstsein getragen, eine revolutionäre Philosophie der Vernunft, des Individualismus und des Kapitalismus gefunden zu haben, die Menschen ein glückliches und zufriedenes Leben auf dieser Erde ohne mystische Realitätsverzerrung ermöglichen kann. Auch ohne eine Organisation kann man von einer gewissen Strukturierung der deutschsprachigen Objektivisten sprechen, denn in unserem Diskussionsforum hat sich eine kleine Gruppe von Menschen zusammengefunden, die nicht nur interessante Diskussionen über Probleme der Philosophie, Politik oder Psychologie führt, sondern wo sich auch persönliche Bekanntschaften und Freundschaften entwickelt haben. Wer immer Interesse an einer ernsthaften Diskussion des Objektivismus hat, sollte sich dieser Gruppe anschließen. In Zukunft wird es vielleicht möglich sein, dass sich die Gruppenmitglieder auch in einem größeren Rahmen persönlich kennen lernen können. Ob und wann aus dieser informellen Struktur irgendwann tatsächlich die Europäische Gesellschaft für Objektivismus werden wird, vermag ich derzeit nicht zu beantworten, denn noch macht die bescheidene Zahl von Interessenten eine solche Gründung nicht sinnvoll und wann der Schwellenwert von Interessenten überschritten werden kann, vermag ich nicht abzuschätzen. Eine solche Organisation wird bei der Aufgabe der Verbreitung des Objektivismus sicherlich analog zum amerikanischen Ayn Rand Institute darauf konzentrieren, in den akademischen Bereich hinein zu wirken, vor allem ist die Gründung von objektivistischen Klubs an Universitäten an probates Mittel, um akademischen Studenten des Objektivismus die Möglichkeit zu geben, mit weiteren Interessierten alle interessierenden Fragen zu diskutieren. Bedeutsam wäre sicherlich auch, wenn es in Zukunft ein oder mehrere Philosophie-Studenten geben könnte, die sich als Objektivisten oder Studenten des Objektivismus verstehen. Es besteht allerdings durchaus Hoffnung anzunehmen, dass dies in naher Zukunft der Fall sein könnte. Die vorliegende Website soll alle interessierten Menschen die Gelegenheit geben, sowohl grundlegende Texte zu allen Bereichen des Objektivismus zu studieren, wie auch durch kurze Kommentare die Möglichkeiten aufzeigen, wie Objektivisten ihre Philosophie auf konkrete Probleme anwenden. Dabei sei eine deutliche Warnung ausgesprochen: Ein Studium des Objektivismus ist ohne Beschäftigung mit der einschlägigen englischsprachigen Literatur nur schwerlich möglich. Es stehen zwar die Romane von Ayn Rand zur Verfügung - in naher Zukunft auch eine deutsche Übersetzung von Rands Capitalism - An Unknown Ideal-, aber bei der Sachliteratur gibt es nach wie vor einen Mangel an deutschen Übersetzungen. Auch diese Website wird auf absehbare Zeit keinen Ersatz zum Studium der grundlegenden philosophischen Texte des Objektivismus anbieten können. Besonders zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang natürlich Leonard Peikoffs Objectivism - The Philosophy of Ayn Rand, von dem ich leider nicht annehme, dass es in absehbarer Zeit eine deutsche Übersetzung geben wird, so nützlich dies für deutschsprachige Studenten des Objektivismus auch sein mag. Unsere Diskussionsgruppe ist auch kein Ableger solcher Zusammenhänge wie etwa des Atlas Institute Europe, wobei natürlich jeder Person selbst überlassen bleibt, derartige Organisationen oder Organisationsversuche zu unterstützen. Auch bestehen durchaus unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der bestehenden amerikanischen Organisationen Ayn Rand Institute (ARI) oder The Objectivist Center (TOC). Zwischen beiden Organisationen bestehen grundlegende philosophische Meinungsunterschiede, auf die ich im Rahmen dieses Textes nicht eingehen möchte, aber für eine Mitgliedschaft in unserer Diskussionsgruppe ist keinerlei "Bekenntnis" für irgendeine der beiden Gruppierungen erforderlich. Voraussetzung ist auch nicht, dass bereits erhebliche Kenntnisse des Objektivismus vorhanden ist, nur das ehrliche Interesse sollte vorhanden sein, sich auf diese Reise in die Welt der Philosophie und des Denkens der Ayn Rand einzulassen. Steigen Sie ein!

Sonntag, März 06, 2005

Betrug und die Initiierung von Gewalt

Ayn Rand ging davon aus, dass individiduelle Rechte nur durch die Anwendung von Gewalt verletzt werden können. Der Begriff Gewalt wird von Rand allerdings durchaus in einem weiten Sinn verstanden, d. h. eine Handlung gilt als gewaltätig auch ohne eine Person physisch zu verletzten oder ihr mit einer solchen Verletzung zu drohen. Wird eine Person durch eine dritte Person dazu gebracht, ohne freiwilligen Konsens zu handeln, dann ist ihr Recht verletzt worden.
In The Virtue of Selfishness schreibt Rand: "Das Recht eines Menschen zu verletzen bedeutet, ihn zu
zwingen, gegen sein eigenes Urteil zu handeln, oder ihn seiner Werte zu enteignen.
Grundsätzlich gibt es nur einen Weg dies zu tun: durch die Anwendung physischer Gewalt."
Eine ähnliche Formulierung verwendet Rand auch in Textbook of Americanism. Der Umfang der Gewalt ist bei Rand aber nicht begrenzt auf die offensichtliche physische Gewaltanwendung, wie z. B. das Erschießen eines Menschen oder das Abbrennen seines Hauses. Rand spricht ausdrücklich auch von "indirekten Formen" von Gewalt, wie z. B. Betrug oder einseitige Vertragsverletzung. In einer Fragestunde in der Ford Forum Hall befürwortet Rand auch Gesetze gegen üble Nachrede und Verleumdung. In ihrem Aufsatz The Nature of Government definiert Rand den Begriff Betrug folgendermaßen: "Betrug beinhaltet eine ähnlich indirekte Form von Gewalt. Er besteht aus dem Erhalten von materiellen Werten ohne den Konsens des Eigentümers, unter Vortäuschung falscher Tatsachen oder Versprechungen."

Geht man von einem erweiterten Gewaltbegriff aus, dann läßt sich auch die Frage beantworten, ob etwa Betrug in einer objektivistischen Gesellschaft zwar moralisch verwerflich, aber ansonsten strafrechtlich nicht relevant wäre, wie es immer wieder objektivistischen Kreisen diskutiert wird. Richtigerweise weist Joseph Rowlands in einem Beitrag für solohq.com darauf hin, dass Betrug eine Form von Diebstahl ist, eine sanfte, stille Form von Diebstahl. Aber auch bei einem Diebstahl ist es ja charakteristischerweise so, dass der Dieb keine offene physische Gewalt anwendet -anders etwa als bei einem Raub-, um sich unrechtmäßig eines fremden Eigentums zu bemächtigen. Das Diebstahlopfer könnte möglicherweise nicht einmal bemerkt haben, dass ihm etwas gestohlen wurde. Legt man allerdings den Maßstab "gegen den freiwilligen Konsens" an, dann wird deutlich, dass es sich um eine Initiierung von Gewalt handelt. Ebenso sieht es im Fall des Betrugs aus. Das Problem ist allerdings, dass oberflächlich betrachtet das Opfer freiwillig sein Eigentum aufgibt, somit das Kriterium des freiwilligen Konsens gegeben wäre. Es könnte sich somit nicht um eine Form von Diebstahl handeln. Betrug basiert auf einem ökonomischen Austauch von Gütern oder Dienstleistungen, wobei allerdings eine Seite ihren Teil der vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt. Weil der Übergang der Eigentumsrechte konditional ist, ist ein Betrüger zwar zu einem Besitz gekommen, er ist aber nicht Inhaber der legalen Eigentumsrechte. Wer mit einem ungedeckten Scheck ein Auto kauft, handelt nicht anders als ein Dieb, weil das Rechtsgeschäft durch einen Mangel auf der Seite des Käufers gar nicht zustande gekommen ist, auch wenn das Auto bereits freiwillig übergeben wurde. Betrug wird üblicherweise dann angewendet, wenn es problematisch ist, sich eines Eigentums durch direkten Diebstahl zu bemächtigen, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass sich um eine Form des Diebstahls handelt. Da es sich um eine spezifische Form der Verletzung von Eigentumsrechten handelt, ist Betrug auch zu unterscheiden von anderen Fällen von Täuschung. Wenn Menschen lügen, d. h. Tatsachen anders darstellen als sie sind, verletzten sie dadurch noch nicht unbedingt Eigentumsrechte, auch wenn sie moralisch verwerflich handeln.

Freitag, Februar 04, 2005

Das 1. Jahrhundert der Ayn Rand

Am 2. Februar jährte sich der Geburtstag von Ayn Rand zum 100. Mal. Die 1905 in Russland geborene Schriftstellerin und Philosophin immigrierte 1926 in die USA und stieg dort durch ihre Romane The Fountainhead und Atlas Shrugged, von denen auch heute noch -23 Jahre nach ihrem Tod - Hunderttausende von Exemplaren verkauft werden, zur Bestsellerautorin auf. Jim Peron nennt Atlas Shrugged zweifellos einen "der einflussreichsten Romane, der je geschrieben wurde." Ein Roman, von dem viele Amerikaner sagen, dass seine Lektüre ihr Leben verändert hätte. Die Idee zu Atlas Shrugged, an dem sie 11 Jahre arbeitete, wurde während eines Telefonats geboren, das Rand nach der Veröffentlichung von The Fountainhead mit Isabel Paterson geführt hatte. Die ersten Verkaufszahlen von The Fountainhead waren enttäuschend gewesen und Isabel Paterson forderte Rand auf, ihre Philosophie durch Sachbücher dem Publikum nahe zu bringen. Die Menschen bräuchten ihre Ideen und Rand hätte die Pflicht, Sachliteratur zu schreiben. Rand reagierte ärgerlich und stellte die Frage, wie es denn wäre, wenn sie in den Streik treten würde, wenn alle kreativen Köpfe der Welt in den Streik treten würde. "Dies wäre ein guter Roman", fügte Rand an und nach dem Telefonat ermutigte sie ihr Ehemann Frank O'Connor, aus dieser Idee einen Roman entstehen zu lassen. "Der Streik" war dann auch lange Zeit der Arbeitstitel für das sich entwickelnde Werk gewesen, das schließlich im Jahr 1957 erscheinen sollte und einen wahren Aufruhr auslöste. Der Schriftsteller Gore Vidal bezeichnete Atlas Shrugged in einer Kritik als "perfekt in seiner Unmoralität". Für die bösartigeste und absurdeste Kritik sorgte allerdings der Konservative Whittaker Chambers, der auf jeder Seite des Buches den Befehl "To a gas chamber - go!" hören wollte. Und dies bei einem Buch, dessen Höhepunkt aus einer dreistündigen Radioansprache besteht, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt: "Solange Menschen zusammen leben wollen, darf niemand physische Gewalt gegen andere initiieren -hört ihr?- darf niemand anfangen, physische Gewalt gegen andere anzufangen."

"Ayn Rand ist ein amerikanisches kulturelles Phänomen," beginnt Allan Gotthelf sein Buch On Ayn Rand und tatsächlich ist die Diskrepanz zwischen der Anerkennug und Verehrung, die Ayn Rand in Amerika erfährt, und ihrer Akzeptanz im Rest der Welt, vor allem außerhalb der englischsprachigen Welt, erheblich. Dies ist natürlich kein Zufall. Ayn Rand sprach durch ihre Romane aus, was viele Amerikaner fühlten, aber niemand vorher in derart prägnante Worte übersetzt hatte und sie schuf eine objektivistische Bewegung von begeisterten Lesern und Anhängern ihrer Philosophie. Ihre Philosophie, der sie den Namen Objektivimus gab, läßt sich in aller Kürze mit den Begriffen Vernunft (als einziges Mittel zum Erwerb von Wissen und als Handlungsanleitung), rationaler Egoismus (als das Recht, seine eigenen theoretische Werte zu haben und sie in der Realität umzusetzen) und Individualismus (mit seinem politischer Ausdruck und seiner Konsequenz: Laissez-faire-Kapitalismus) beschreiben. Es war ein revolutionäres Unterfangen: "Ich weiß, dass ich die kulturelle Tradition von zweieinhalb Tausend Jahren herausfordere." 1971 faßte Ayn Rand in ihrer Zeitschrift The Objectivist ihre Philosophie folgendermaßen zusammen: "Ich bin nicht in erster Linie eine Befürworterin des Kapitalismus, sondern des Egoismus; und ich bin nicht in erster Linie eine Befürworterin des Egoismus, sondern der Vernunft. Dies - der Vorrang der Vernunft - war, ist und wird immer das primäre Anliegen meiner Arbeit sein, und die Essenz des Objektivismus."

Ayn Rand verstand sich allerdings primär als Schriftstellerin und nicht als Philosophin. Für sie war die Philosophie nur ein Mittel, ein absolut notwendiges zwar, aber gleichwohl nur ein Mittel, um in ihrer Literatur eine Welt zu schaffen, in der sie gerne leben würde, die Welt des perfekten Menschen und seines perfekten Lebens. Um diese perfekte Welt zu definieren, benötigte sie eine Philosophie. Sie sah Philosophie als absolut notwendig für jeden Menschen an, wie sie es in ihrer Rede an der Militärakademie von West Point betonte: "Als ein menschliches Wesen haben Sie keine Wahl hinsichtlich der Tatsache, dass Sie eine Philosophie brauchen." Die Frage ist nur, ob sich Menschen bewußt für eine Philosophie entscheiden und ob es eine Philosophie ist, die Erfolg und Glück auf dieser Welt möglich macht. Fortschritte bei der Ausbreitung ihrer Philosophie muss man sicherlich, zumindest für die USA, konstatieren, aber ist der Objektivismus wirklich zu einer prägenden Kraft innerhalb der amerikanischen Kultur geworden? Steve Chapman beschreibt in einem Kommentar für die Chicago Tribune Ayn Rand als eine Person, die im Mainstream Amerikas angekommen sei: "Die radikale Befürworterin von Individualismus und Kapitalismus, die 1982 starb, ist nicht länger mehr eine exotische Vorliebe." Man sollte sich allerdings nicht täuschen lassen von Briefmarken mit Rands Konterfei oder von den Aussagen von Prominenten, die angeblich von Rand inspiriert wurden, denn wenn sich Rand wirklich im Mainstream Amerikas etabliert hätte, sähe dieses Land anders aus. Ihre Romane beweisen es. Eher ist der Aussage von Peter Schwartz zuzustimmen: "Ich denke, dass der Objektivismus an Einfluss gewinnt. Noch nicht in der Mainstream-Kultur, aber an den Rändern."